VON OLIVER GRISS, ULI WAGNER UND BERND FEIL (FOTOS)

1860-Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik wollte etwas klarstellen in seinem neuesten Facebook-Post: “Ich habe von der Köllner-Beurlaubung über meine Twitter-Timeline erfahren.”

Dass bei den Löwen nicht richtig miteinander kommuniziert wird, konnte man in den letzten Jahren immer wieder feststellen. Das hat zuletzt auch Trainer-Kandidat Manuel Baum angemahnt (“Nicht die feine englische Art”) - oder war auch aus Leipzig zu hören, dass die Klub-Verantwortlichen des TSV 1860 bei RB gar nicht angefragt hätten, um den in der Aufsichtsratssitzung vorgeschlagenen Wunschkandidat Achim Beierlorzer auszulösen. Oder im Sommer 2020, als einige Spieler wie Timo Gebhart via db24 erfuhren, dass ihre Rückennummer inzwischen anderweitig vergeben sind. Auch Robert Reisinger hat es in seiner fünfeinhalbjährigen Amtszeit bislang nicht geschafft, Ismaik persönlich zu treffen. Das sind nur einige wenige Beispiele für die “Kommunikation” an der Grünwalder Straße 114.

Die “SZ” schreibt nun, dass das Kommunikationsproblem ausschließlich bei HAM liegen könne - und warum Statthalter Anthony Power Hasan Ismaik denn nicht informiert habe. Gleichzeitig zitiert das Blatt aus einer Power-Mail vom 31. Januar, dem Tag der Köllner-Beurlaubung, an Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel - 12 Minuten nach dem Köllner-Aus: “Hi Gunther, as per you discussion with Mr. Hasan, if Kollner goes you go too. You must leave the club right away. Cordially, Anthony Power.” (“Wie mit Mr. Hasan diskutiert, wenn Köllner geht, gehen Sie auch. Sie müssen den Klub sofort verlassen. Herzlich, Anthony Power.”)

Was viele bei 1860 offenbar nicht verstanden haben: Der Aufsichtsrat in Deutschland ist ein wichtiges Kontrollgremium. Fakt ist: Er wurde bei den Löwen in die Planspiele der Geschäftsführung nicht frühzeitig eingeweiht - und konnte so nicht von seinem Beratungs- und Informationsrecht Gebrauch machen. Was der HAM-Seite nach db24-Informationen zudem sauer aufstößt: Günther Gorenzel & Marc Pfeifer haben diese Personalentscheidung getroffen, obwohl das von beiden Seiten abgesegnete Sport-Budget von rund 6,3 Millionen Euro nahezu aufgebraucht war. Nur eine kurzfristige Etaterhöhung hätte 1860 wieder flüssig gemacht, um einen namhaften Trainer zu verpflichten. Am Ende entschied sich Gorenzel für den Italiener Maurizio Jacobacci - und gegen Co-Trainer Stefan Reisinger als Coach.

Aber zurück zur Köllner-Beurlaubung - wie war die Reihenfolge der Kommunikation am letzten Tag des Oberpfälzers bei 1860 wirklich? Die db24-Chronologie des 31. Januar, die deutlich aufzeigt, dass die HAM-Seite mit ihren Aufsichtsräten vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist:

9.15 Uhr: Ismaik-Statthalter Anthony Power nimmt wenige Stunden nach dem 1:2 gegen Dresden nach db24-Informationen telefonischen Kontakt zu Michael Köllner auf: “Mach Dir keine Sorgen, was in der Zeitung steht. Es ist alles gut. Wir sehen uns später.” Die “BILD” hatte geschrieben, dass Köllner wackelt und mit Thorsten Fink bereits ein potentieller Nachfolger in den Startlöchern stehe. Dass die HAM-Seite bzw. deren Aufsichtsräte Saki Stimoniaris, Yahya Ismaik und Andrew Livingston zu diesem Zeitpunkt von der geplanten Trainer-Beurlaubung nichts wussten, dürfte damit geklärt sein.

9.44 Uhr: Die beiden Geschäftsführer Gorenzel und Pfeifer informieren die Gesellschafterseiten per Rund-Mail (auch Anthony Power ist im Verteiler), dass man Michael Köllner mit sofortiger Wirkung freigestellt hat. Zu diesem Zeitpunkt ist Köllner längst beim TSV 1860, um sich auf den Tag vorzubereiten. Er hat auch schon seinen Trainingsanzug an - und bespricht mit seinem Trainerteam das unnötige 1:2 gegen Dresden und die weiteren Schritte.

Circa 9.54 Uhr: Gorenzel und Pfeifer verlassen gemeinsam den dritten Stock, kommen ins Trainerbüro und bitten Köllner zu einem Gespräch. Das Trio zieht sich ins Büro des Oberpfälzers zurück. Köllner wird mitgeteilt, dass er von seinen Aufgaben entbunden wird. Das Gespräch dauert nur einen kurzen Augenblick.

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9.56 Uhr: Der TSV 1860 versendet über seine Kanäle die Presseerklärung, dass Köllner freigestellt ist - auch über Twitter, jener Nachrichtenplattform, die auch Ismaik nutzt. Abschiedsworte an die Fans - wie es eigentlich üblich ist - werden Köllner nicht mehr zugestanden.

Circa 9.56 Uhr: Laut “SZ” hat Power inzwischen auf den unüberlegten Alleingang der Geschäftsführung reagiert und Gorenzel angeschrieben: “Hi Gunther, as per you discussion with Mr. Hasan, if Kollner goes you go too. You must leave the club right away. Cordially, Anthony Power.” (“Wie mit Mr. Hasan diskutiert, wenn Köllner geht, gehen Sie auch. Sie müssen den Klub sofort verlassen. Herzlich, Anthony Power.”)

Circa 9.57 Uhr: Zu diesem Zeitpunkt wissen einige Spieler schon, dass Köllner nicht mehr ihr Trainer ist - über die Social Media-Kanäle des Klubs. Michael Köllner kommt in die Spielerkabine und verabschiedet sich von der Mannschaft und wünscht ihr viel Glück für die Zukunft. Für die meisten Spieler ist es ein Schock.

10.08 Uhr: Michael Köllner steigt in seinen blauen Dienstwagen, winkt in die Kamera und braust von der Grünwalder Straße 114.

Wenige Tage später wird Präsident Robert Reisinger im “Münchner Merkur” mit folgenden Worten zitiert: “Den Michael Köllner der Saison 2020/2021 - den würden wir alle sofort wieder nehmen.” Im Stadionheft des nächsten 1860-Heimspiels gegen Verl (0:3) wurde Köllner mit keiner einzigen Silbe verabschiedet.

Wer hat jetzt ein Kommunikationsproblem?