VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTO)

Er ist einer von noch vier lebenden Meister-Löwen - und hat mit dem TSV 1860 so ziemlich alles erlebt: Bernd Patzke.

Der 79-Jährige ist den Sechzgern nach wie vor eng verbunden, lebt in München und verfolgt das Geschehen an der Grünwalder Straße 114. Im Interview mit db24 spricht Patzke über die Entlassung von Michael Köllner, den sportlichen Negativtrend der letzten Monate sowie seine Zeit als Trainer der Löwen in der Bayernliga.

db24: Herr Patzke, es rumort beim TSV 1860. Vergangene Woche wurde Trainer Michael Köllner entlassen…

BERND PATZKE: Der Verein hat so entschieden. Mir war Köllner sehr sympathisch und die Mannschaft hat sich in seiner Amtszeit eigentlich gut weiterentwickelt.

db24: Die Ergebnisse blieben jedoch zuletzt aus…

Man hat immer wieder Führungen hergegeben. Jetzt hat man erneut kurz vor Schluss eine Führung verspielt, das ist schlimm. Mich ärgert es, dass da hinten niemand ist, der die Mitspieler zusammenstaucht und ermahnt, nah am Gegner dran zu sein. Es geht aus meiner Sicht gar nicht, dass die immer zwei Meter wegstehen.

db24: Fehlende Qualität im Kader?

Ja, Sechzig fehlen bestimmt drei gute Spieler. Nicht nur gute, sondern sehr gute. Zumindest wenn sie das Ziel erreichen wollen, dass sie ausgegeben haben, nämlich aufsteigen. Mit dieser Mannschaft haben sie keine Chance.

db24: Aber zu Saisonbeginn holten die Löwen massenweise Punkte mit dem vorhandenen Personal…

Man muss schon auch sagen, dass sie am Anfang ein bisschen Glück gehabt haben. Auf einmal kam der Bruch rein und es war kein Spieler da, der das wieder richtet. Das liegt dann nicht unbedingt am Trainer.

db24: Jetzt ist Köllner seit über einer Woche weg, einen Nachfolger konnte Sechzig bisher nicht präsentieren…

Man weiß ja schon vorher, dass so etwas passieren kann. Da hätte Sechzig schon einige Kandidaten zur Auswahl haben müssen. Jetzt ist es natürlich eine Frage des Geldes, ob sie die Wunsch-Trainer bekommen oder nicht. Von den Internas weiß ich allerdings nichts.

db24: Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt 17 Spiele vor dem Ende zwei Punkte. Welchen Trainertypen braucht es denn jetzt im Aufstiegskampf?

Mit zwei Punkten Rückstand haben sie nach wie vor eine Riesenchance. Aber dafür brauchen sie jetzt einen Trainer, der ihnen in den Hintern tritt. Es braucht einen knüppelharten Hund - anders geht es nicht!

db24: Was muss denn passieren, dass Sechzig wieder in die Erfolgsspur zurückkehrt? Muss ein Umdenken bei den Spielern passieren?

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob die Mannschaft die Qualität für die Zweite Liga besitzt. Aber eigentlich können sie oben mitspielen. Mit Siegen in Oldenburg und Bayreuth hätten sie fünf Punkte mehr, dann wären sie ganz oben dabei. Man darf in Bayreuth beim Aufsteiger nicht verlieren. Und wenn man 2:0 in der 90. Minute führt und dann 2:2 spielt. Tut mir leid, das ist eigentlich unentschuldbar. Es ist ja nicht das erste Mal, dass sie eine Führung in der letzten Minute hergeben. Das war letztes Jahr in Meppen und gegen Saarbrücken genauso, das ist nichts Neues.

db24: Sie selbst waren ja auch schon Löwen-Trainer für ein Jahr in der Bayernliga. Erzählen Sie doch einmal, wie es damals zuging in München-Giesing…

Ich hatte das große Glück, dass ich den Erich Beer als Spieler hatte, der alles in die Hand genommen hat - auf den haben die Mitspieler gehört. Der Wiggerl Kögl war natürlich super, der ist ja dann gleich zu Bayern gegangen. Ich hatte eine gute Mannschaft, wir sind Meister geworden. Allerdings sind wir nicht aufgestiegen, da wir noch in die Aufstiegsrunde mussten und uns dort nicht durchsetzen konnten.

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Bernd Patzke (l.) und Erich Beer.

db24: Nach ihrer ersten Saison kam der vermögende Karl Heckl zu den Löwen, wurde Präsident. Es gibt die Anekdote, dass Sie von ihm auf dem Oktoberfest entlassen wurden…

Ach, das hat damals irgendeiner erfunden (lacht). Das ist absoluter Schwachsinn. Ich habe aber nie etwas dagegen gesagt, weil es mir egal war. In dieser Saison gab es nach mir noch vier Trainer, das war katastrophal. Es ist wie bei jedem anderen Klub: Wenn der Verein schlecht geführt ist, ist es immer schlecht für die Mannschaft. Da können sie Hamburg, Schalke, Hertha BSC oder viele andere nehmen: Alle Klubs, die schlecht geführt sind, stürzen ab. Oben muss es stimmen. Mit Heckl war es eine Katastrophe.

db24: Damals war schon ein zweiter Platz in der Bayernliga eine große Enttäuschung für die Löwen. Heute hat man den Eindruck, dass einige sich mit der Dritten Liga zufrieden geben…

Das sehe ich genauso! Es war schon ein großer Fehler, dass wir aus der Allianz Arena rausgegangen sind, das hätte ich niemals gemacht. Jetzt gibt es Leute, die nicht hochwollen. Die fahren lieber nach Heimstetten oder in die regionale Umgebung. Aber das kann ja nicht das Ziel von Sechzig sein. Ich höre von oben keine Bestrebungen, dass 1860 Meister werden will. Köllner war häufig auf sich alleine gestellt. Dem hat ja öffentlich niemand geholfen. Ein Trainer muss den Rückhalt aus dem Vorstand haben - und nicht anders!

db24: Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?

Ich bin ehrlich: Mir ist das egal mittlerweile. Ich freue mich, wenn Sechzig aufsteigt - das wäre eine wunderschöne Sache. Ansonsten fahre ich hin zum Spiel und danach wieder nachhause. Politisch bin ich niemals anzusprechen.

db24: Also sind Sie noch regelmäßig im Grünwalder Stadion anzutreffen?

Ja, wir sind ja jetzt nur noch drei. Hansi Reich, Fredi Heiß und ich. Der Radi lebt ja in Belgrad. Leider ist ja Hans Rebele plötzlich und unerwartet verstorben…

db24: Am 4. Januar an den Folgen einer Herzoperation…

Vier Wochen vorher saßen wir noch zusammen beim Essen, da war noch alles in Ordnung. Bei der Beerdigung war ich da, es tut natürlich weh. Wir waren 59 Jahre lang befreundet, das ist eine lange Zeit. Die sportlichen Dinge waren sekundär, die Freundschaft, das war etwas Besonderes.

db24: Wenn man Ihre Vita betrachtet, hatten Sie auch eine exotische Station: Sie waren Anfang der 90er-Jahre drei Jahre lang Nationaltrainer des Omans…

Eine wunderschöne Zeit. Es war eine tolle Sache, ich hätte auch noch länger bleiben können, bin dann aber zu Tennis Borussia Berlin als Manager gegangen. Der Oman ist ein sehr schönes Land mit tollen Leuten. Ich kann nur jedem empfehlen, dort einmal Urlaub zu machen. Werner Kern hatte das damals vermittelt. Zusammen mit mir ist Werner Olk vom FC Bayern rüber gegangen. Er hat dann dort die Polizei übernommen und ich die Nationalmannschaft.