VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTOS)

Mannheim gegen 1860 - das Kribbeln wird größer und größer, am Samstag (14 Uhr, db24-Ticker) ist es soweit.

Beide Teams müssen punkten, um den Anschluss an die Aufstiegsränge halten zu können beziehungsweise - im Falle Mannheims - diese nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Einer wird das Duell der beiden Traditonsvereine besonders genau verfolgen: Jochen Kientz.

Der 50-Jährige lief in den 90er-Jahren zweimal für die Löwen auf - Saison 1993/1994 sowie von 1997 bis 1999. Aufgrund mehrerer Verletzungen kam der Defensivspezialist “nur” auf 43 Einsätze unter Werner Lorant. Nach seiner Karriere, im Dezember 2017 übernahm Kientz das Amt des Sportlichen Leiters bei seinem in der Regionalliga spielenden Jugendverein Waldhof Mannheim. Er führte den Verein in die 3. Liga und formte ein Team, dessen Anspruch der Zweitliga-Aufstieg war.

Zum großen Bruch kam es im Oktober 2021. Der Verein kündigte Kientz fristlos. Begründung: Vertuschung eines positiven Coronafalls. Kientz klagte dagegen. Vor Gericht einigten sich beide Parteien im Frühjahr 2022 auf einen Vergleich. Der ehemalige Sportliche Leiter blieb von seinen Aufgaben entbunden, wurde jedoch weiterhin bezahlt und Mannheim nahm die Vorwürfe zurück. Im db24-Interview spricht Kientz über das Duell seiner beiden Ex-Vereine, eine kuriose Anekdote mit seinem damaligen Löwen-Coach Lorant sowie das unschöne Ende bei Waldhof Mannheim.

db24: Herr Kientz, seit Ihrem Abschied von Waldhof Mannheim ist es ruhig um Sie geworden. Was machen Sie zurzeit?

JOCHEN KIENTZ: Ich habe mir erstmal Zeit für mich genommen und mich erholt. Ich lebe in Ketsch nahe Mannheim. Ich habe ja vier Jahre in Mannheim gearbeitet, den Verein aus der Regionalliga hochgebracht zusammen mit meinem Ex-Kollegen Bernhard Trares, der eine tolle Arbeit gemacht hat. Das war sehr anstrengend, aber auch sehr schön.

db24: Ihr Ende in Mannheim war unschön, man konnte sich erst vor Gericht einigen…

Ich habe einen Schlussstrich daruntergezogen. Ich bleibe im Guten mit Mannheim, habe dort große sportliche Erfolge gefeiert. Wir haben uns geeinigt vor Gericht, da brauche ich nicht noch nachzutreten.

db24: Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem Sie zurückkehren möchten in den Profifußball?

Ich bin schon immer am Beobachten, wieder voller Tatendrang. Wenn etwas Passendes kommt, höre ich mir das natürlich an. Ich bin sehr ehrgeizig, habe gewisse Vorstellungen.

db24: Etwas weniger weit in die Zukunft geblickt: Am Wochenende treffen Ihre beiden Ex-Vereine Mannheim und 1860 aufeinander in der Dritten Liga. Es steht viel auf dem Spiel…

Es wird ein fantastisches Spiel, zwei tolle Vereine treffen aufeinander. Beide brauchen die Punkte unbedingt. Auch wenn Mannheim die letzten Vorbereitungsspiele nicht so gut performt hat: Das wird für Sechzig ein schwieriges Spiel beim Waldhof.

db24: Werden Sie im Stadion sein am Samstag?

Nein, ich werde die Partie wahrscheinlich zuhause verfolgen. Mein Herz schlägt für beide Vereine, habe auch beide Trikots getragen. Beide Mannschaften gehören eigentlich nicht in die Dritte Liga!

db24: Die Löwen möchten in ihrem fünften Drittliga-Jahr aufsteigen, überwintern jedoch nur auf Rang sechs…

Natürlich war es nicht der Wunsch der Löwen, dass im Herbst eine Leistungsdelle kommt. Das ist aber das Gefährliche: Wenn man einen solch guten Start hinlegt, muss man dennoch fokusiert bleiben. Michael Köllner wird aber die richtigen Schlüsse daraus gezogen haben.

db24: Mit Raphael Holzhauser wurde in dieser Woche ein früherer Bundesliga-Profi bei 1860 verpflichtet. Ein Transfer-Coup für einen Drittligisten?

Definitiv! Raphael Holzhauser ist ein guter Spieler, ich kenne ihn noch aus seiner Augsburger Zeit. Es ist gut für die Dritte Liga und für die Löwen, wenn solch ein Spieler den Weg zu 1860 findet.

db24: Holzhauser ist jetzt Teamkollege von Jesper Verlaat und Jo Boyamba, die im Sommer beide aus Mannheim nach München kamen. Sie verpflichteten Boyamba und Verlaat damals zu ihrer Waldhof-Zeit. Wie sehen Sie die beiden Spieler?

Das hat Sechzig im Sommer sehr gut gemacht. Man sieht es ja, dass der Jesper ein unheimlicher Stabilisator in Sechzigs Innenverteidigung ist. Deswegen hatte ich ihn damals aus Sandhausen nach Mannheim geholt. Für mich ist er einer der besten drei Innenverteidiger der Dritten Liga. Dass Mannheim ihn nicht versucht hat weiterzubinden, wurde von den Löwen gut ausgenutzt.

db24: Im Gegensatz zu Verlaat kommt Boyamba bislang nicht so wirklich in Fahrt…

Es hängt bei den Spielern natürlich immer so ein bisschen am Vertrauen. Aber das Vertrauen vom Trainer muss man sich auch erarbeiten. Vielleicht muss der Jo da noch ein bisschen mehr Gas geben. Prinzipiell ist er ein fantastischer Spieler mit großen Fähigkeiten in Sachen Dribbling und Schnelligkeit. Er hat ein unglaubliches Näschen für die Situation und ist torgefährlich. Meiner Meinung nach hat man einen tollen Spieler nach München geholt.

db24: Sie holten die Löwen gleich zweimal in die bayerische Landeshauptstadt, 1993 und 1997. Wie ist Ihnen die Zeit an der Grünwalder Straße 114 in Erinnerung geblieben?

Beim ersten Mal sind wir in die Bundesliga aufgestiegen. Anschließend habe ich ja auch in der spanischen ersten Liga - unter anderem für Mallorca - gespielt. 1997 bin ich zu den Löwen zurückgekehrt weil es einfach ein fantastischer Verein ist. Alleine die Fans und das Drumherum. Wie dieser Verein in der Stadt gelebt wird, ist unglaublich. Das ist Kult, das ist Tradition. Wir haben damals im Europapokal gespielt, hatten eine tolle Mannschaft. Werner Lorant war ein großer Förderer von mir, der mir viel mitgegeben hat. Er genießt zurecht den Kultstatus bei Sechzig. Was er dort erreicht hat, ist grandios. Natürlich war er auch eigen.

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db24: Ein Beispiel?

Ich kam aus einer längeren Verletzung zurück. Dann habe ich an einem Donnerstag das erste Mal wieder locker mit der Mannschaft trainiert. Am Freitag war das Abschlusstraining, anschließend sollte die Mannschaft nach Dortmund reisen. Er hat mich dann gefragt, ob ich meine Sachen dabeihabe. Das habe ich natürlich verneint und gesagt, dass ich ja noch gar nicht soweit wäre. Er nahm mich trotzdem mit und meinte, dass es einfach wichtig wäre, dass ich dabei bin. Er hat mich dann tatsächlich in der Halbzeit eingewechselt, obwohl ich noch gar nicht bereit war. Ausverkauftes Stadion in Dortmund, ein hohes Tempo auf dem Feld. Nach den 45 Minuten habe ich dann schon ordentlich gepustet (lacht).

db24: Gibt es denn heute noch Kontakt zu den Löwen?

Ja, man verfolgt die Löwen natürlich. Im September war ich auch mal beim Training, habe auch zu meinen beiden Ex-Spielern Hallo gesagt, mich unterhalten. Es ist schön, wenn man mal wieder am Trainingsgelände ist. Wenn ich die Treppen anschaue, die zur Kabine runterführen, kommen natürlich auch die Erinnerungen hoch. Privat habe ich auch noch zum ein oder anderen Kontakt aus meiner Löwen-Zeit. Von daher kriegt man natürlich auch immer viel mit von den Sechzgern.

db24: Wäre eine Funktion bei den Löwen in der Zukunft eine Option für Sie?

Ich möchte mich da gar nicht ins Gespräch bringen. Das gehört sich nicht. Das hat was mit Respekt gegenüber den Herren Köllner und Gorenzel zu tun. Da sollte man sehr vorsichtig sein mit seinen Worten. Das ist leider häufig im deutschen Fußball der Fall, dass der Respekt häufig mal zu kurz kommt. Für mich gehört das aber dazu.