VON OLIVER GRISS UND STEFAN MATZKE (FOTO)

Martin Kobylanski (28) hat kein leichtes erstes Halbjahr hinter sich beim TSV 1860. Im Trainingslager im “Regnum Carya” in Belek spricht er über sein Schlüsselerlebnis an der Grünwalder Straße 114, das ihn wachrüttelte - und seine besonderen Vorsätze für 2023. Das db24-Interview:

db24: Wie bewerten Sie die ersten Tage in Belek?

MARTIN KOBYLANSKI: Was uns der Verein hier hinstellt und welche Möglichkeiten er uns Spielern mit der Auswahl des Trainingslagers gibt, das ist schon erste Sahne. Das schätzen wir, das ist alles nicht selbstverständlich. Aber es ist auch nicht so, dass wir mal tagsüber drei Stunden im Bett liegen und die Füße hochlegen können: Wir haben ein straffes Programm - und wir haben als Mannschaft auch einiges aufzuarbeiten, was nicht so gut war.

db24: Aufarbeiten ist ein gutes Stichwort: Warum hat’s bei Ihnen in Ihrem ersten Halbjahr bei 1860 nicht so funktioniert, wie es sich alle erhofft hatten?

Ich will jetzt nicht mehr groß zurückschauen. Ich habe die letzten Wochen Extraschichten gemacht, auch hier im Trainingslager war ich schon fleißiger. Direkt nach der Ankunft am Dienstag sind wir um 22.15 Uhr noch mit Jörg Mikoleit und Stefan Reisinger 45 Minuten im Kraftraum gewesen. Mir liegt es voll am Herzen jetzt durchzustarten. Ich will, dass mein Kapitel bei 1860 jetzt so richtig losgeht, meinen Stempel aufdrücke und erfolgreich mit dem Verein bin. Klar, ob wir aufsteigen, das erfahren wir erst im Mai. Das kann man noch nicht vorhersagen. Ich habe mir persönlich sehr viel vorgenommen - und ich denke, da bin ich auf einem sehr guten Weg. Man darf nicht überpacen, das weiß ich. Trotzdem waren die letzten Wochen für mich anstrengender als für manchen anderen.

db24: Erklären Sie uns das genauer!

Ich habe in privater Hinsicht auch einiges unternommen, dass ich fitnesstechnisch besser werde und so 1860 noch mehr helfen kann. Ich habe beispielsweise meine Ernährung komplett umgestellt. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich habe viele coole Leute kennengelernt, auch in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, die mich bei diesem Thema konsequent unterstützen. Auch meine Frau zieht voll mit (lacht). Ich mache das, weil ich mir hinterher nichts nachsagen lassen will: Es hat nicht funktioniert, weil…Für mich ist die Zeit gekommen, um alles auszureizen, um auf 100 Prozent zu kommen und Stammkraft zu werden.

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db24: Trainer Michael Köllner nimmt das lobend zur Kenntnis…

Alle Trainer sehen, dass ich mich voll reinhaue. Ich bekomme dadurch vieles zurück von ihnen. Das stärkt mich in einzelnen Aktionen. Das hilft mir, wenn’s dann losgeht. Ich will jetzt nicht sagen, dass Freundschaftsspiele keinen interessieren, aber mir ist wichtig, was in Mannheim passiert.

db24: Was war eigentlich die Initialzündung für Ihr Umdenken?

Ich stand beim letzten Spiel des Jahres gegen Essen nicht im Kader - und das ohne Verletzung. Das hat mich gewurmt. Das ist mir in den letzten zehn Jahren als Profi nicht passiert. Das habe ich nicht verstanden. Als ich die Nachricht auf dem Platz bekommen habe, musste ich erst dreimal schlucken. Dieses Nichtnominierung war einschneidend, und zum anderen das Gespräch mit dem Trainer auf dem Weg zum Wörthersee-Cup. Wir waren noch nicht mal aus München heraus, dann saß ich schon vorne im Bus bei Michael Köllner.

db24: Was ist da passiert?

Wir haben offen und ehrlich miteinander gesprochen. Ich bin ein direkter Typ und habe alles angesprochen, was mir nicht gefallen hat. Wir hatten ein Supergespräch. Ich wusste danach: Es muss sich was verändern, damit ich wieder spiele. Ein erster Schritt war meine Leistung beim Wörthersee-Cup. Ich will mit 1860 nicht auf Platz 5, 6 oder 7 sein, sondern im besten Fall oben stehen. Deswegen habe ich die Erfahrung gebraucht, zu merken: Es muss was passieren, damit ich wieder in die richtige Spur komme.

db24: Ihre Einstellung ehrt Sie, andere bocken in dieser Situation schon mal gerne…

Das mache ich ja auch. Ich bin keiner, der alles hinnimmt. Ich habe ja auch ein paar Spiele nicht gemacht. Da war ich auch unzufrieden und habe mit dem ein oder anderen nicht gesprochen. Es ist nicht mein Anspruch, nur Ersatzspieler zu sein oder gar nicht im Kader aufzutauchen - da bin ich ehrlich.

db24: Vor zwei Jahren haben Sie Eintracht Braunschweig mit 18 Toren in die Zweite Liga geschossen: Wie funktioniert Aufstieg?

Du brauchst ungemein viel Glück! Du musst nicht immer die bessere Mannschaft sein! Du brauchst eine Einheit auf dem Platz und außerhalb! Und auch die Trainer muss man immer ins Boot nehmen! Weil Harry Huber, unser Torwarttrainer, gerade auf der anderen Seite des Pools sitzt: Ich hätte nie ein Problem, mich mit ihm zu beschäftigen. Und: Wir müssen auf jeder Position der bessere sein! Deswegen trainieren wir auch in Belek richtig hart.

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db24: Wo ist 1860 schon aufstiegsreif?

Das merkt man schon nach den ersten Tagen in Belek: Wir sind eine Einheit! Da passt kein Blatt Papier dazwischen. Im Physioraum ist immer viel los oder nach den Einheiten im Sitzbereich. Wir spielen Karten. Wir wissen, dass wir jeden brauchen. Von der Nummer 1 bis zum Zeugwart.

db24: Welche Rolle spielt Trainer Köllner?

Eine wichtige! Er bleibt seiner Linie treu. Er motiviert uns, immer - und jeden Tag.

db24: Ein Beispiel!

Wir arbeiten wirklich richtig hart auf dem Platz - das sieht jeder, der uns hier verfolgt. Und vor dem Training macht er das Licht aus, entweder im Besprechungsraum oder in der Kabine - und wir sind nur unter uns. Da kann jeder seinen Gedanken freien Lauf lassen. Das nimmt jeder ernst. Der Trainer ist erfahrener als wir und hat schon einiges im Fußball erlebt und gesehen. Deswegen muss sich darauf einlassen. Wenn wir die ersten sechs Spiele im neuen Jahr gut spielen und im Idealfall gewinnen - dann sagt jeder: Genau das war der Schlüssel!

db24: Ist das alles?

Nein! Was neu ist: Er bindet uns noch mehr ins Spiel mit ein! Wir als Spieler können viel mehr mitsprechen als noch in der Vorrunde. Zum Beispiel bei der Thematik Standards. Ich finde das super, denn er signalisiert uns damit ein Mitspracherecht. Wir können vorschlagen, wie wir die Bälle schlagen würden und nicht vorgeben, wo der Ball hin muss.

db24: Zum Rückrunden-Auftakt geht’s am 14. Januar gleich nach Mannheim - ein schwieriger Start?

Es ist kein Finale, wir haben auch danach noch 20 Spiele. Wir müssen cool bleiben. Für uns ist es ein normales Drittliga-Spiel, das wir gewinnen wollen. Wir werden eine gute Mannschaft auf den Platz bringen. Das Einzige, was in Mannheim zählt: Gewinnen und nach Hause fahren!