VON MARCO BLANCO UCLES

Das 500-Einwohner-Örtchen Helfenbrunn (Landkreis Freising) ist tiefblau. Die allermeisten Bewohner halten es mit dem TSV 1860. Da die Löwen am Dienstagabend ohne großen Fanandrang ihre Weihnachtsfeier abhalten wollten, war die Lokalität bis kurz vor Beginn der Veranstaltung streng geheim, nicht einmal Sechzig-Coach Michael Köllner wusste Bescheid…

Um 18:30 Uhr fuhr der Löwen-Tross mit rund 70 Personen - 30 Spieler, 20 Frauen und Partnerinnen sowie Physios, Trainerteam und Funktionäre - auf den Innenhof des Burgerwirts vor. Für manche Löwen kein unbekannter Ort, erzählt Gastwirt Josef Burger (53): “Der Marius Wörl hat beim Ankommen bemerkt, dass er bereits auf einer Hochzeit bei uns zu Gast war.” Nach einem Glühweinempfang im Hof verlagerte sich die Feier ins Innere des Gasthofes. “Mich hat es gefreut, dass so viele Personen aus dem Aufsichtsrat da waren, auch Vizepräsident Hans Sitzberger war vor Ort. Eigentlich hat nur Präsident Robert Reisinger gefehlt.”

Die Idee, dass 1860 seine Weihnachtsfeier vor den Toren Münchens beim Burgerwirt abhält, entstand vor einigen Wochen. “Ich habe Präsident Reisinger vor fünf, sechs Wochen in München getroffen. Dann habe ich ihn gefragt, ob die Löwen heuer nicht bei mir feiern möchten. Er meinte, dass noch nichts organisiert worden sei und er das mit Marc Pfeifer absprechen wird. Zusammen mit Teammanager Fatih Aslan und Pfeifer habe ich die Veranstaltung dann auf die Beine gestellt.”

Für den glühenden Löwenfan, der Lebensmitglied bei 1860 ist, sei es eine “große Ehre”, dass Sechzig die Weihnachtsfeier bei ihm abhält. Auch Burgers Sohn Seppi war begeistert. Der 17-Jährige, der zu Weihnachten ebenfalls die Lebensmitgliedschaft geschenkt bekommt, besucht seit drei Jahren jedes Spiel der Löwen, verpasste nur eine Partie urlaubsbedingt. Ohnehin seien alle Mitarbeiter des Familienbetriebs - Burger ünbernahm den Gasthof 2003 von seinen Eltern - “tiefblau”. Alle sind sie Mitglied im Löwenfanclub “Ampertal Helfenbrunn”. Der Fanclub wurde bereits 1979 gegründet, wird in der Liste der Fanclubs auf dem zweiten Platz geführt. Eigentlich stehen sie sogar ganz oben, denn die Nummer eins gibt es bereits seit 30 jahren nicht mehr. Mehr Tradition geht also nicht.

Nach der Eröffnungsrede durch Köllner wartete ein Vier-Gänge-Menü auf die Löwen. Pfannkuchensuppe, Schmorbraten - “Für den sind wir hier bekannt” -, überbackenes Zanderfilet mit Gemüse, Spinatknödel und abschließend Zimtlebkuchen sowie Spekulatius-Mandarinencreme-Becher als Dessert. Auf Einladung von Burger ließen es sich die Löwen so richtig schmecken, besonders Köllner und Lebensgefährtin Petra Freitag zeigten sich angetan vom Essen.

Nach dem Essen gehörte die Bühne zunächst Marius Wörl. Der 18-Jährige las eine von Köllner ausgesuchte Weihnachtsgeschichte vor. Anschließend folgte der Höhepunkt des Abends: Co-Trainer Stefan Reisinger schlüpfte in ein weiß-blaues Nikolauskostüm. Das war geplant. Allerdings hatte Köllner spontan einen zusätzlichen Wunsch, möglicherweise aufgrund der peinlichen 2:4-Niederlage gegen Drittliga-Schlusslicht Bayreuth wenige Stunden zuvor: “Herr Köllner fragte mich, ob ich ein Krampus-Kostüm besitze. Wir haben dann spontan eine gruselige Maske, einen Umhang, alte Schuhe, eine riesige Kuhglocke sowie eine Rute organisiert.” Physiotherapeut Nick Wurian schlüpfte in das Kostüm. Als Reisinger über jeden Spieler in Versform etwas erzählte, setzte Wurian beim ein oder anderen Akteur spaßeshalber seine Rute ein.

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Physiotherapeut Nick Wurian (l.) und Co-Trainer Stefan Reisinger sorgen als Krampus und Nikolaus für beste Unterhaltung.

Zum Abschluss des offiziellen Teils ergriffen nochmals Köllner, Günther Gorenzel und Aufsichtsratsvorsitzender Saki Stimoniaris das Wort. “Der Grundtenor war bei allen gleich: Es gilt nun, den Fokus auf die verbleibenden 21 Spiele zu setzen. Es braucht bis zum Mai einen langen Atem, um aufzusteigen. Außerdem freuten sich alle, dass die Frauen und Partnerinnen ebenfalls dabei waren. Denn eines ist klar: Läuft es zuhause gut, macht auch die Arbeit auf dem Platz mehr Spaß.”

Die Löwen, wie von einigen Fans befürchtet, ein zerrütteter Haufen, dem die Leichtigkeit verloren gegangen ist? Mitnichten, betont Burger: “Es war eine super lockere Stimmung, alle waren begeistert. Von einer Grüppchenbildung war nichts zu sehen. Ich habe mich mit drei Spielern ausführlich unterhalten. Alle haben mir bestätigt, dass alle an einem Strang ziehen, gemeinsam an dem großen Ziel arbeiten.”

Gegen 22 Uhr machten sich die zwei Busse wieder auf den Weg nach München-Giesing, lediglich einige Spieler, die mit ihren privaten PKW´s angereist waren, blieben noch etwas länger. “Alkohol wurde so gut wie nicht getrunken von den Spielern, am nächsten Morgen stand Training auf dem Programm. Das geht natürlich vor.” Bei allen Feierlichkeiten: Nicht erst der Test gegen Bayreuth hat gezeigt, dass vor Köllner und seinem Team noch eine Menge Arbeit liegt. Schließlich soll die ganz große Party dann im Mai 2023 steigen - erneut beim Burgerwirt? “Hans Sitzberger meinte zu mir, dass die Löwen im Falle eines Aufstiegs ja vielleicht wiederkommen zum Feiern.”