db24: Ihr Team steht nach 14 Spieltagen auf einem direkten Aufstiegsplatz, dennoch wird die Mannschaft immer wieder scharf kritisiert, wie zuletzt nach dem Bayreuthspiel. Der Fluch der großen Strahlkraft der Löwen?

Ich kenne das ja schon eine Zeit lang - das ist hier immer so gewesen. Du kannst super spielen, zehn Spiele gewinnen und dann zwei verlieren, am besten noch gegen den Letzten. Dann heißt es wieder: Oh, irgendetwas stimmt nicht. Das ist die Kehrseite der Medaille. Uns zieht das aber nicht runter. Das Wichtigste für mich sind die Fans im Stadion und die feuern uns an, auch am Sonntag gegen Saarbrücken wird das wieder der Fall sein.

db24: Muss man an die starke Leistung gegen Wiesbaden anknüpfen, um gegen Saarbrücken etwas mitnehmen zu können?

Das kann man schon so sagen, ja. Die Teams ähneln sich, auch wenn es Unterschiede gibt. Wir haben gegen Wiesbaden ein richtig gutes Spiel gemacht, vor allem waren wir fußballerisch deutlich stärker als gegen Bayreuth. Wenn wir so spielen, müssen wir uns vor keiner Mannschaft verstecken, da mache ich mir keine Sorgen.

db24: Wie will man den Ex-Löwen Richy Neudecker ausschalten? Haben Sie Kontakt zu ihm?

Wir haben Kontakt, jahrelang zusammengespielt. Seine Stärken kennt jeder, da gehen wir auch drauf ein. Aber Richy ist ein Spieler, bei dem selbst wenn du die Stärken kennst, es nicht einfach ist, ihn auszuschalten. Er hat Top-Qualitäten. Wir müssen darauf achten, dass er sich nicht so entfalten kann, um gegen uns ein top Spiel zu zeigen. Jeder weiß, wie gut er ist. Allerdings haben wir genug Qualität in der Mannschaft, um ihn und sein neues Team in die Schranken zu weisen.

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db24: Bei Saarbrücken wird jeder Löwenfan natürlich sofort hellhörig. Welche Erinnerung schießt Ihnen sofort in den Kopf wenn Sie an die dramatische Relegation 2018 denken?

Ich muss sofort daran denken, wie Christian Köppel im Rückspiel beim Stand von 2:2 kurz vor Schluss einem Ball zur Eckfahne hinterhersprintet, bei dem jeder sieht, dass er ins Aus gehen wird und Biero draußen komplett ausflippt (lacht). Darüber haben wir im Nachhinein noch lange gelacht. Dann natürlich der rausgeholte Elfmeter von Benny Kindsvater oder das 2:2 von Simon Seferings. Auch die Party danach auf dem Bus wird niemand, der damals dabei war - egal ob Fan oder Spieler - jemals vergessen. Das wird immer im Kopf bleiben.

db24: Mit Ihnen, Steinhart und Wein sind noch drei Spieler aus der Aufstiegsmannschaft dabei. Haben Sie Ihren Teamkollegen bereits erzählt, was in Giesing los sein wird, sollte im Mai 2023 der Aufstieg in die Zweite Liga gelingen?

Unsere Fans können sich gerne damit beschäftigen. Aber wir in der Mannschaft befassen uns im Moment nicht damit, denn unser Fokus liegt voll und ganz auf den drei Spielen bis zur Winterpause.

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db24: Sie haben in dieser Saison 16-mal hinter sich greifen müssen, in der Vorsaison waren es 50 Gegentreffer. Wie beurteilen Sie die Löwendenfensive im Vergleich zum Vorjahr?

Generell sind Spielzeiten nicht immer miteinander vergleichbar. Sicherlich gibt es heuer die ein oder andere Veränderung in unserem Spiel auch durch den veränderten Kader. Wenn man sich die ganze Defensive, nicht nur die Innenverteidiger anschaut, stehen wir kompakt. Aber 16 Gegentore sind immer noch einen Tick zu viel. Ziel ist es auf alle Fälle, häufiger zu null zu spielen, dann nehmen wir auch in Bayreuth einen Punkt mit.  

db24: Wo sehen Sie bei sich noch Punkte, in denen Sie sich verbessern können?

Ich denke, dass sind die Punkte, die es schon immer waren, Strafraumbeherrschung beispielsweise. Ich könnte auch noch ruhiger werden im Spielaufbau. Das sind Punkte, bei denen du nie auslernen kannst. Da sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Man will natürlich immer besser werden. Wenn ich noch so gut wäre wie vor fünf Jahren, wäre ich hier kein Stammtorwart mehr. Man sieht die Entwicklung ja auch: Früher hatte jeder im Stadion einen Herzinfarkt, sobald ich den Ball am Fuß hatte. Ich denke, mittlerweile ist es so weit, dass kein Notarzt mehr benötigt wird (lacht).

db24: Seit 2008 spielen Sie bei den Löwen. Wieso haben Sie sich trotz höherklassiger Angebote dagegen entschieden, in die Zweite oder sogar Erste Liga zu wechseln?

Ich habe immer gesagt, dass ich mit Sechzig aufsteigen will. Das ist der Plan, das Ziel. Wenn ich weggehe, dann muss es ein richtig geiler Verein sein, bei dem alles passt, bei dem die Leute sagen: Klar, das muss er machen. So ein Angebot war nicht dabei. Von daher war es für mich keine Frage, dass ich hierbleibe. Sechzig ist ein großer Name in Deutschland, viele Spieler würden hier gerne spielen. Wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, hier viele Jahre zu spielen, warum sollte ich wechseln?

db24: Trainer Köllner meinte zuletzt, dass Sie überall in Giesing bekannt sind. Was bedeutet Ihnen diese tiefe Verwurzelung im Heimatviertel der Löwen und der enge Kontakt zu den Fans?

Ich habe viele Freunde, die jede Woche ins Stadion gehen. Auch durch Felix Weber, der ja viele Fans aus der Szene kennt, habe ich viele Leute kennengelernt. Ich finde es wichtig, einen lockeren Austausch mit den Fans zu haben. Die wollen uns ja nix Böses, möchten auch, dass wir gewinnen. So etwas wie hier hat man nicht oft im deutschen Profifußball. Es ist schön, Teil dieser Tradition zu sein.

db24: Wie wichtig ist die Rückkehr Marcel Bärs für die Löwen?

Ja klar, wenn man Cello für die letzten Spiele auf der Bank hat, ist das natürlich schon Wahnsinn. Umso besser für uns, wenn er Minuten sammeln kann, fit wird und irgendwann wieder von Beginn an spielen kann. Jeder weiß, was er für eine enorme Qualität hat, auch die anderen Klubs. Für die wird es natürlich schwer, er ist nicht grundlos Torschützenkönig geworden letztes Jahr. Wir haben jetzt eh bis auf Milos Cocic alle Spieler wieder im Training, das ist gut so! Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir haben richtig viel Qualität im Kader, die durch Cellos Rückkehr weiter steigt. Das gibt uns nochmal einen Schub. In den letzten Jahren hatten wir immer viele verletzte Spieler. Das kann einem das Genick brechen, wenn man dann nicht gleichwertig wechseln kann. Wir können jetzt gefühlt zwei starke Mannschaften aufstellen. Das wird uns die ganze Saison über stark machen.

db24: Noch drei Spiele - Saarbrücken, Freiburg II und Essen - stehen heuer an. Mit welcher Punktzahl wären Sie zufrieden?

Eine bestimmte Punktanzahl haben wir uns nicht vorgenommen. Es war nicht notwendig, sich nochmal zusammenzusetzen, nur weil wir ein Spiel an die Wand gefahren haben. Jeder weiß, dass wir viel Qualität haben. Wir wissen, was wir können und dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Wir sind immer noch Zweiter, das darf man nicht vergessen. Ich bin guter Dinge.