Das db24-Interview mit Kapitän Stefan Lex: „Breite und Klima – das ist unser Faustpfand!“

13 Minute(n) Lesezeit

Die Löwen nach ihrem Rückschlag gegen Elversberg…

Wir haben mit Kapitän Stefan Lex (32) über die Gründe der ersten Saison-Niederlage, den Lerneffekt, seine Fahrdienste für Leandro Morgalla – und seine persönliche Zukunft bei 1860 gesprochen. Das db24-Interview:

db24: Herr Lex, erstmal müssen Sie uns aufklären: Ihre Worte unmittelbar nach dem 1:4 in Elversberg wurden auf diversen Kanälen missinterpretiert und “interne Probleme” daraus gemacht. Seitdem diskutieren die Fans. Wie gut ist es um die Atmosphäre des TSV 1860 wirklich bestellt?

STEFAN LEX: Wir haben eine sehr gute Atmosphäre – und das auch schon die ganze Saison über. Das war von Anfang an so. Daran hat sich nichts verändert. Ich habe nach dem Spiel in Elversberg nur gesagt, dass wir wissen, woran es gelegen hat und wir das intern ansprechen werden. Und daraus sind teilweise interne Probleme gemacht worden (lacht). Wenn ich jetzt unsere taktischen Sachen öffentlich machen würde, dann spielen wir unserem nächsten Gegner Aue in die Karten. Und das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Das ist einfach falsch rübergekommen. Und die Journalisten, die vor Ort waren, haben meine Aussagen auch richtig analysiert. Die, die abgeschrieben haben, haben das falsch bewertet. Also nochmal: Wir haben keine internen Probleme! Wir wissen, was schief gelaufen ist. Dies gilt es in dieser Woche anzusprechen und dann gehe ich davon aus, dass wir gegen Aue wieder eine andere Leistung auf den Platz bringen.

db24: Woran lag’s aus Ihrer Sicht, dass ausgerechnet Aufsteiger Elversberg den 1860-Code entschlüsselt hat?

Wenn ein so euphorisierter Aufsteiger zwei- oder dreimal aus unserem Pressing rauskommt, dann klappt auf einmal alles und bei uns kommen Zweifel auf, warum wir nicht in die Zweikämpfe kommen. Und natürlich hat auch der Schiedsrichter mit der ein oder anderen kuriosen Entscheidung dazu beigetragen, dass wir nicht sicherer geworden sind. Ich nenne nur den Elfmeter zum 0:3, der für mich keiner war. Oder wenn das reguläre 1:3 zählt, dann hätte das Spiel eine Wende finden können. Als ich den Ball aus dem Netz geholt habe und der Treffer plötzlich nicht gegeben wurde, war ich total perplex. Trotzdem: Wir haben kein gutes Spiel gemacht – und mit Ball keine guten Lösungen gefunden.

db24: Wir hätten uns vor allem deutlich mehr Gegenwehr der etablierten Spieler gewünscht. Dazu zählen wir auch Sie…

Das ist ein Kritikpunkt, den ich mir gefallen lassen muss. Das muss ich mir ankreiden, dass ich mich nicht auf dem Platz gewehrt habe. Hinterher habe ich mich auch über mich selbst geärgert. Allerdings muss ich jetzt auch sagen, und das ist jetzt keine Ausrede: Uns war vor der Saison klar, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen können. Wir ärgern uns aber am allermeisten, vor allem über uns selbst, die erste Halbzeit und auch die Deutlichkeit des Ergebnisses. Diese Niederlage zeigt uns, woran wir arbeiten müssen.

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db24: Die Schiedsrichter-Entscheidungen im deutschen Fußball – oben wie unten – sorgen derzeit für mächtig Gesprächsstoff, vor allem auch durch das vermeintliche Hilfsmittel VAR.

Gefühlt ist es schon so, dass in der 1. und 2. Liga die Schiedsrichter nicht die letzte Entscheidung treffen wollen, weil sie es sich so oder so nach am Bildschirm anschauen können. Diese Entwicklung finde ich schade. Ich hatte mir eigentlich gedacht, als der Video-Assistent eingeführt wurde: Jetzt wird’s fairer! Aber mittlerweile muss ich sagen: Bei manchen Entscheidungen fragt man sich schon, warum hat er das Tor trotzdem gegeben, obwohl es auf dem Fernsehbild klar ersichtlich ist, dass es keines war. Und für die Schiedsrichter, die einmal Bundesliga pfeifen – und dann in der Dritten Liga ohne Hilfsmittel auskommen müssen, ist es eine gravierende Umstellung. Das ist kein Vorteil für die Dritte Liga, dass Schiedsrichter von oben kommen. Ich persönliche finde: Entweder spielen alle Profiligen mit VAR – oder keine!

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db24: Jetzt wollen wir aber endlich über das Positive reden. Der Super-Start der Löwen überwiegt alles. Mit 19 Punkten steht 1860 auf Platz 2 – Aufstiegsplatz! Verdient – oder lag das an den Gegnern, die größtenteils aktuell nicht im vorderen Tabellenbereich zu finden sind?

Wenn mir vor der Saison einer gesagt hätte, 1860 steht nach acht Spieltagen mit 19 Punkten auf Platz zwei, das hätte ich sofort unterschrieben. Das ist eine sehr gute Bilanz, wie ich finde. Es ist aber momentan nicht wichtig, ob wir Erster, Zweiter oder Dritter sind, sondern, dass wir viele Punkte sammeln. Aber wir dürfen bei der Analyse natürlich auch nicht verschweigen, dass wir tendenziell bislang gegen Mannschaften gespielt haben, die eher im unteren Bereich anzusiedeln sind und wir in der ein oder anderen Partie auch ein gewisses Spielglück hatten. Aber dennoch finde ich, dass wir verdient da oben stehen. Wir sind aber noch nicht so souverän, dass wir über 90 Minuten ein Spiel immer dominieren und als verdienter Sieger vom Platz gehen. Es gibt immer wieder Schwächephasen – wie gegen Duisburg. Da führen wir 4:1 und lassen den Gegner gefühlt aber nochmal hinriechen. Das muss besser werden.

db24: Diese Ehrlichkeit ehrt Sie.

Es war nicht alles gut in dieser Saison, aber auch nach einer Niederlage wie jetzt in Elversberg nicht alles schlecht. Die meisten Mannschaften in der Liga hätten schon gerne so viele Punkte wie 1860 auf dem Konto. Und was schon richtig gut ist: Wir haben über die Ersatzbank schon viele Spiele auf unsere Seite gezogen – das ist ein neues Qualitätsmerkmal im Vergleich zur Vorsaison. Wir stehen ganz gut da, aber es liegt noch einiges an Arbeit vor uns: Zum einen, weil wir noch 30 Spieltage vor uns haben – und zum anderen noch nicht so souverän wirken, wie es die Ergebnisse vielleicht verraten.

db24: Am Freitag kommt mit Erzgebirge Aue eine Mannschaft ins ausverkaufte Grünwalder Stadion (19 Uhr, db24-Ticker), die mit vier Punkten das Tabellenende der Dritten Liga ziert. Von der Papierform eine klare Sache – aber warum wird’s trotzdem eine schwierige Partie für die Löwen?

Die Fallhöhe ist hoch, weil alle mit einem klaren Heimsieg von 1860 rechnen. Erzgebirge Aue hat letzte Saison noch Zweite Liga gespielt – die Qualität ist mit Sicherheit besser als das der Tabellenplatz verrät. Aue hat aus meiner Sicht keinen schlechten Kader. Das ist ein gefährliches Spiel für uns. Wir wollen den Heimsieg und in diesem Spiel auch den Ton angeben, aber dafür müssen wir viel richtig machen.

db24: Viel Freude bereitet bei 1860 neben dem Blick auf die Tabelle auch die rasante Entwicklung von Abwehrtalent Leandro Morgalla, der gestern erst 18 Jahre alt geworden ist. Wie sehen Sie ihn?

Leandro ist schon sehr weit. Schon in der ersten Woche, als er bei uns mittrainiert hat, und ich weiß jetzt nicht, ob er zu diesem Zeitpunkt noch 16 war, hat man gesehen: Das kann einer werden! Es hört sich jetzt vielleicht merkwürdig an: Der hätte damals schon bei uns spielen können – das meine ich jetzt aber nicht despektierlich gegenüber den anderen älteren Verteidigern. Leandro ist ein sehr guter Junge! Wenn er gesund und im Kopf klar bleibt, ist sein Weg in die Bundesliga vorgezeichnet. Ich habe ja schon ein paar Mal den Chauffeur für ihn gespielt – da haben wir schon das ein oder andere Gespräch geführt. Ich mag seine reife Einstellung.

db24: Prinzipiell ist die Grundstimmung bei 1860 positiv. Doch immer wieder wird das Stadion für politische Aktivitäten innerhalb des Klubs genutzt. Setzt man sich als Löwen-Fan und Kapitän damit auseinander?

Grundsätzlich finde ich, dass wir in dieser Saison sportlich eine gute Euphorie entfacht haben. Ich bin froh über jeden, der sich uns positiv anschließt. Ob jetzt irgendwelche Parteien miteinander streiten, dazu kann ich nichts sagen, weil ich es ohnehin nicht beeinflussen kann. Ich werde mich nicht hinstellen und als Mediator aktiv werden. Denn am Ende gewinnst du nichts und verärgerst beide Seiten. Wir wollen sportlich einen guten Weg vorbereiten und dazu ist jeder herzlich eingeladen, den mit zu bestreiten.

db24: Sie haben vor einiger Zeit gesagt, dass Sie nach dieser Saison Ihre Karriere beenden wollen: Was muss passieren, dass Sie trotzdem nochmal ein Jahr dranhängen?

An meiner Einstellung hat sich nichts geändert: Ich will die Saison abwarten – und dann entscheide ich mich. Wichtig ist mir, dass ich gesund bleibe. Vor ein paar Wochen hatte ich Probleme mit meinem Rücken, aber das passt zum Glück jetzt wieder. Ich will auf gar keinen Fall zum Ballast werden. Ich will Leistung bringen: Das ist mir in dieser Saison bislang gelungen, zwar noch nicht perfekt, aber ganz gut. Aber das Wichtigste ist für mich, dass die Mannschaft erfolgreich ist. Auch wenn ich kein Tor schieße.

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db24: In der vergangenen Saison hatten Sie neben sieben Saisontreffern mit 17 Torvorlagen aufhorchen lassen – ein Topwert

Auch in dieser Saison habe ich schon vier (lacht) – und ein Tor geschossen. Das ist jetzt nicht so gut, aber ich hatte heuer auch noch nicht so viele Chancen. Vielleicht auch, weil ich ein etwas andere Rolle habe. Letzte Saison kam ich am Ende mehr über links, in dieser Saison über rechts. Ein Erklärungsansatz ist vielleicht auch, dass wir mit offensivem Achter spielen und dass ich dadurch ein bisschen defensiver bin. Aber ich mache mir da keine großen Sorgen: Solange ich Tore vorbereite, ist alles gut.

db24: Einer, der Ihr Spiel beflügelt hat, war in der Vergangenheit auch Marcel Bär: Der Drittliga-Torschützenkönig fällt seit Wochen verletzt aus und wird wohl auch nicht mehr in dieser Hinrunde zum Einsatz kommen. Wie sehr schmerzt der Ausfall von Bär und hätte 1860 aus Ihrer Sicht Ersatz holen müssen?

Natürlich vermissen wir alle Marcel Bär, aber wir sind ohne ihn auch schwerer auszurechnen, weil viele Spieler Tore machen können. Ich finde auch, dass unsere beiden jungen Stürmer Fynn Lakenmacher und Meris Skenderovic ihre Sache bislang sehr gut machen. Und ich weiß natürlich auch, die Erwartung von außen war da, dass man nach dem Ausfall von Marcel Bär noch einen Stürmer dazu holt. Aber ich kann den Verein auch verstehen, warum er nicht reagiert hat. Wir haben immer von der guten Breite und dem guten Klima innerhalb der Mannschaft gesprochen – das ist ein Faustpfand für uns. Man darf eines nicht vergessen: Hätte 1860 einen neuen Stürmer verpflichtet, was denken sich dann Lakenmacher, Skenderovic – und auch Bär? Ich bin echt froh, dass der Verein genau so reagiert hat und dem Kader vertraut, das über mehrere Schultern aufzufangen. Wenn Bär wieder fit ist, haben wir drei unterschiedliche Stürmertypen – und das wird uns deutlich stärker machen.

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