VON MARCO BLANCO UCLES, OLIVER GRISS, ULI WAGNER UND IMAGO

Jo Boyamba (26) steht mit den Löwen auf Platz 1 in der Dritten Liga - der Offensiv-Allrounder hat zum Höhenflug auch schon einiges beigetragen. Im exklusiven db24-Interview spricht der Sommer-Neuzugang über seine entscheidenden Highlights gegen Halle, die Breite der Sechzger, die neue Selbstverständlichkeit an der Grünwalder Straße, seine persönliche Wiesn-Premiere, die besondere Rolle von Trainer Michael Köllner - und wann er bei 1860 Gänsehaut bekommt. Das Interview auf zwei Seiten:

db24: Ein Tor, eine Vorlage zuletzt beim 3:1 gegen Halle: Herr Boyamba, sind Sie nun bei 1860 angekommen?

JO BOYAMBA: Angekommen ist ein gutes Schlagwort. Jeder Offensivspieler braucht immer ein Spiel, nach dem er für sich sagen kann: Jetzt bin ich da. Ich denke, dass ist mir gegen Halle gelungen.

db24: Nochmal im Rückblick: Beschreiben Sie kurz Ihre Situationen, die den Sieg manifestierten: Der Riesenpass zum 2:0 - und der selbst herausgeholte Elfmetertreffer…

Ich weiß, dass Deichi (Yannick Deichmann; d. Red.) gerne die Tiefe sucht und habe spekuliert, dass er in diesen Raum reinläuft. Dass der Ball genau so kommt, dass er nur noch den Torwart umkurven muss, war natürlich sehr gut. Ein super Laufweg von ihm. Beim Elfmeter wollte ich mit aller Macht in den Sechzehner. Er trifft zwar auch den Ball, kommt mir aber mit aller Wucht reingefahren. Für mich war´s auch klar, dass ich mir den selber nehme. Albion Vrenezi hat sich zwar auch gut gefühlt, hat es mir aber gegönnt. Wir haben noch keine feste Rangordnung, was die Elfmeter angeht.

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db24: Mal ehrlich: Wo fühlen Sie sich am wohlsten? Außenbahn oder Zentrum - und bitte sagen Sie uns jetzt nicht: “Ich spiele da, wo mich der Trainer hinstellt…”

Ich bin offensiv flexibel, spiele vorne alles gerne. Über außen kommt mein Tempo mehr zum Tragen, im Zentrum kann ich besser meine Steckbälle spielen. In Mannheim habe ich auch teilweise auf der rechten Außenbahn gespielt. Was der Trainer daraus macht, werden wir sehen.

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db24: Um einen Startplatz-Einsatz für Sie in Köln (Samstag, 14 Uhr) kommt Michael Köllner wohl nicht mehr herum…

Jeder bei uns im Kader möchte von Anfang an spielen, das ist klar. Ich habe bislang noch nicht so oft von Anfang an gespielt, was für mich neu ist. Aber der Trainer wird seine Gründe haben. Und man muss der Mannschaft ein Kompliment machen, wir haben bisher jedes Spiel gewonnen. Wir haben immer super Jungs, die von der Bank kommen. Ich kenne kein anderes Team in der Liga, das so viel Qualität einwechseln kann. Wir sind auf jeder Position unglaublich gut besetzt. Das hat man auch in der Innenverteidigung gesehen, als uns mit Semi Belkahia ein gestandener Mann weggebrochen ist. Seitdem machen es aber Leandro Morgalla und Jesper Verlaat überragend.

db24: Für den Kopf wäre eine Belohnung mit einem Startelfeinsatz auch wichtig: 23 Kilometer von Köln - in Troisdorf - sind Sie schließlich aufgewachsen.

Meine ganze Familie und mein enger Freundeskreis werden im Stadion sein. Auch Familie Schneider wird kommen. Das Haus der Familie in Troisdorf ist weiß-blau angestrichen, sie sind große Löwenfans. Das ist eine geile Geschichte. Sie waren auch in Paderborn beim Spiel gegen Verl im Stadion. Dort haben wir darüber geredet, wie verrückt es ist, dass ich jetzt tatsächlich hier gelandet bin. Eine kleine Fußball-Romanze (lacht).

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db24: Was macht 1860 aus Ihrer Sicht im Moment so stark?

Die vielen Einheiten in der Vorbereitung haben sich bezahlt gemacht. Der Trainer ist sehr spezifisch in seiner Trainingsarbeit - das zahlt sich aus. Unser Antrieb ist, dass wir wissen, wo wir hinwollen. In jeder Trainingseinheit wird einem alles abverlangt. Das ist die Kunst: Gallig zu sein, erfolgsgeil zu sein. Der nächste Schritt wird dann sein, wie wir mit Rückschlägen umgehen. Dann sieht man meiner Meinung nach erst, wie stark eine Mannschaft ist. Was man aber sagen kann: Wir haben ein starkes Mannschaftsgefüge, machen auch außerhalb des Platzes viel zusammen.

db24: Von außen hat man den Eindruck, dass die Mannschaft immer noch viel Luft nach oben hat. Teilen Sie diese Meinung?

Keiner von uns ist bisher an seiner Leistungsgrenze. Eigentlich kann man es sich wie bei einem Zahlenstrahl vorstellen. Da fängt man ja auch nicht an und ist dann direkt am Ende angelangt. Ich persönlich bin noch nicht bei 100 Prozent. Man muss ja auch erst einmal in seine Abläufe reinkommen. Wenn man dann mal drin ist, hat man auch mehr Ballaktionen, Tiefenläufe und Abschlüsse. Das kommt alles mit der Zeit.

db24: Schildern Sie uns die Rolle von Michael Köllner: Was ist er: Ein Schleifer? Oder eher ein Kumpeltyp?

Der Trainer hat eine gute Mischung. Er ist sehr kommunikativ, was ich sehr gut finde. Michael Köllner gibt jedem Spieler das Gefühl, gebraucht zu werden - er nimmt alle mit. Klar wird er auch mal im Training lauter. Aber er will nur das Beste für uns. Ich finde es gut, wenn viel gecoacht wird. Außerdem ist er immer für einen Scherz gut. Es macht Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten. Immer wieder gibt er uns motivierende Sprüche mit auf den Weg oder zeigt uns anhand von anderen Vereinen, wie beispielsweise Manchester City, welche Dinge wichtig sind, um dem Druck standzuhalten und permanent an der Spitze zu sein.

db24: Stichwort Manchester City. Pep Guardiola und Co. spielten am Wochenende 3:3 gegen Newcastle United…

Ja, das Spiel haben die meisten von uns gesehen. Newcastle hat beinahe mit derselben Startelf wie gegen uns gespielt (3:0 gewann Newcastle vor wenigen Woche ein Testspiel gegen 1860, das sich stark verkaufte; d. Red.). Klar war es für Newcastle gegen uns “nur” Vorbereitung. Dennoch sieht man, was man erreichen kann, wenn man an die Leistungsgrenze geht.

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db24: Sie haben Ihre ersten Spiele im Grünwalder Stadion gemacht: Hätten Sie mit so einer Stimmung gerechnet?

Das Grünwalder Stadion ist immer rappelvoll, es herrscht eine unfassbare Stimmung. Das macht als Spieler richtig Spaß, wenn du am Trainingsgelände losfährst und die Menschenmassen schon dort stehen und dich anpeitschen. Wenn ich zum Aufwärmen rauskomme und die Fans höre, bekomme ich Gänsehaut. Es ist richtig geil und ich bin sehr froh, jetzt Teil der Löwen-Familie sein zu dürfen.

db24: Was machen fünf Siege am Stück mit der Atmosphäre in der Kabine?

Es macht einen natürlich schon stolz, wenn man mitbekommt, wie dieser Start nach außen gewirkt hat. Relativ schnell nach den Spielen richten wir den Fokus aber wieder auf die nächste Partie. Von Halle spricht niemand mehr. Fußball ist ein brutales Tagesgeschäft. Am Samstag wartet auf uns eine Mannschaft, die sich besser gefunden hat als letztes Jahr. Ich habe ein, zwei Spiele gesehen, unter anderem den 2:1-Sieg gegen Dresden. Köln spielt keinen schlechten Fußball, die haben einige gute Jungs dazubekommen. Wir wollen einfach gewinnen, es gibt kein geileres Gefühl. Ich möchte den Namen nicht nennen, aber es gibt noch eine andere Mannschaft in München, die auch ständig hungrig auf Siege ist und deshalb dort steht, wo sie steht. Und wir wollen auch gallig und gierig bleiben. Sollte die Serie einmal reißen, wollen wir direkt eine neue wieder aufbauen.