VON OLIVER GRISS

Klar, Löwen wollen am liebsten immer gestreichelt werden. Logisch, mit Lob lebt es sich leichter als mit Tadel.

Doch weil der TSV 1860 auch ein Verein der Vielfalt ist, sollte man auch andere Meinungen zulassen, Meinungen, die nicht im aktuellen Giesinger Mainstream “Sechzig - alles wunderbar!” Anklang finden. Und aus unserer Sicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, den Löwen Honig ums Maul zu schmieren. Profifußball ist nicht nur Leistungs-, sodern auch Ergebnissport.

Und die Ergebnisse fehlen bei Münchens großer Liebe. Seit Wochen. Der TSV 1860 hängt im Tabellenkeller fest - Platz 13. Dritte Liga! Nur ein Pünktchen Vorsprung auf die Abstiegszone. Die Löwen müssen achtsam sein - aufpassen, dass die selbst erklärten Ziele (Rückkehr in die Zweite Liga) nicht außer Reichweite geraten. Natürlich, nach dem 11. Spieltag ist noch kein Klub auf- oder abgestiegen. Man sollte aber den durchaus besorgniserregenden Trend nicht übersehen und sich auch selbst hinterfragen, ob die eigene Leistung gut genug für Sechzig ist. Und über die seit Jahren fehlende Perspektive wollen wir in diesem Kommentar gar nicht schreiben.

Deswegen waren die Worte von Stadionsprecher Sebastian Schäch vielleicht aus seiner Sicht gut gemeint, aber definitiv deplatziert. Er brüllte vor dem dürftigen 1:1 gegen Viktoria Berlin ins Mikro: “Wenn man die letzten Tage und Wochen hier im Löwen-Umfeld und in den Medien verfolgt hat, könnte man meinen, wir haben uns gerade aufgelöst. Es wurde diskutiert, wild spekuliert und viel kritisiert.” Alles Kindergarten. Die Löwen werden seit Jahren mit Samthandschuhen angefasst, was auch daran liegt, dass der Klub im vierten Drittliga-Jahr für die Münchner Presselandschaft nicht mehr die Zugkraft früherer Tage hat. Die “BILD” hat sich nahezu aus der Berichterstattung ausgeklinkt. Für den TSV bleibt im Schatten des FCB nicht mehr viel Platz in den Zeitungsspalten. Es ist eben doch nicht alles wunderbar bei den Löwen, auch wenn das von einigen Fans krampfhaft versucht wird, in diese Richtung zu trimmen.

Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel hat es zuletzt selbst gesagt: “Wir müssen raus aus der Komfortzone!” Das gilt für alle. Bei 1860 arbeiten zu dürfen, muss wieder etwas Besonderes sein. Kontinuität und Konstanz sind freilich wichtig (deswegen ist es auch richtig, Michael Köllner weiter das Vertrauen auszusprechen). Das alles darf jedoch nicht zum Alibi werden, denn die Löwen sind weiterhin weit davon entfernt, das Optimum aus ihren jeweiligen Bereichen herauszuholen. Dafür muss man an die Schmerzgrenze gehen - oder in manchen Fällen sogar darüber hinaus.