VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Es gibt nicht viele, die behaupten können beim TSV 1860 schon mehrere Chancen bekommen zu haben. Bei Günther Gorenzel (49) ist dies anders: Bevor er Sportlicher Leiter und dann Geschäftsführer wurde, war der Österreicher schon zweimal an der Grünwalder Straße 114: Erst als Co-Trainer, später arbeitete er im NLZ. Jetzt will er länger bleiben und an der Seite von Michael Köllner zum großen Baumeister der Löwen aufsteigen.

Gegenüber der “SZ” antwortete Gorenzel auf die Frage, ob er das unstrukturierte 1860 in strukturierte Abläufe bilde, so: “Ich feile stetig an Strukturen, denn sämtliche Kollegen aus verschiedenen Abteilungen stehen täglich bei mir im Büro. Sei es aus dem wirtschaftlichen Bereich, aus dem Marketing, sportliche, politische, mediale Dinge. Und die muss ich ausrichten und zueinanderbringen, das ist hochinteressant.” Gorenzel, der Löwen-Baumeister?

Er glaubt, dass ihm die Aufgabe in die Wiege gelegt wurde. “Ich habe da sicherlich einiges von meinem Vater geerbt, der war Lehrer für Mathematik und Physik war. Da habe ich vielleicht das Gen des Analytischen her, um eine Struktur in komplexe Fragestellungen hineinzubringen. Und Fußball ist ein brutal komplexes Gebilde?”

Wirklich?

Löwen-Doktor Gorenzel (er hat die Fußballlehrer-Prüfung mit der Traumnote 1,0 bestanden): “Nehmen wir mal die Komplexität eines einzelnen Spielers: Das mal elf, oder mal 25 bis 30 im Kader, und das ist einem Fußballspiel über 90 Minuten - wobei ich einen Gegner habe! Dazu die Dinge, die einwirken auf ein Trainerteam, auf die verschiedenen Abteilungen.”

Dass der TSV 1860 derzeit so homogen wirkt, beschreibt Gorenzel so: “Ich glaube, es ist uns hier gelungen, über einen sportlichen Impuls das ganze Umfeld mitzunehmen. Ein zweiter Aspekt, der hineinspielt, ist sicherlich auch die Pandemiezeit unter Corona. Dadurch hat man noch mehr den Impuls: Es geht nur gemeinsam! Man hat eine irrsinnig komplexe, wirtschaftliche Herausforderung, die vielleicht ein noch engeres Zusammenrücken bewirkt. Wir haben eine sehr, sehr enge Kommunikation von der Geschäftsführung zu den Gesellschaftern und zwischen den Gesellschaftern.”

Ob Gorenzel in seinen drei Jahren bei 1860 schon mit Hasan Ismaik gesprochen hat? “Da gibt es einen stetigen Austausch. Ich kann Ihnen sagen, dass ich mit beiden Gesellschafterseiten wöchentlich im Austausch bin, mit verschiedenen Ansprechpartnern. Das ist nicht nur von der e.V.-Seite immer nur der Präsident, und das ist von der Investorenseite nicht immer direkt die Familie Ismaik. Es gibt ja auch verschiedene Vertreter, die hier vor Ort sind.” Anthony Power, aber auch Saki Stimoniaris.

Unser Plan B ist das Modell Liverpool

Überraschendes verrät Gorenzel auch dazu, warum man keinen Ersatz für Sascha Mölders hole. “Was war denn in den letzten zwei Jahren? Es war Adriano Grimaldi hier, im ersten Drittliga-Jahr, und es war voriges Jahr Prince Owusuhier. Es hat nie so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Es hat von der Variabilität und der Gruppendynamik her nie überzeugt. Und jetzt haben wir gesagt: Wir holen ganz bewusst keinen zweiten Einserstürmer mehr, der den Anspruch hat, hier Stammspieler zu sein. Wenn wir einen holen, der dann fünfmal 20 Minuten spielt, ist das kein effektiver Einsatz unserer Geldmittel.” Und wenn Mölders (36) mal müde ist? Gorenzel in einem einseitigen “SZ”-Interview: “Wir haben einen anderen Plan B. Unser Plan B ist das Modell Liverpool, ohne klassischen Mittelstürmer. Die haben über die Seite zwei Pfeile - mit Mane und Salah, und in der Mitte Firmino. Der kommt ja auch aus dem offensiven Mittelfeld.”

Der Löwen-Alltag heißt heute aber nicht Anfield Road, sondern Völklingen. Es geht um Drittliga-Punkte gegen den 1. FC Saarbrücken.