VON OLIVER GRISS

Günther Gorenzel ist von seinem Kurs überzeugt, deswegen lässt er auch keine Kritik an seiner Transferpolitik aufkommen. “Warum soll ich unserer Mannschaft nach 22 Spieltagen das Vertrauen entziehen?”, erklärte der Österreicher zuletzt in der Zoom-PK am vergangenen Freitag.

Prinzipiell hat Gorenzel Recht, wenn er diese Töne anschlägt, denn die Löwen spielen bislang tatsächlich eine Saison, die für ihren kleinen Kader äußergewöhnlich gut ist. Was allerdings auch daran liegt, dass der TSV 1860 bis auf den Kreuzbandriss von Mittelfeld-Stratege Quirin Moll von großen Verletzungssorgen, längeren Sperren der Schlüsselspieler und andauernden Schwächeperioden einzelner Spieler verschont geblieben ist. Die bewundernswerte Stärke ist unter Häuptling Sascha Mölders der Teamspirit. Hier ist der TSV 1860 vielen Mannschaften in der Dritten Liga eine Nase voraus.

Doch reicht dieses Zusammengehörigkeitsgefühl allein aus, um Berge zu versetzen und den TSV 1860 in die Zweite Liga zurückzuführen? Es wird Gorenzels Geheimnis bleiben, warum er keinen Ersatz für den bald 36-jährigen Mölders verpflichtet hat (es gibt keinen weiteren gelernten spielfähigen Mittelstürmer im Kader) - und nein, es geht nicht darum, “all in” zu gehen, sondern den Kader so zu verstärken, dass er für 38 (!) Spieltage gewappnet ist - erst recht, wenn man aussichtsreich im Aufstiegsrennen liegt.

Auch der sportlichen Kommandobrücke des TSV 1860 dürfte am vergangenen Drittliga-Wochenende nicht entgangen sein, dass bei allen Mitkonkurrenten die breite Bank bzw. auch der ein oder andere Winter-Transfer ausschlaggebend waren, dass sich das Spiel letztlich zu Gunsten von Dresden, Ingolstadt, Wiesbaden und Rostock gedreht hat.

Schauplatz Rostock: Die Hansa-Kogge liegt 1:2 gegen Verl hinten, dann kommen von der Bank Nik Omladic (sechsfacher Nationalspieler von Slowenien) und Neuzugang Philip Türpitz in die Partie. Das Spiel dreht sich in einen 3:2-Heimsieg - durch die Tore der beiden Einwechselspieler.

Schauplatz Magdeburg: Dresden-Neuzugang Heinz Mörschel (kam ablösefrei vom KFC Uerdingen) steht erstmals in der Startelf - und erzielt beim 1:0-Sieg im Ost-Derby in Magdeburg den entscheidenden späten Treffer für den Spitzenreiter. Mit Mörschel haben die Sachsen noch eine weitere gute Offensivoption neben Philipp Hosiner, Christoph Daferner und Pascal Sohm mehr im Kader.

Schauplatz Ingolstadt: Zwei Tore in der Nachspielzeit drehen den Krimi gegen Viktoria Köln - den entscheidenden Treffer zum 2:1-Siegtreffer erzielt der eingewechselte Caniggia Elva in der 94. Minute.

Schauplatz Wiesbaden: Das Spiel gegen Türkgücü München ist auf Messers Schneide - bis SVW-Trainer Rehm beim Stand von 1:1 zwei Gedankenblitze hat und in der 86. Minute den schwedischen Nationalspieler Gustaf Nilsson und Moritz Kuhn (60 Zweitligaspiele) einwechselt. Beide Joker treffen.

Der Beweis, dass Breite doch Tore schießt.

Die Löwen müssen am Wochenende nach zuletzt zwei sieglosen Heimspielen gegen den Tabellendritten Rostock liefern und zeigen, dass sie nicht jeden Trend mitgehen brauchen, um Erfolg zu haben. Wir alle hoffen, dass die Gorenzel-Strategie aufgeht und 1860 in die Zweite Liga zurückkehrt, denn jedes weitere Jahr in der Dritten Liga ist ein verschenktes Jahr.