VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Heute vor genau drei Jahren gab Präsident Robert Reisinger gegenüber dem “Bayerischen Fernsehen” folgendes Statement zu Protokoll: “Ich stehe für einen starken, selbstbewussten eV., der die Partnerschaft mit Hasan Ismaik suchen wird. Es kann nicht sein, dass einer bestimmt und anschafft. Ich stehe zu 50+1, gerne auch mit Ismaik, aber nicht auf Konfrontation, sondern miteinander, damit wir das Schiff wieder in ruhige Gewässer bringen.”

Von ruhigem Gewässer ist keine Spur, denn nach der zu 95 Prozent verpatzten Rückkehr in die Zweite Liga, hat der TSV 1860 ein massives Problem: Weil in der nächsten Saison, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, der Verein keine Dauerkarten verkaufen kann und ein Fan-Comeback bis dato nicht absehbar ist, steht der Traditionsklub aus München-Giesing vor einer Liquiditätslücke. Die rund 3,5 Millionen Euro, die durch die Transfererlöse für die Ex-Spieler Julian Weigl, Marin Pongracic und Felix Uduokhai eingegangen sind bzw. noch eingehen werden, haben zum einen den alten Etat gedeckt bzw. dienen als Sicherheit für das Darlehen von Hauptsponsor “Die Bayerische”. Auch die Sponsorenleistungen werden angesichts der Prognosen vermutlich stark zurückgehen.

Die Kritik wird immer deutlicher: Sind Sie vom Kurs von Robert Reisinger noch überzeugt?

Umfrage endete am 02.07.2020 09:00 Uhr
Ich war von Reisinger noch nie überzeugt!
53% (4816)
Nein, Reisingers Kurs ist gescheitert!
30% (2726)
Ja, absolut! Grünwalder! Abgrenzung von Ismaik! Endlich sind wir unter uns!
14% (1252)
Ich schwanke noch.
4% (351)

Teilnehmer: 9145

Wie die “SZ” berichtete, muss für eine positive Fortführungsprognose der KGaA eine Finanzierungslücke von bis zu vier Millionen Euro geschlossen werden. Und genau das ist der Grund, warum Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel machtlos mit ansehen muss, dass er bei Vertragsgesprächen handlungsunfähig ist und sich die fehlende Perspektive auch auf die Spielerleistungen auswirkt. Nach zuvor 16 Spielen ohne Niederlage verlor der TSV 1860 drei der letzten vier Spiele. Lange konnten Gorenzel und Trainer Michael Köllner die angespannte und ungeklärte Finanzsituation von den Löwen fernhalten. Doch je näher das Saisonende rückt, desto größer das Kopfkino - nach dem Motto: Hab ich in der neuen Saison überhaupt noch einen Job? Das alles lähmt die Löwen im Saison-Endspurt. Leistungsträger wie Sascha Mölders, Aaron Berzel oder Tim Rieder hängen in der Luft. Nach db24-Informationen beschäftigen sich auch Spieler, die über den Sommer hinaus noch Vertrag haben, mit einem Vereinswechsel.

Wieder einmal hat der TSV 1860 die Zukunftsplanung verschlafen - und das weit vor der Corona-Krise. Trotz Warnungen der Experten.

Interessant: Auch in der Vorsaison hatten die Löwen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Nach dem 30. Spieltag mit dem 1:0-Sieg über Meppen stand die Mannschaft von Trainer Daniel Bierofka auf Platz 5 - in den restlichen acht Spielen konnte 1860 nur noch einen Sieg feiern. Es war der 3:2-Triumph am vorletzten Spieltag über Fortuna Köln, der den Klassenerhalt sicherte. Diesmal verspielt man in genau dieser Phase den möglichen Aufstieg. Bezeichnend auch, dass weder beim 3:1-Auswärtssieg gegen Uerdingen noch bei der 0:2-Pleite in Köln Vertreter der beiden Gesellschafter auf der Tribüne saßen. Die Löwen in einem Teufelskreis?

Gespannt darf man sein, wie lange Gorenzel und Köllner noch gute Miene zum bösen Spiel machen, denn ohne jegliche Perspektive dürfte ihnen das Arbeiten an der Grünwalder Straße 114 wenig Spass machen. Nachdem eine geplante Kapitalerhöhung verschlafen wurde (Saki Stimoniaris wartet noch heute auf den Anruf von Robert Reisinger), kann eigentlich nur von Hasan Ismaik frisches Geld kommen. Ist 1860 also doch vom Jordanier abhängig, was Vize Hans Sitzberger immer wieder abgestritten hat?

Präsident Robert Reisinger, der auf Signale und einen “wirksamen Beitrag” aus Abu Dhabi hofft, sagte jetzt zur “tz”: “Wir warten auf die Vorschläge bezüglich der Finanzierung der kommenden Saison.” Die “AZ” schreibt dazu: “Also von jenem Investor, den Reisinger zuletzt mehrfach brüskierte, Ismaik-kritische Fanblogs mit Fotos aus dem Stadion zu beliefern.” Diese Methoden sind auf der Investorenseite längst bekannt. Anthony Power soll darauf ein besonderes Auge haben.

Kommt’s trotzdem zu einer Einigung zum Wohle von Sechzig? Zuletzt hatte Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik via Facebook verlauten lassen, dass man in den Gesprächen ein “gutes Ergebnis” erzielen werde. Alles nur Show? Reisinger und Ismaik haben seit drei Jahren nicht miteinander gesprochen. Wird die angespannte Situation nicht richtig eingeschätzt? Denkt man auf Vereinsseite möglicherweise über eine Insolvenz ohne Punktabzug nach? Der Löwen-Fan, dem der Profifußball am Herzen liegt, hat’s wahrlich nicht leicht.