VON OLIVER GRISS

Es war vor ein paar Wochen vor meiner Abfahrt zum Auswärtsspiel nach Magdeburg, als mein Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung: “Hallo, Oliver: Hier ist Radi! Wollen wir essen gehen?” Wenn die große Legende des TSV 1860 ruft, dann kann man dieses Angebot natürlich nicht ausschlagen. Wir waren im Münchner Schlachthofviertel essen. Ein echter Insider-Tipp. Radi kaufte nach unserem Lunch noch teure Hühnerpastete für seine Freunde in Belgrad.

Wir haben uns über die Stagnation des deutschen Fußballs unterhalten, aber auch kurz über den TSV 1860 gesprochen. Wenn es sich um die Löwen dreht, dann wird Radenkovic’ Blick schnell ernst: “Eigentlich können wir eine Schallplatte auflegen. Dieser Verein will sich nicht mehr ändern, hat keine Ziele. Damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich kann nicht verstehen, dass man einen Investor hat - aber gegen ihn arbeitet. Das ist kontraprodutiv und schadet nicht nur dem Verein, sondern ärgert vor allem die Fans, die in ihrer Treue und Leidensfähigkeit einzigartig in Deutschland sind.” Mittlerweile liest Radi nur noch die Tabelle der Dritten Liga, um sich über 1860 zu informieren. Traurig, wie sich die Ikone des Klubs von seinem Herzensklub immer mehr distanziert, nur weil es in all den Jahren die Vereinspräsidenten nicht geregelt bekamen, den Klub in die richtige Bahn zu lenken.

Radi & ich - das ist eine besondere Beziehung. Ich (Baujahr 1971) habe ihn leider nie live spielen gesehen. Zu AZ-Zeiten durfte ich über 12 Jahre seine Kolumne “Radis Welt” schreiben. Oft hat die Klub-Legende den Finger in die Wunde gelegt. Er wurde von Vereinsseite als Nestbeschmutzer ausgemacht, obwohl er nur eines wollte: Einen erfolgreichen TSV 1860.

Mehrmals hatte er seine Hilfe den Löwen angeboten: 1980 wurde er von Erich Riedl ausgetrickst, indem der CSU-Politiker seine Parteifreunde zu 1860-Mitgliedern machte und so das Torwart-Idol als Fußball-Abteilungsleiter verhinderte. Auch Karl-Heinz Wildmoser nutzte Aushängeschild Radenkovic nicht, um 1860 noch besser zu vermarkten. Dabei wäre Radi ein Türöffner für Sechzig gewesen. Radenkovic ist noch heute der Held vieler Münchner/innen. VW-Chef Herbert Diess ist wegen Radi Löwen-Fan geworden. Auch Theo Waigel, der frühere Finanzminister, schwärmt noch heute vom Meister-Löwen von 1966.

2005 war Radis letzter Anlauf, um seiner Fußball-Liebe zu helfen: Nachdem sich nach kurzer Zeit herausstellte, dass Wildmoser-Nachfolger Karl Auer es nicht im Kreuz habe, die Löwen zu führen, wollte Radenkovic Thomas Hirschberger als Präsident und Lothar Matthäus als Trainer in Position bringen. Hirschberger bekam Gegenwind, knickte ein - und Radi verlor danach immer mehr die Lust an den Löwen. Seine Mitgliedschaft hat er zurückgegeben.

Meine Freundschaft zu Radi ist bis heute geblieben. Zwar werden unsere Treffen aufgrund der Entfernung zwischen München und Belgrad seltener, doch nicht minder herzlich. Selten habe ich einen Fußballer und Menschen erlebt, der so eine faszinierende Ausstrahlung wie Radenkovic hat - und vor allem weiß, wovon er redet: Fußball ist seine Passion. Oft fliegt das Löwen-Idol nach England, um sich Premier League-Spiele live anzusehen. Die Löwen haben Radis Sonderstatus in Fußball-Deutschland leider nie für sich zu Nutzen gemacht. Jetzt ist es zu spät. Leider.

Alles Gute zum 85. Geburtstag, Radi!