VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Daniel Bierofka (40) kann ein Lied davon singen. Er ist beim TSV 1860 mehr als nur ein Trainer. Weil Vieles an der Grünwalder Straße nicht wie in einem normalen Fußballverein funktioniert, muss der Ex-Nationalspieler neben seiner Hauptfunktion als Löwen-Dompteur immer wieder in die Bresche springen: Als Geldauftreiber, Hoffnungsträger, Bindeglied zwischen den beiden Gesellschaftern und als Integrationsfigur mit Bodenständigkeit - und als Chef-Einkäufer. Dass der bundesliga-erfahrene Tim Rieder vom FC Augsburg am letzten Tag der Transferperiode zum TSV 1860 wechselte, ist allein Bierofka zu verdanken.

“Heutzutage müssen sich die Trainer mit vielen Nebensächlichkeiten beschäftigen und haben weniger Zeit für das reine Arbeiten mit der Mannschaft. Auch der öffentliche Auftritt ist viel wichtiger als vielleicht vor zehn Jahren. Ich habe mal provokativ gesagt, dass bei der Trainerausbildung auch ein Baustein Schauspielunterricht dabei sein sollte”, erklärte Löwen-Aufstiegsheld Jens Keller gegenüber transfermarkt.de.

Der Ex-Profi des TSV 1860 geht noch einen Schritt weiter: „Der eigentliche Reiz der Trainerarbeit, junge Spieler und eine Mannschaft, die für etwas steht, über einen langfristigen Zeitraum zu entwickeln, wird immer weniger. So hart es klingt, aber heutzutage geht es nur noch darum, irgendwie am Wochenende zu gewinnen, damit man für die nächste Woche safe ist. Wir sollten endlich wieder dahin kommen, dass der Verein sagt, wir gehen mit dem Trainer durch ein Tal und akzeptieren auch mal vier Niederlagen am Stück, weil wir vom Trainer und seiner Idee überzeugt sind.“

Ein Teil der Fanszene hatte Bierofka jüngst für die Spielweise der Mannschaft kritisiert, wohlwissend, dass der Kader des TSV 1860 aufgrund des Sparzwanges nicht die Qualität hergibt, die der Verein eigentlich verdient hat. Soziale Netzwerke sieht der derzeit vereinslose Keller deswegen als Gefahr für den Trainer-Job: “Wenn die Fans sachlich ihre Meinung und Kritik äußern würden, wäre auch die Trainerhaltbarkeit länger. Vielmehr ist es ein anonymes Hetzen gegen die Coaches, auf das die Medien anspringen und wovon sich am Ende die Entscheider in den Vereinen beeinflussen lassen.”