VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Der TSV 1860 am Scheideweg: Kein Geld. Kein Zusammenhalt. Keine Perspektive. In unserer Rubrik “Sechzig - wie lange noch?” wollen wir von den db24-Lesern wissen, wie sie mit dem Leid der Löwen umgehen. Seit unserem Aufruf am Donnerstagnachmittag haben uns unzählige Emails erreicht. Auch der 80-jährige Gerhard Braun (kein Mitglied) hat uns geschrieben.

Ich war bereits beim ersten Bundesligaspiel der Löwen 1963 gegen Braunschweig (1:1) im Sechzger. Seither mussten Löwenfans ein hohes Maß an Idealismus aufbringen, um bei der Fahne zu bleiben. Ausnahmen bildeten jeweils die Ära Max Merkel und das Gespann Wildmoser/Lorant. In beiden Fällen gelang es beherzten Personen, sich gegen die bestehende Vereinsmeierei durchzusetzen.

Nach dem Doppelabstieg 2017 keimte Hoffnung auf, nachdem der Aufstieg in die dritte Liga geschafft und man dank des mustergültigen Einsatzes der Herren Bierofka und Gorenzel einschließlich der Mannschaft in das obere Drittel der Tabelle vorgedrungen war. Allerdings war immer klar, dass ein weiterer Aufstieg wegen der dann fehlenden Sportstätte nicht möglich ist. Man stelle sich vor, es wäre ein Aufstiegsplatz erreicht worden und man müsste dann trotzdem in der alten Liga weiterspielen. Eine größere Demotivation für Trainer, Spieler und Zuschauer ist kaum denkbar. Was die Zuschauer betrifft, so gilt dies jedoch nicht für alle. Für einen Teil davon ist der Fußball nicht der Grund für ihr Kommen, sondern lediglich der Anlass. Sie sehen das Ereignis eher als einen alle zwei Wochen stattfindenden Vatertag. Interessierte haben jetzt offenbar eine Vereinigung mit dem sinngemäßen Motto „Immer Sechzigerstadion, egal in welcher Liga.“ Sie verkennen dabei, dass derlei Perspektivlosigkeit den normalen Zuschauer nicht mehr ins Stadion ziehen wird. Der dann folgende Niedergang ist leicht vorauszusehen. Aufschlussreich ist übrigens die Entwicklung der Gesellschaft; im Jahre 1960 war das Stadion für 51800 Zuschauer zugelassen. Anliegerproteste aus dieser Zeit sind nicht bekannt.

Den Anlass für die definitive Hoffnungslosigkeit hat aber nun das Vereinspräsidium zu einem Zeitpunkt gesetzt, als man wie bereits erwähnt in aussichtsreicher Position im oberen Tabellendrittel stand. Nachdem der Profiabteilung der finanzielle Boden entzogen worden ist, konnte man nur noch mit knapper Not dem Abstieg entgehen. Die weiteren Aussichten sind desaströs. Dass durch genannte Entscheidung ein Knick in den Leistungen der Mannschaft entstand, lag nicht an deren schlechtem Willen; es macht sich vielmehr im Kopf eine Endzeitstimmung breit, die nicht vom Spieler beeinflussbar ist. Bei etwa dem gleichen Niveau der Mannschaften der Liga genügen wenige Prozent an Motivationsmangel, um das Nachsehen zu haben. Wer dies nicht versteht, hat noch nie ernsthaft Sport getrieben.

Was macht das alles nun mit dem Fan? Es ist ja schon erstaunlich, dass nach der Vereinsgeschichte der letzten 15 Jahre bei entscheidenden Spielen noch über 60000 Zuschauer ins Stadion fanden. Das war aber nur möglich, weil man ein Ziel, einen Lichtblick vor sich hatte. So etwas ist derzeit nicht erkennbar. Die Folge ist, dass einem der Verein gleichgültig wird.