VON OLIVER GRISS

Eines der größten Probleme, das den TSV 1860 seit Jahren begleitet, ist die fehlende sportliche Kompetenz im Verein und in den dazugehörenden Gremien - sonst hätte man sich längst auf einen Kompromiss geeinigt, um die kommende Drittliga-Saison frühzeitig zu retten. Zwölf Tage vor dem Trainingsauftakt sind die Löwen noch immer handlungsunfähig, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass die beiden Gesellschafter weiterhin nur das Nötigste miteinander kommunizieren. Der Nadelstich-Kurs gegen Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik hat nicht das gewünschte Ergebnis gebracht (welch Wunder), der Geschäftsmann aus Abu Dhabi ignoniert seit zwei Jahren Giesinger Provokationen aller Art. Die Folge der weiß-blauen Muskelspiele: Derzeit kann der Löwe nicht einmal einen 450-Euro-Vertrag für U21-Abwehrspieler Marco Raimondo Metzger unterzeichnen.

Die Leidtragenden sind Mannschaft, Trainer Daniel Bierofka, Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel und selbstverständlich auch die treuen Fans, die (bislang) vergeblich auf eine verstärkte Mannschaft hoffen. Es geht hier nicht um die zusätzliche zugesagte Finanzspritze von Hauptsponsor “Die Bayerische” in Höhe von 1,1 Millionen Euro für die nächsten zwei Spielzeiten (nur ein kleiner Teil ist davon für die Drittliga-Mannschaft vorgesehen), sondern um einen klaren Zukunftsplan. Nachdem Robert Reisinger im Dezember den Zwei-Jahres-Plan stornierte und einen harten Konsoldierungskurs einläutete (“Das wird schmerzhaft”), fehlt dem TSV 1860 die Perspektive. Selbst die Münchner Presse fährt ihre Berichterstattung mittlerweile auf Sparflamme. Die “BILD”, die selbst zu wilden Bayernliga-Zeiten in den 80er Jahren täglich einen Aufmacher lieferte, ist derzeit 1860-freie Zone.

Während die Konkurrenz mit vermeintlich guten Transfers alles versucht, der Dritten Liga wieder zu entkommen, bewegt sich bei Sechzig nichts. Als langjähriger Beobachter lässt einen das Gefühl nicht los, dass man sich in dieser Pleiteliga einnisten will oder sogar in Kauf nimmt, wieder in den Amateurfußball abzusteigen. Dabei warnt Duisburgs Präsident Ingo Wald eindringlich: “Die Dritte Liga ist ein Tod auf Raten.” Doch alle Warnsignale werden an der Grünwalder Straße überhört. Reisinger selbst glaubt, dass die Fans Abstiegskampf akzeptieren werden: “Aus einem schmalen sportlichen Etat kann keine Überfliegermannschaft finanziert werden. Das erwartet aber auch kaum ein Fan.” Vielleicht sollte Reisinger nicht nur Veranstaltungen besuchen, auf denen ihm wohlgesonnnene Fans gegenüber stehen, sondern auch Treffen besuchen, wo ihm kritische Fans gegenüber sitzen. Das würde vielleicht auch Reisingers Sinne - fernab des Grünwalder Stadions - etwas schärfen.