VON OLIVER GRISS

Als langjähriger Löwen-Reporter ist man Tiefschläge gewohnt: Bayernliga-Tristesse, Zweitliga-Abstieg 1992, Champions League-Aus gegen Leeds, Lorant-Trennung, Stadion-Skandal oder Bundesliga-Abstieg 2004. Doch dieser 2. Juni 2017 hat alles vorher Dagewesene gesprengt: Als am sogenannten “schwarzen Freitag” die Nachricht durchsickerte, dass sich die beiden Gesellschafter nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen konnten und der TSV 1860 nach dem sportlichen Zweitliga-Abstieg drei Tage zuvor nun auch noch in die Regionalliga Bayern absteigen muss, ist für mich eine Welt zusammengebrochen: 1860 auf S-Bahn-Tour in München. Dorfplätze! Vierte Liga. Unvorstellbar!

Was für die einen der Neubeginn der Münchner Löwen sein sollte (weil sie dachten, Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik los zu haben!), war für mich einer der schlimmsten Momente in meinem Leben. Eine beispielslose Tragödie. Dabei geht’s “nur” um einen Fußballverein, um deinen Lieblingsklub. Es hat sich so angefühlt, als wenn dein bester Freund gestorben wäre.

Seitdem sind nun genau zwei Jahre vergangen. Wer gedacht hätte, dass das Sommermärchen 2018 neue Kräfte freisetzt und man endlich den Fokus ausschließlich auf den Sport richtet, sieht sich getäuscht und geblendet. Der Verein steht im Jahr 2019 eher für Party & Pyro anstatt für leistungsorientierten Profifußball mit einer Perspektive nach oben.

Man redet zwar gerne von der Zweiten Liga, tritt aber seit zwei Jahren auf der Stelle und findet keine Lösungen, es besser zu machen. Der Plan, sich von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik zu lösen, ist nicht aufgegangen. Die Abhängigkeit ist genauso groß wie vor dem schwarzen Freitag, auch wenn sich die Bosse das nicht eingestehen wollen. Dabei wäre der Verein gut beraten, auf Hasan Ismaik zuzugehen anstatt zu tolerieren, dass er von den eigenen Fans beleidigt und diskreditiert wird. Fakt ist: ohne Fremdmittel ist mittelfristig kein Profifußball in Giesing möglich - und was wenig verwunderlich ist: Nein, nicht die Allianz Arena war das Millionen-Grab für die Löwen, sondern die eigene Inkompetenz seit mehr als einem Jahrzehnt im Führungszirkel. Die Löwen schreiben weiterhin rote Zahlen - und das obwohl das Grünwalder Stadion mit 15.000 Plätzen immer ausverkauft ist. Eine stringente Verbesserung? Nicht wirklich in Sicht!

Aktuell ist der Verein auf dem Transfermarkt handlungsunfähig und muss auf das Herz von Hauptsponsor “Die Bayerische” hoffen. Ein Armutszeugnis für eine Fußballmarke wie 1860. Aber selbst die Anhebung der Sponsoringverträge wird der Drittliga-Mannschaft keine Spieler bringen, die den Verein zurück in die Zweite Liga führen können, zumal die besten Schnäppchen längst wieder vom Markt sind. Die Löwen bräuchten Millionen, um wieder an die Geldtöpfe im Fußball-Unterhaus zu kommen und vor allem die einstige Nachwuchsfabrik ins Rollen zu bekommen.

Jetzt stehen die Löwen mal wieder am Scheideweg. Ob sie es selbst schon bemerkt haben?