VON OLIVER GRISS

Nein, Robert Reisinger ist in seinen anderthalb Jahren als Präsident bislang nicht als der feinfühlige Rhetoriker beim TSV 1860 in Erscheinung getreten. Seinen größten Auftritt hatte der Oberlöwe im Sommer in den Stunden nach dem Drittliga-Aufstieg, als er auf dem Doppeldecker-Bus vor tausenden freudetrunkenen Löwen-Fans ins Mikro brüllte: “Scheiß FC Bayern.” Was vielen euphorisierten Fans gefiel, kam bei den Anhängern, deren fußballerischer Horizont weiter als bis zum Grünwalder Stadion reicht, alles andere als professionell an. Doch in dieser Woche übertraf sich Reisinger dann doch wieder einmal selbst. Erst die tollkühne Behauptung im “kicker”, der millionenschwere Investor Hasan Ismaik sei abhängig von 1860, weil die Vereinsseite so gnädig sei und die Lizenz für den Spielbetrieb zur Verfügung stelle. Schließlich seien Ismaiks Anteile ohne Lizenz wertlos. Was Reisinger aber bei seiner wohl exklusiven Einschätzung vergessen hat: Wertlos wird aber auch möglicherweise 1860, wenn Ismaik die Lust verliert und irgendwann den Stecker zieht.

Merke: Eine Insolvenz ist nicht kontrollierbar. Reisinger sollte einfach beim ehemaligen Geschäftsführer Markus Fauser nachfragen, was im Insolvenzfall einer der größten Fußballmarken Deutschlands möglicherweise droht. Will Reisinger als Löwen-Präsident in die Geschichte eingehen, der sich eine Tapferkeitsmedaille für das Grünwalder Stadion verdienen will, aber den Blick für die Realität verliert? Sechzig ist mehr als ein Stadtteilverein. Breitensport ist freilich wichtig, aber der Profifußball ist das bundesweite Aushängeschild des TSV 1860 mit weit über 500 Fanclubs.

Ach ja, fast hätten wir es vergessen - und auch Reisingers kuriose Presseerklärung zu seinem Rücktritt als Aufsichtsrat der KGaA lässt viele Fragen offen: Der Präsident hat verlauten lassen, dass künftig selbst Genussscheine nicht mehr aus Abu Dhabi angenommen werden. Eine weiterer Nadelstich. Warum fordert 1860 dann überhaupt bis zum 31. Dezember 2018 eine Darlehens-Umwandlung in Millionen-Höhe von Ismaik ein? Der Investor muss sich ziemlich verarscht vorkommen…

Ist Robert Reisinger noch der richtige Präsident für den TSV 1860?

Umfrage endete am 25.12.2018 17:00 Uhr
Nein! So wie Reisinger handelt kein Präsident.
73% (5828)
Selbstverständlich! Er macht einen guten Job!
27% (2191)

Teilnehmer: 8019

Was Reisingers Aussagen für die Zukunft des TSV 1860 bedeuten, lässt sich nur unschwer erahnen: Der Drittliga-Kader muss möglicherweise schon bald abgespeckt werden, vom schnellen Aufstieg in die Zweite Liga braucht man jedenfalls so schnell nicht mehr träumen. Im Gegenteil: Reisingers Presseerklärung ist mittlerweile auch Thema in der Kabine. Ein wirklich schlechtes Timing vor den beiden wichtigen Heimspielen gegen Jena und Lautern. Daniel Bierofka wird darüber alles andere als erfreut sein. Ein verdienter Meister-Löwe, der einer der beliebtesten Spieler aller Zeit ist, sagte heute zu mir: “In Reisingers Presseerklärung fehlte nur noch, dass er sich vom Profi-Fußball distanziert…” Er lachte dabei.

Wo will das “neue” Sechzig unter der Führung von Reisinger hin? Fast jeder Drittliga-Verein will sich weiter entwickeln, auch um neue Geldquellen zu erschließen: Der KSC bekommt einen neuen Wildpark, Münster baut für 45 Millionen sein altes Stadion um - und was unternimmt 1860? Reisinger hofft weiter auf etwas Entgegenkommen der Stadt München. Dass es zu keinem großen Umbau in Giesing kommen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche - doch der Präsident hält trotzdem an seinem Retro-Kurs fest.

Jetzt ist Reisinger am Zug, den Mitgliedern und Fans endlich reinen Wein einzuschenken!