Mit dem heutigen Fußball können Sie nicht mehr viel anfangen…

Ach, das ist alles eine Katastrophe. Heute haben die Spieler mehr Tattoos als Zähne, da würde ich einen Schock in der Kabine bekommen. Das sind die Vorbilder für die neue Generation? Dankeschön! Aber: Ich hätte gerne noch einen guten Amateurverein trainiert, aber die sind alle so engstirnig. Da heißt’s: “Der Fußball ist jetzt modern - und Lorant ist nicht mehr zeitgemäß.” Ich lach mich tot. Moderner Fußball ist, dass du gewinnst und Erfolg hast. So sehe ich das zumindest. Wenn ich immer höre Ballbesitzfußball: Was nützt mir der ganze Ballbesitz, wenn ich den Weg zum Tor nicht finde. Alles nicht schön. Das beste Beispiel ist doch die Nationalmannschaft: Kaum sind ein paar Junge dabei, ist wieder Tempo drin.

Würden Sie, der immerhin zu 325 Erstliga-Einsätzen für Eintracht Frankfurt, Rot-Weiß Essen, Borussia Dortmund, Schalke 04 kam, auch heute eine gute Rolle in der Bundesliga spielen?

Natürlich. Ich würde alle umrasieren und mich totlachen. Ich habe früher auf der Sechs gespielt, ich brauchte auch keinen zur Absicherung. Ich habe das alles alleine gemacht. Und wenn der Trainer gesagt hat: “Werner, brauchst du noch einen zweiten Sechser?” Dann habe ich gesagt: “Nein, Trainer, der steht nur im Weg rum. Stell lieber einen Offensiven auf!” Mein bester Trainer war Branko Zebec. Es haben sich alle vor ihm gefürchtet, ich habe das nie verstanden. Das waren halt die Angsthasen, die nicht zu hart trainieren wollten. Zebec hat viel verlangt im Training. Er hat mir viel mitgegeben…

Der TSV 1860 hat von Ihrer Handschrift profitiert. Wie kam’s zum Wechsel zu den Löwen?

Ich weiß es noch wie heute: Ich hatte bei Borussia Fulda schon einen Vertrag unterschrieben - und dann klingelte das Telefon. Am anderen Ende meldete sich der Präsident. Ich wusste gar nicht, was er wollte. Der Präsident sagte nur: “Herr Lorant, hier ist Wildmoser. Damit Sie Bescheid wissen: Sie sind nächstes Jahr unser neuer Trainer!” Ich: “Nein, das geht nicht!” Er: “Ich rufe Sie morgen nochmal an, dann sagen Sie mir, wann das erste Training bei 1860 ist…”

Und was ist dann passiert?

Am nächsten Morgen hat Wildmoser wieder angerufen - und ich war Löwen-Trainer. Wildmoser wollte mich unbedingt, er hat nie locker gelassen. Er hatte unser 3:3 mit Schweinfurt im Grünwalder Stadion wohl noch gut in Erinnerung (lacht). Ich hatte das erste halbe Jahr auch keinen Vertrag bei 1860. Der Präsident hatte immer viel zu tun, aber auf Wildmoser konnte man sich immer verlassen. Die Zeit bei Sechzig war wunderschön - es hat gepasst: Auf der einen Seite der Präsident, auf der anderen Seite ich. Perfekt. Damals gab es keinen, der reingequatscht hat. Ich war für den Sport zuständig, alles andere hat Wildmoser im Verein gemacht. 1860 wurde wieder in Deutschland ernst genommen, Wildmoser hatte über Jahre außerdem mit die beste Jugend im Land aufgebaut…

Nach zehn Jahren und dem 1:5 im Bundesliga-Derby gegen den FC Bayern mussten Sie im Jahr 2001 gehen…

Irgendwann war die Zeit reif, etwas Neues machen zu müssen. Das hat schon so gepasst. Ich war ein Jahr vor meiner Entlassung mit Eintracht Frankfurt schon einig, aber Präsident Wildmoser hatte mich nicht freigegeben. Von 1860 bin ich dann zu Fenerbahce Istanbul gewechselt, die Türkei-Zeit, das war ein echtes Abenteuer.

Bei Ihrem größten Sieg, dem 1:0-Triumph am 27. November 1999 über den FC Bayern, saßen Sie als Löwen-Trainer gesperrt auf der Tribüne…

Hören Sie mir auf! Gegen Bayern hat mich meine Mannschaft nicht gebraucht! Meine Spieler wollte unbedingt dieses Spiel gewinnen - und bitte nicht vergessen: Wir haben in dieser Saison auch das Rückspiel mit 2:1 gewonnen. Das ist Münchner Fußball-Geschichte und wird wohl nie wieder vorkommen. Ich habe mir dann auch einen Spass erlaubt und bin auf dem Weg ins Training nicht über die Grünwalder Straße zu unserem Trainingsgelände, sondern über die Säbener Straße gefahren. Da musste ich einfach ein paar Mal hupen.

Hätten Sie nach diesen Highlights gedacht, dass 1860 jemals wieder so tief sinken kann?

Niemals! Ich dachte immer, der Verein und die Fans sollten aus diesen neun Jahren rumrumpeln in der Bayernliga eigentlich gelernt haben - aber das Gegenteil war leider der Fall. Nach mir, so leid es mir tut, ist der Verein Jahr für Jahr schlechter geworden.

Als Karl-Heinz Wildmoser 2004 im Zuge des Stadionskandals abtreten musste, fiel Sechzig auseinander.

Das ist alles sehr tragisch. Dabei war es Wildmoser, der den Verein vorher ganz alleine hochgebracht hat. Ich habe es nie verstanden, dass ihn eine Gruppierung immer bekämpft hat. Er hat für 1860 gearbeitet wie ein Verrückter. Das einzige, wo ich ihm einen Vorwurf gemacht habe, war der Bau der Allianz Arena. Er hatte immer weniger Zeit für die Mannschaft. Ich habe ihm immer gesagt: “Lass die Bayern allein die Arena bauen, wir können die Bayern nicht überholen.” Er hat leider nicht auf mich gehört. Er wollte am liebsten dem Uli Hoeneß einen auswischen (lacht).