Kurz nach der Meisterschaft 1966 begann der Absturz des TSV 1860: Es gab die Spielerrevolte gegen Max Merkel - im Nachhinein ein Fehler?

Nein! Die Trennung von ihm war unumgänglich. Er hatte es so übertrieben, dass es gar keine andere Möglichkeit gab.

Erzählen Sie uns davon.

Die Rückrunde in der Meister-Saison war eine Katastrophe. Merkel hat sich nicht mehr umgezogen, sondern ist mit seinem Trenchcoat und Pudel um den Platz gegangen, bevor er nach 20 Minuten heimgefahren ist, während Radi und ich das Training geleitet haben. Mit Merkel war gut auszukommen, wenn du gewonnen hast. Aber wenn du verloren hast, dann hat er eine Woche nur nach Laune trainiert. Besonders schlimm wurde es nach dem 0:3 gegen Bayern. Ich sage es immer wieder: Wir sind trotz Merkel Deutscher Meister geworden.

In der Saison 1966/1967 wurden die Löwen Vize-Meister.

Wir sind mit Merkel sehr schlecht gestartet, stürzten auf Platz 13 ab. Die Stimmung war schlecht. Der Streit eskalierte: Der Radi ging Merkel auf dem Platz an die Gurgel, nachdem dieser ihn mit den Worten “Du jugoslawische Sau, halt Dein Maul!” beleidigt hatte. Das war wie ein angehender Boxkampf zwischen Trainer und Spieler. Danach habe ich die Mannschaft zusammengetrommelt und wir haben über Merkel abgestimmt - das Ergebnis war eindeutig: 19:1 gegen Merkel. Im weiteren Verlauf der Sitzung kam heraus, dass Merkel die Spieler gegenseitig ausspielte. Wir haben noch einmal abgestimmt - das Ergebnis war nicht viel besser: 3:17 gegen Merkel. Und dann haben wir den Präsidenten Adalbert Wetzel angerufen und er hat die Trennung von Merkel dann durchgezogen, auch wenn er ihm hörig war.

Die Bayern? Das war eine Sauerei!

Damit die Löwen nicht den Titel verteidigen können, haben die Bayern absichtlich beim späteren Meister Eintracht Braunschweig verloren…

Das war eine Sauerei! Die Bayern haben absichtlich verloren, damit wir nicht Meister werden. Sie haben in Braunschweig 1:0 zur Pause geführt und dann noch mit 1:5 verloren. Wir haben das Jahre später auch nur erfahren, weil Franz Beckenbauer sich verplaudert hat. Robert Schwan, der damalige Manager des FC Bayern, hat alles getan, um Sechzig zu schwächen. Aber Sechzig war selbst schuld, weil der Verein keine gescheite Führung hatte. Ich habe mit 29 Jahren keinen neuen Vertrag mehr bekommen.

Die Inkompetenz auf der Kommandobrücke des TSV 1860 zieht sich offenbar wie ein blauer Faden durch die Löwen-Geschichte.

Wir hatten nach Wetzel viele Politiker im Verein. Die hatten alle Komplexe und konnten den Nationalspielern nicht Paroli bieten. Wir hatten zu der Zeit einen Manager: Das einzige, was der gut gemacht hat, war das Verteilen der Fahrkarten für den Zug. Der hatte nichts gekonnt - und dann hast du mit Albert Sing einen depperten Trainer gehabt, der bei 1860 verloren war. Die Folge war der Abstieg in die Zweitklassigkeit.

Aber die Zeit mit Karl-Heinz Wildmoser war nicht von schlechten Eltern: Der Durchmarsch von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation gelang unter ihm.

Ich stimme Ihnen zu. Von den zehn Jahren hat Wildmoser die ersten sieben Jahre super gemacht, aber dann ist er größenwahnsinnig geworden. Trotzdem: Wildmoser war in 60 Jahren der einzig gute Präsident. Bei einem Verein ist es wie in einer Firma: Die Führung muss gut sein, dann wird alles andere auch gut.

Ismaik? Andere Klubs würden sich die Finger abschlecken

Warum zieht 1860 immer wieder unfähige Funktionäre an?

Schauen Sie: Zu Leuten, die kein entsprechendes Image ausstrahlen, kommen auch nur ihresgleichen dazu. Nach der Meisterschaft war immer Tohuwabohu. Ein fähiger Mann, beispielsweise aus der Wirtschaft, würde sich das Chaos bei 1860 gar nicht antun und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Dabei gibt es soviele Sechziger, die zu meiner aktiven Zeit als kleiner Bub im Stadion waren und sich verliebt haben. Ob das Klaus Lutz von der BayWa ist oder die Familie Porsche. Die kommen auch gerne, aber nicht zu einem Verein, der seinen größten Geldgeber, bei dem sich andere Klubs die Finger abschlecken würden, so vergrämt und mit ihm im Clinch liegt. Das wird nicht zum Erfolg führen.

Was muss ein Präsident bei 1860 mitbringen?

Der Präsident muss das Aushängeschild sein, der Repräsentant. Vom Fußball musst du nicht viel verstehen, aber 1860 braucht eine Person, die bei BMW anruft und sagt: “Ich brauche jetzt den Vorstandsvorsitzenden ans Telefon.” Und der bekommt dann auch das Gespräch. Aber wenn Robert Reisinger bei der Vorzimmerdame anruft, wird er vertröstet. Reisinger hat dem FC Bayern zweimal einen Brief geschrieben, er hat aber nie eine Antwort bekommen.

Woher wissen Sie das?

Ich habe meine Quellen.

Zurück zu Hasan Ismaik: Wer trägt aus Ihrer Sicht die Hauptschuld an dieser verkorksten Beziehung zwischen 1860 und dem Investor?

Die Ausgangsfehler sind von 1860 gemacht worden. Wenn zwei Partner zusammen etwas auf die Beine stellen wollen, sollte jeder Partner einen konstruktiven Beitrag leisten - und Ismaik konnte keinen besseren Beitrag leisten, als gleich mal 18 Millionen Euro auf den Tisch zu legen, damit die Insolvenz abgewendet wird. Das ist aus meiner Sicht ein konstruktiver Beitrag. Dann erwarte ich aber vom anderen Partner einen Beitrag: Geld haben sie keines, dann muss ich zumindest Know-how einlegen. Und das ist nicht gekommen - im Gegenteil: Es waren keine Leute da, die mit dem Budget umgehen konnten. Die Mannschaft ist von Jahr zu Jahr schwächer geworden, das Budget wurde um sechs oder acht Millionen Euro überzogen. Ismaik hat immer bezahlt, ohne sich einzumischen. Verständlicherweise hat er dann gesagt: “Wo bin ich da hingekommen?” Er hat dann versucht, über Noor Basha Einfluss zu nehmen. Das war aus seiner Sicht richtig, aber verkehrt. Der Verein hat es nie geschafft, die sportliche Führung so aufzustellen, dass man nachhaltig arbeiten kann.