VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS-FOTO)

Nein, auch Daniel Bierofka hat diesen aus 1860-Sicht historischen 2. Juni 2015 nicht vergessen. Der Relegations-Krimi mit Kai Bülows Last-Second-Tor zum 2:1 gegen Holstein Kiel in der proppevollen Allianz Arena mit 57.000 Zuschauern. “Ich war in der Sportschule Oberhaching. Ich saß in meinem Zimmer, ich habe vorher meinen Zimmerkollegen rausgeworfen”, erinnert sich Bierofka: “Der Fernseher war sehr klein. Ich saß einen Meter davor. Zum Glück war keiner außenrum, am Ende habe ich mich einfach nur riesig gefreut.” Gefreut hat sich damals vor allem der damalige Retter Torsten Fröhling. Das db24-Interview mit dem U23-Trainer von Schalke 04:

Im DFB-Pokal kommt es heute zur Neuauflage zwischen 1860 und Holstein Kiel (18.30 Uhr, dieblaue24-Lvieticker) - wie oft denken Sie noch an den Abend des 2. Juni 2015?

TORSTEN FRÖHLING: Wahnsinn, das ist erst drei Jahre her? Unglaublich. Was seitdem alles passiert ist bei 1860… Für mich war dieses Spiel eines meiner sportlich emotionalsten Erlebnisse. Diese Emotionen waren einfach fantastisch, deswegen habe ich 1860 ganz tief in meinem Herzen drin. Ich denke oft an diese Momente. Eigentlich ist in diesem Spiel alles schief gelaufen, was schieflaufen konnte. Was ich aber immer wusste: Meine Spieler können laufen bis zum Umfallen - und genau das ist passiert und wir haben das Spiel noch gedreht…

Anstatt diese Euphorie mitzunehmen, blockierte man sich im Verein wieder einmal gegenseitig…

Es war schlimm. Ich habe erst einen Tag vor dem Trainingsstart erfahren, dass ich Trainer bin. Der Verein wollte eigentlich Felix Magath verpflichten. Es gab am Trainingsgelände eine Demo gegen Gerhard Poschner, Noor Basha traf sich mit Peter Neururer - es war ein totales Durcheinander. Anstatt fünf bis sechs gute Leute zu verpflichten, haben wir einen unfitten Rodnei geholt. Wir waren uns auch eigentlich schon mit Sandro Wagner einig, wir hätten ihn für nen Appel und ein Ei bekommen. Aber es war kein Geld da. Ich wollte schon wieder hinwerfen. Es war so frustrierend. Das Chaos kam bis in die Kabine rein - und das war tödlich.

Nur wenige Monate nach Saisonstart entzog Ihnen 1860 nach einem 1:1 gegen Bielefeld das Vertrauen und beurlaubte Sie. Es kam Benno Möhlmann…

Das war meine bislang schlimmste Entlassung. Das tat unheimlich weh. Ich hatte mich mit 1860 zu 100 Prozent identifiziert und dann wirst du vor die Tür gesetzt. Wir hatten eigentlich ordentlich gespielt, wir waren auf dem richtigen Weg - aber die Ergebnisse haben nicht gestimmt, auch wenn wir im Pokal Hoffenheim rausgeworfen haben. Ich bin nach der Beurlaubung sofort zu meiner Familie heimgefahren. Zum Glück hat meine Frau die Handwerker geholt, so war ich 14 Tage beschäftigt.

Im Januar 2016 sollten Sie wieder zurück zu 1860 und Daniel Bierofka als U21-Trainer ablösen.

Eines vorweg: Ich habe mich mit Daniel Bierofka immer sehr gut verstanden, wir haben uns oft ausgetauscht. Aber ich hatte noch Vertrag bei 1860. Das NLZ und Sportchef Oliver Kreuzer wollten, dass ich die U21 übernehme. Auch der Präsident (Peter Cassalette, d. Red.) hatte schon sein Einverständnis gegeben. Ich bin fest davon ausgegangen, dass es klappt - ich war ja sogar schon bei einer NLZ-Fortbildung in Österreich dabei. Und dann habe ich nichts mehr gehört von 1860…

…weil Hasan Ismaik sein Veto einlegte. Heute ist Daniel Bierofka der größte Hoffnungsträger des TSV 1860…

Vielleicht wird Biero der neue Werner Lorant. Er ist ein Glücksgriff für 1860. Es wäre toll, wenn er so eine lange Strecke Trainer bei 1860 sein könnte wie Lorant. Er ist Löwe, er ist Münchner - das passt eigentlich perfekt. Bislang ging es mit Bierofka nur nach oben, ich hoffe, dass er die Doppelbelastung mit seinem Trainerschein meistert.

Was trauen Sie 1860 in der Dritten Liga zu?

Ich rechne mit einem Platz zwischen 1 bis 10. 1860 hat gute Qualität für die Dritte Liga. Wenn alles optimal läuft, dann könnte auch ein blaues Wunder passieren. Das Wichtigste bei 1860 wird aber sein, dass beide Seiten an einem Strang ziehen. Sonst sehe ich keine Chance. Der Verein muss wissen: Dritte Liga kostet nur. Eigentlich musst du sofort wieder aufsteigen. Der Weg mit deutschen Spielern ist richtig. Ich habe nicht verstanden, warum 1860 unter Vitor Pereira nur ausländische Spieler verpflichtet hat. Ba, Lumor, Gytkjaer - das waren echt gute Spieler, aber die brauchen zur Eingewöhnung halt länger als ein deutscher Spieler.

Wie groß ist die Pokal-Chance gegen Kiel?

Kiel ist natürlich ein schweres Los für 1860. Kiel ist phänomenal mit dem 3:0 in Hamburg in die Zweitliga-Saison gestartet, aber im Pokal ist alles möglich. 1860 ist nicht chancenlos.

Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit haben Sie bei Schalke 04 nun als U23-Trainer einen neuen Job gefunden - wie kam’s?

Ich habe mich bei Schalke selbst angeboten, dann hat mich Peter Knäbel (Technischer Direktor U23, d. Red.) angerufen. Schalke ist ein Geschenk für mich. Ich habe immer gesagt: Im Jugendbereich zu arbeiten, ist für mich auch eine große Ehre, erst recht bei einem Traditionsverein wie Schalke 04. Die ersten beiden Spiele haben wir gewonnen, wir sind Erster in der Oberliga. Mein Ziel ist es, so viele U23-Talente wie möglich hochzubringen. Wir haben gerade Thilo Kehrer für 37 Millionen Euro nach Paris verkauft. Der Nachwuchs wird für die deutschen Vereine immer wichtiger.