VON OLIVER GRISS

Ein Neuanfang beim TSV 1860 war möglich. Das “Team Profifußball” hatte zweifelsohne Kandidaten in seiner Riege, die nicht nur über das nötige Know-How, Netzwerk und auch weitgehend über eine finanzielle Unabhängigkeit verfügte, sondern auch einen respektvollen und angenehmen Umgang mit Menschen pflegt. Dies alles war nicht gewünscht beim Turn- und Streitverein München von 1860, weil sich Hirschberger, Winkler & Co. auch für ein Miteinander mit Hasan Ismaik stark machten. Die Mitglieder haben in einer denkwürdigen Versammlung aber anders entschieden und stattdessen alle neun (!) Kandidaten von der PRO-Liste gewählt. Bernhard Winkler lag als bester aus dem “Team Profifußball” auf Platz 10.

Man muss ganz klar sagen: Die ARGE hat (unbewusst oder nicht) den Weg frei gemacht für PRO1860. Jetzt müssen die ARGEnauten mit den Konsequenzen leben. Die Aktivisten von PRO1860, die einst von Löwen-Macher Karl-Heinz Wildmoser nur müde belächelt wurden, waren besser organisiert, das muss man zugeben. Aber können sie auch die große Vereinspolitik? Wir erinnern uns: Aus der Riege stammen u.a. auch der überforderte Ex-Boss Albrecht von Linde (der jetzt zum Ehrenmitglied gekürt wurde) und der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Christoph Öfele. Er musste zurücktreten, nachdem er wegen Aktien-Insiderhandels ins Visier der Behörden geraten war.

Der Auftrag der Münchner Faninitiative ist klar und eindeutig: Sie wollen ein eigenständiges Sechzig, am liebsten ohne Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik. Konnte man den Funktionären die Nadelstichpolitik bislang nur in geheimen Mails im Inner Circle nachweisen (sogar um “politischen Beistand” in der Auseinandersetzung mit Ismaik wurde schon geschrieben), lassen Markus Drees und Verena Dietl im Siegestaumel ganz offiziell ihre Masken fallen. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe wollen die Räte offenbar nicht mehr, eine gewisse Dankbarkeit ist ihnen fremd - und das kurz nachdem der Jordanier wieder zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Was viele schon wieder vergessen haben: Nur deswegen bekam Daniel Bierofka seine Wunschspieler - und die Fans können hoffen auf den Drittliga-Start.

Der neue Verwaltungsrat outet sich in den Stunden des größten Triumphes: Anstatt die warmen Worte von Ismaik via Facebook wohlwollend aufzunehmen und eine Basis für ein Miteinander zu finden, erklärt SPD-Stadträtin Dietl kurz danach gegenüber der “AZ”: “Man hat in der Vergangenheit bei Sechzig erlebt, dass man ein zerstrittener Haufen ist. Wir haben uns natürlich zusammengeschlossen und gesagt, dass wir eine kritischere Haltung gegenüber dem Investor aufbauen. Gerade aus den Erfahrungen der letzten Jahre heraus, wie er uns hingehalten hat. Wie er mit uns umgegangen ist. Wir haben gesagt, dass wir gestärkt auftreten wollen, und dafür muss man alle Instrumente, die man nutzen kann, aufschlagen. Unser Ziel ist, dass 1860 München wieder der Verein ist, bei dem man stolz ist, Mitglied zu sein, und der das auch nach außen ausstrahlt.” Bereits kurz vor Dietls Interview hatte Drees in der selben Zeitung signalisiert, dass sich Ismaik nicht mehr einmischen dürfe und die “andere Seite runterbuttern.” Genau das übernimmt jetzt der neue Verwaltungsrat.

Nicht nur Daniel Bierofka wird den politischen Kurs bei 1860 nun noch genauer verfolgen.