VON OLIVER GRISS UND LEONHARD HUBER (FOTO)

Dass das “Team Profifußball” eine derbe 0:9-Pleite auf der Mitgliederversammlung einstecken musste und keinen Kandidaten in den Verwaltungsrat entsenden konnte, lag nicht nur an der schlechten Wahlbeteiligung der neutralen 1860-Mitglieder, sondern teilweise auch an der eigenen Naivität, wie man den Wahlkampf von Anfang an bestritten hat. Zweifelsohne hatte Klaus Ruhdorfer wählbare Kandidaten um sich geschart - wie Thomas Hirschberger (Burgerkette “Hans im Glück”, 100 Millionen Jahresumsatz), Bernhard Winkler (1860-Legende), Norbert Oxee (Unternehmer und langjähriger Förderer des TSV) Jesko Trahms (Anwalt) oder Matthias Pantke (Vermarktung, früher u.a. Stroer), doch das alles half nichts. PRO1860 hat es sich beim TSV 1860 längst eingenistet.

Am Montag verschickte Ruhdorfer nach dem Wahl-Debakel sein Fazit an die Presse:

der Sieg für die neun Kandidaten aus der Pro1860-Liste war eindeutig, herzlichen Glückwunsch an die gewählten Verwaltungsräte.

Pro 1860, vor allem aber der riesige Ultra-Block, sind – im Gegensatz zur ARGE - top organisiert, politisch aktiv und effizient. Weite Teile der Fanclubs in ganz Bayern sind der Wahl ferngeblieben. Angesichts einer erneut auf 12 Stunden gezogenen Versammlung, zzgl. stundenlanger An- und Abfahrt, kann man dies zum Teil nachvollziehen. Allerdings darf sich dann in den nächsten Jahren auch kein Fan mehr beklagen, dass er keine Karten bekommt

die Tatsache, dass die Mitgliederversammlung durch die amtierenden Verwaltungsräte zu Wahlkampfreden genutzt wurde, war zwar kein guter Stil, aber nicht entscheidend für den Ausgang der Wahl. Die erneute Ablehnung einer Briefwahl, die geschickte Einführung von a.o. Mitgliedern (mit niedrigerem Beitrag, aber ohne Wahlrecht), die strategisch klug eingebauten Satzungshürden sowie die abschreckende Wirkung einer aufgeblähten Marathonversammlung bedeuten eine Zementierung der Machtverhältnisse auf viele Jahre hinaus.

beispielhaft für die neuen Machtverhältnisse bei 1860 steht die Nichtwahl von Karl-Christian Bay: Herr Bay hat als seriöser und respektvoller Chefverhandler des Vereins immer wieder gemeinsame Lösungen mit dem Hauptgesellschafter der KGaA erzielt. Seine Nichtwahl, aber auch die Nichtberücksichtigung eines renommierten Staatsanwalts auf der Kandidatenliste, senden eine klare Botschaft: Gesinnung statt Kompetenz sind gefragt.

Fazit: mit strategischen Geschick und juristischem Weitblick hat Pro 1860 nun die Kontrolle über alle wichtigen Gremien des Vereins erlangt. Das verdient Respekt. Der Schulterschluss mit den Ultras ist legitim, zugleich nicht ohne Brisanz. Es bleibt nun abzuwarten, wie die Herausforderungen der kommenden Jahre gemeistert werden. Diese wären zum Beispiel:

  • durchschnittlich werden schätzungsweise 10.000 Löwen-Fans pro Spiel auf Jahre hinaus keine Karte erhalten können. Pro Saison also geschätzt 200.000 Zuschauer.
  • ebenfalls auf Jahre hinaus wird der Verein stark limitierte Vermarktungsmöglichkeiten im Stadion haben. Gerade wenn man von einem Hauptgesellschafter unabhängiger werden will, wären signifikant höhere Vermarktungserlöse durch das Stadion, wie auch größere Sponsoren, von existenzieller Bedeutung. Ergo dürfte sich der angestrebte Zweitligafußball ohne jährliche Bittgesuche beim Hauptgesellschafter nur bedingt finanzieren lassen
  • umso wichtiger wird es sein, die bayernweit abgehängten U19- und U17-Mannschaften wieder auf Augenhöhe zumindest mit Unterhaching, Augsburg und Ingolstadt zu bringen, ganz zu schweigen vom FC Bayern. Dazu werden hohe Aufwendungen für qualifizierte Trainer und Investitionen in das NLZ notwendig sein.
  • im Juni 2019 endet die zweijährige Fortführungsprognose zur Insolvenzvermeidung. Dann stehen abermals schwierige Gespräche mit dem Hauptgesellschafter, wie auch mit anderen Gläubigern, an. Zu wünschen wäre, dass man wenigstens auf Gesellschafterebene wieder zu einem respektvollem Umgang miteinander zurückfindet.

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Umfrage endete am 06.08.2018 07:00 Uhr
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Teilnehmer: 3156