VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Robert von Bennigsen (62) ist seit Jahren beim TSV 1860 umstritten - und doch tritt der Hamburger am Sonntag zur Wiederwahl als Verwaltungsrat (seit 2008 dabei) an. Das db24-Interview:

dieblaue24: Herr von Bennigsen, erklären Sie uns bitte, warum die 1860-Mitglieder dem aktuellen Verwaltungsrat erneut das Vertrauen aussprechen sollten?

ROBERT VON BENNIGSEN: Das ist relativ einfach. Über den aktuellen Verwaltungsrat wird in der Öffentlichkeit von manchen Seiten ahnungslos viel Blödsinn geäußert, gerade auch in Ihrem Blog. Die derzeitigen Verwaltungsräte arbeiten vertrauensvoll und in aller Stille zusammen. Denken Sie doch mal ein paar Jahre zurück. Einige haben sich damals nicht an Verschwiegenheitsverabredungen gehalten, dadurch entstanden immer wieder in der Öffentlichkeit negative Eindrücke von den „zerstrittenen Funktionären“. Sehen Sie nicht auch, dass das heute völlig anders ist. Und warum ist das so? Weil alle an einem Strang ziehen! Wir wollen den sportlichen Erfolg, die Rückkehr in die Zweite Liga, ein Stadion, das allen Mitgliedern genug Platz bietet. Aber wir haben eben nicht nur Themen des Profifußballs! Wir haben als von den Mitgliedern gewählte Vertreter die Aufgabe, den Mutterverein zu entwickeln, mit allen Abteilungen und Sportarten. Verschiedene Verwaltungsräte haben Patenschaften für Abteilungen übernommen. Sie nehmen diese Aufgaben sehr ernst, es ist eine Behindertensport-Abteilung ins Leben gerufen und eine viel beachtete Kooperation mit der anerkannten Behinderteneinrichtung Pfennigparade eingegangen worden, mit dem Projekt „Vision 1860“ hat der Verein angefangen, Trend-Sportarten und weitere Themen anzugehen, die den Verein moderner machen. Der Verein ist auf der Zielgraden, was das Thema Halle für die Abteilungen betrifft. Die vorsorglich erforderlichen Schritte zum Erhaltung der Gemeinnützigkeit sichergestellt, sie werden gerade vom Grundbuchamt umgesetzt. Im Bereich des Profifußballs haben die Verwaltungsräte zusammen mit dem Präsidium das, was die meisten Mitglieder wollen, gesichert: keine Maybachs auf dem Trainingsgelände, kein Hire-and-Fire nach Belieben, keine martialischen Pressekonferenzen ohne Ahnung von dem, was die Seele des Vereins ausmacht. Ich für meinen Teil setze auf eine solide kaufmännische Entwicklung, auf maßvolle Verstärkungen, keine „We-go-to-the-Top“-Phantasien, keine halbseidene Geschäftsführer in der KGaA, sondern auf einen bayerischen Trainer, auf eine identifikationsstiftende Mannschaft und einen erfolgreichen Münchner Traditionsverein. Und wenn dies unserem Mitgesellschafter argumentativ, nach stundenlangen Diskussionen, nicht vermittelbar ist, dann stimmen die Vertreter des Vereins eben auch mal gegen unseren Mitgesellschafter. Das habe ich für den Verein getan. Sind das denn aus Ihrer Sicht nicht genug Gründe, den bisherigen Mitgliedern des Verwaltungsrats das Vertrauen auszusprechen?

Sie haben seit 2008 Ihren Platz im Kontrollgremium des TSV 1860. Kommen Sie nicht zur Einsicht, dass in dieser Zeit unglaublich viele Fehler passiert sind, die vom Verwaltungsrat hätten verhindert werden können?

Von Anfang an hatte ich bei der Ausübung meines Ehrenamts mit der Finanzknappheit unseres Vereins und der Fußballgesellschaft zu tun. Es sind extrem viele Fehler in der Fußballgesellschaft passiert. Gibt es sonst Gründe, die Geschäftsführer, die Trainer und die Spieler permanent auszuwechseln? Das Erbe von Herrn Wildmoser, jeder kaufmännischen Vernunft zuwiderlaufende Arena-Verträge (u.a. ein 25-Jahresvertrag mit Verlängerungsoption für die Stadiongesellschaft, ohne Anpassungsklausel für die Miete in der Zweiten und Dritten Liga) hat es unmöglich gemacht, finanziell über die Runden zu kommen. Eine schlechte Vermarktung, zuviele Politiker in den Gremien des Vereins, wenig wirtschaftlicher und sportlicher Sachverstand in den Gremien der Fußballgesellschaft. Wir haben es nicht geschafft, Projekte anzupacken, die dem Verein helfen. Der Verwaltungsrat alleine hätte das nicht verhindern können, immerhin ist er nur das passive Aufsichtsgremium und das Präsidium das einzige ausführende Organ. Wenn Sie darauf anspielen, dass der Verwaltungsrat die falschen Personen für das Präsidium ausgewählt hat, gebe ich Ihnen teilweise Recht. Mit dem jetzigen Präsidium hatten wir allerdings eine sehr gute Hand.

Sie hatten sich beispielsweise vor vielen, vielen Jahren ein Schulprojekt auf die Fahne geschrieben, das 1860 junge Mitglieder generieren sollte. Was ist von diesen Plänen übrig geblieben?

Das Projekt 60 Schulen – 60 Vereine hatte ich als Verwaltungsrat 2011 das erste Mal dem damaligen Präsidium für die weitere operative Umsetzung in allen erforderlichen Details und Ausbauschritten vorgeschlagen, dazu hatte ich mich mit dem entsprechenden Projekt des SV Werder Bremen vertraut gemacht und mit dem Verein, der Fußballgesellschaft und dem NLZ gesprochen. Leider hatten wir keine Kontinuität im Präsidium, deshalb hat keines der neuen Präsidien dieses äußerst wünschenswerte Projekt, das entnehme ich auch Ihrer Frage, das Projekt aufgenommen und umgesetzt. Ich habe dieses Projekt aber nicht aufgegeben. Es bleibt weiter auf der Tagesordnung. Damit könnte man auch verdiente Ex-Profis im Verein beschäftigen. Das Projekt ist teuer (mindestens rund 240.000 EUR pro Jahr), der e.V. konnte es sich zudem nicht leisten, Verpflichtungen einzugehen, wenn die Fußballgesellschaft ihrerseits, wie zur Zeit, ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem e.V. nicht nachkommen kann.

Erklären Sie uns mal, warum Investor Hasan Ismaik nicht gut auf Sie zu sprechen ist? Was sind die Hintergründe? Er behauptet, Sie wollten mit ihm Geschäfte machen - und weil er kein Interesse zeigte, fahren Sie einen Kurs gegen ihn.

Weil er es nicht mag, wenn man ihm widerspricht. Dass ich zweimal andere Geschäftsführer, als die, die er wollte unter Anwendung der 50+1 – Regel mitbestellt habe, ärgert ihn natürlich. Scheinbar schreckt er dabei auch nicht vor der Verbreitung falscher Tatsachen zurück und behauptet, ich hätte mit ihm unbedingt Geschäfte machen wollen und sei enttäuscht, weil er nicht mitgemacht hat. Das sei der Grund, warum ich gegen ihn sei. Die Wahrheit sieht ganz anders aus: Herr Ismaik hat sich den Vereinsvertretern, nachdem er dankenswerter Weise die Insolvenz 2011 verhindert hatte, vorgestellt mit der Vision, er wolle sich in Deutschland einen Namen machen und geschäftlich aktiv werden. Er wäre dankbar, wenn er nun von uns auch dabei unterstützt würde. Das habe ich tatsächlich ernst genommen und ihm schon kurz danach eine von mir völlig unabhängige Investitionsmöglichkeit vorgestellt, die perfekt in sein Engagement in der Baubranche gepasst hätte. Alle Details dafür habe ich ohne Vertraulichkeitserklärung und ohne irgendwelche Provisionsabsichten geliefert. Hätte ich einen persönlichen Vorteil daraus ziehen wollen, hätte ich doch zuvor eine entsprechende Vereinbarung mit ihm treffen müssen. Habe ich nicht! Und er hat daraus nichts gemacht. Muss er ja auch nicht. Ich habe lediglich, weil ich gerne eine Antwort gehabt hätte, um meinen Geschäftskontakt zu informieren, zweimal nachgefragt. Ich hätte von einem höflichen Menschen eine Antwort, auch eine negative, erwartet. Das schien für ihn aber nicht notwendig gewesen zu sein. Beim zweiten Mal nachfragen war es wohl ein Gesichtsverlust. Ich hätte nichts davon gehabt, deswegen war es mir am Ende völlig egal. Ich kann gut ohne Geschäfte mit Herrn Ismaik leben.

Würden Sie wieder gewählt werden, welchen Kurs würden Sie im Umgang mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik wählen: Konfrontationskurs wie bisher - oder doch eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe?

Von Konfrontationskurs kann schon bisher keine Rede sein. Der e.V. als Gesellschafter arbeitet mit dem Mitgesellschafter genau auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung so zusammen, wie es dort beschrieben ist. Daran hält er sich und erwartet auch vom Mitgesellschafter, dass er sich daran hält. Dazu gehört, dass man die gesellschaftsrechtlichen Regeln einhält, sich zügig und sachlich zu einzelnen Vorgängen äußert. Ich habe kein Verständnis, dass sich unser Mitgesellschafter zum Beispiel immer erst in letzter Minute entscheidet oder immer erst in letzter Minute seinen Verpflichtungen nachkommt. Ich habe 90 Mitarbeiter, man muss schon auch mal verstehen, dass die Mitarbeiter der KGaA zum Beispiel ein Recht darauf haben, rechtzeitig zu wissen, wie es weitergeht. Wir haben Glück: in unserer Fußballgesellschaft haben die Mitarbeiter eine Treue zum Verein und schmeißen nicht gleich hin. In anderen Unternehmen wären die Leistungsträger längst zu anderen Arbeitgebern gewechselt. Und auch das möchte ich einmal klar sagen: Das Scheichlied oder der von Ihnen, Herr Griss, aufgeblasene Begriff „Nadelstichpolitik“ ist keine Absicht des Verwaltungsrats.

Hier wollen wir klar festhalten: Der Ausdruck “Nadelstichpolitik” kommt aus der Feder von Markus Drees. Anderes Thema: Helmut Kirmaier hat auf einem Schweizer Server brisante Dinge aus dem Innenleben des Klubs veröffentlicht. In einer Reisinger-Mail ist davon sogar die Rede, dass man im Streit mit Hasan Ismaik sogar über “politischen Beistand” nachdenke. Was soll ein Mitglied von dieser Mail halten?

Herr Kirmaier und seine diversen Verlautbarungen interessieren mich nicht. Ich habe bisher kein vernünftiges Wort von ihm gehört.

30 Kandidaten bewerben sich für neun Plätze im Verwaltungsrat: Werden Sie auch jemanden vom Team Profifußball wählen - und wenn ja, wen und warum?

Wir haben eine geheime Wahl, so steht es in der Satzung. Wieso sollte ich Ihnen diese deshalb vollkommen abwegige Frage beantworten? Auf dem Wahlzettel stehen viele gute Kandidaten mit Fachkenntnissen und echter Verbundenheit zum Verein. Ich wähle Kandidaten für diese Aufsichts- und Beratungstätigkeit im Verwaltungsrat mit Kenntnissen in wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen, vereinsrechtlichem gemeinnützigem Wissen. Ich wähle solche, die sich nicht dem unbegrenzten Fußball-Kapitalismus, seinen Oligarchen und Totengräbern des Fan-Daseins ausliefern, sondern die den Mutterverein unterstützen, die 50+1-Regel befürworten, belastbare Netzwerke haben. Und schließlich solche, die nicht Erwartungen schüren, die sich am Ende als unrealistisch, phantasievoll und aufgeblasen herausstellen.

Der TSV 1860 ist im vergangenen Sommer zurück ins Grünwalder Stadion: Fluch oder Segen?

…ein Segen, weil dies für eine Eintrittswelle gesorgt, die Identität des Vereins gestärkt und uns auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt hat. Im Übrigen konnten die Fans, die meinten, nur die Präsidenten und die Verwaltungsräte seien doof, endlich mal sehen, welche Irrationalität und Überraschungen auch ein Mitgesellschafter zu bieten hat, indem er in wenigen Sekunden sein eigenes Investment beschädigt.

Aber Sie werden uns doch recht geben, dass die Löwen mit dieser geringen Zuschauerkapazität - und vor allem ohne Marketingmöglichkeiten und Logen kein Geld verdienen können…

… absolut auch meine Meinung. Nur: ich will das auf eine Weise ermöglichen, die finanziell gesund ist. Wir hatten 12.500 Zuschauer, jetzt sind es 15.000. Es muss immer weiter an einem Ziel gearbeitet werden, dass man zunächst die Ausbaureserve im Grünwalder erreicht, die ich irgendwo oberhalb von 20.000 sehe. Das geht nur mit entsprechendem politischem Willen auf der Stadtseite. Diese erreicht man bei uns nur mit einem angemessenen, ruhigen und anständigen Vorgehen, nicht mit unrealistischen Ultimaten und blinden Versprechungen an die Mitglieder und Fans.

Das von der SPD favorisierte 18.600 Fans Fassungsvermögen für das Grünwalder Stadion dürfte nur ein PR-Gag sein, oder?

Keineswegs! Mich ärgert nur, wenn Sie, Herr Griss, tatsächlich glauben, dass es dem politischen Entscheidungsprozess in der Stadt dient, wenn Sie einen offiziellen Antrag der größten Fraktion im Stadtrat als PR-Gag darstellen. Das halte ich persönlich für eine Frechheit!

Naja, die Zahl 18.600 hat ja schon etwas mit den Löwen zu tun, oder?

Warum tragen Sie zu dieser abträglichen politischen Kultur bei, die populistisch Dinge in Frage stellt, die mit ernsthafter Absicht erfolgt sind, nur weil Ihnen das nicht passt? Das ist doch nicht der richtige und vernünftige Weg, solche Dinge politisch in die gewünschte Richtung zu bringen.

Was ist, wenn die Stadt München einen größeren Umbau ablehnt? Sollte man sich nicht langsam nach einem eigenen Grundstück umsehen?

Dann sehen wir weiter. Es gibt einen Plan B. Dabei wird ernsthaft überlegt zu bauen und dies sinnvoll zu finanzieren. Aber: Erst einmal sind wir noch nicht in die Zweite Liga aufgestiegen, das ist schwer genug. Und wenn es dann soweit ist, wünsche ich mir auch ein Stadion mit einem Fassungsvermögen von 30-35.000 Zuschauern. Zum anderen sind die Bauplätze in München rar. Der Verein führt Gespräche. Aber in meinem Unternehmen gelten zwei Grundsätze: Erstens: Investitionen nur, wenn wirklich erforderlich, und wenn eine Finanzierung steht, die einen nicht von den falschen Geldgebern abhängig macht. Und zweitens: Geredet wird erst, wenn es etwas zu berichten gibt.

Erklären Sie uns mal aus Ihrer Sicht, wie eine KGaA in Zukunft ohne Fremdgelder überleben kann? Der Fußball ist in erster Linie Geschäft, wo ist die Strategie im Verein, dass man nicht mehr von Hasan Ismaik abhängig ist?

Die Fußballgesellschaft kann nicht ohne weiteres Gesellschafter-Kapital überleben. Das ist auch meine Überzeugung. Allerdings ist der Begriff Fremdgeld schon falsch. Der Verein will mit Mitgesellschaftern zusammenarbeiten. Aber das Präsidium und die involvierten Verwaltungsräte werden bestimmt nicht in der Öffentlichkeit darüber reden, solange unser Mitgesellschafter seine Anteile nicht abgeben will. Angebote hat es schon gegeben. Sie waren scheinbar nicht interessant genug. In der arabischen Welt geht es nicht nur um Logik und wirtschaftliche Vernunft, sondern auch darum, das Gesicht zu wahren. Der Verein hat den Weg leider noch nicht gefunden. Mein persönliches Wunschziel ist es, mit oder ohne ihn, aber zusammen mit den Inhabern großer bayerischer mittelständischer Unternehmen eine Gemeinschaft vernünftiger Menschen zu bilden, die dann auch gemeinsam um den richtigen Weg in unserer Fußballgesellschaft ringen.