VON OLIVER GRISS

Christian Schmidbauer gilt innerhalb der ARGE als kritischer Geist. Jetzt will der 39-jährige Finanzangestellte aus Laufen selbst anpacken und Verwaltungsrat beim TSV 1860 werden. Das Bewerbungsinterview auf db24:

dieblaue24: Herr Schmidbauer, was befähigt Sie für den 1860-Verwaltungsrat und warum kommt man an Ihnen bei der Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag nicht vorbei?

CHRISTIAN SCHMIDBAUER: Dass ich vielleicht neuen Geist in den Verwaltungsrat bringe, die Sicht der Fans vom Land, die nicht mal schnell mit der U-Bahn nach München hineinfahren können und so immer sehr viel auf sich nehmen. Des Weiteren ist es vielleicht ganz gut, wenn in einem Gremium die „Türen nach außen“ geöffnet werden.

Sie gehören keiner Liste an, weder vom “Team Profifußball” noch von “Pro1860” - ist das nicht ein Nachteil?

Ich glaube eher, dass das „Schwarz-Weiß-Denken“ ein Nachteil auf lange Sicht ist. Gehöre ich dieser „Fraktion“ nicht an, habe ich keine Chance. Bin ich bei der „Fraktion“, dann habe ich für alles alle Chancen. Schwarz-Weiß-Denken. Die zahlreichen Graustufen und bunten Farben werden hier mit diesem Denken völlig verhindert. Also wenn man so will, ich bin der Kandidat für die bunten Farben.

Welchen der 30 weiteren Kandidaten wählen Sie zu 100 Prozent und weshalb?

Ich habe da selbst schon einige im Blick, werde mich aber sicherlich noch die letzten Tage vor der Mitgliederversammlung und auch bei der Mitgliederversammlung „berieseln“ lassen. So wie ich mich kenne, wird da die eine oder andere Stimme erst spontan vergeben. Dass ich mich selbst wähle, sollte ja für jeden Kandidaten klar sein. Denn wenn ich das nicht tue, dann wäre ich als Kandidat von meiner Kandidatur selbst nicht überzeugt.

Warum fehlt dem Verein Sport-Kompetenz in seinen Gremien?

Es ist schwierig Sportkompetenz hineinzubringen. Es gibt wohl wenige, die ihre ehrenamtliche Kraft Vereinen zur Verfügung stellen und lieber von der heimischen Couch aus ihre Kritiken loswerden. Außerdem ist der sportliche Bestimmungsradius des Verwaltungsrates ja - sagen wir mal - sehr eng gesteckt. Dass aber in der KGaA zumeist sportliche Kompetenz fehlte, zeigte ja die sportliche Kurve mehr als deutlich.

Sollten Sie gewählt werden, welche Themen wollen Sie unbedingt anschieben?

Zu allererst gilt ja im Verwaltungsrat das Thema „Aufsicht“. Heißt: Kontrolle der Arbeit des Präsidiums. Und hier ist ja der interessante Teil der Verhandlungen mit der Stadt München wegen einem möglichen Stadionausbau. Dieses Thema wird aller Voraussicht uns noch Jahre beschäftigen und viele Kräfte bündeln müssen. Weiter interessiert mich der finanzielle Plan, wie man aus eigener Kraft gemeinsam mit der KGaA den TSV 1860 im Profifußball halten und stabilisieren will. Ich komme nun mal aus der Fußballabteilung und will nicht verschweigen, dass hier ein Hauptaugenmerk von mir liegen wird und daraus mache ich auch keinen Hehl. Klar ist, dass es sich beim Verwaltungsrat erstmal um ein Kontrollgremium handelt. Kontrolle und Aufsicht.

Schrecken die letzten Jahre nicht ab? Kaum hat man ein Amt bei den Löwen inne, steht man nicht selten im Kreuzfeuer der Kritik…

Im Leben stehst du oft im Kreuzfeuer, wenn du ehrenamtliche Arbeit verrichtest. Egal wie groß der Verein ist. Zeigen Sie mir jemanden, der es allen Recht machen kann und vor allem diesen Leuten Befriedigung verschaffen kann, welche immer nur von zuhause aus lospoltern.

Immer wieder wird von Vereinsseite der Unterschied zwischen e.V. und KGaA hervorgehoben - ist dies nicht kontraproduktiv für das allgemeine Befinden? Die Fußballabteilung verkauft sogar ihr eigenes Fanartikel-Sortiment. Sind das nicht Belege, dass man an einem Gemeinsam gar nicht interessiert ist?

Das mit dem Fanartikel-Sortiment sehe ich gespalten. Will man eine eigene Identität, sollte man dies auch klar äußern, was aber aus meiner Sicht im Sinne des Zusammenstehens kontraproduktiv ist. Gegen den Kommerz kann diese Maßnahme nicht sein, denn auch ein Vertrieb von eigenen Fanartikeln ist Kommerz. Ich kenne nicht die Gründe dieser Aktion, sondern kann nur Vermutungen äußern, was aber keinen in Sachen „Gemeinsamkeit“ weiterbringen wird. Einen Unterschied gibt es sicher: Der e.V. ist für die ehrenamtliche Seite hauptverantwortlich zuständig, die KGaA ist die Firma, die sich um den Profifußball zu kümmern hat. So sind, um doch noch mal das Thema „Schwarz und Weiß“ aufzumachen, die Fronten ziemlich gut gezogen.

Würden Sie gewählt werden, welchen Kurs würden Sie im Umgang mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik befürworten: Konfrontationskurs oder ein Miteinander auf Augenhöhe?

Ein Miteinander auf Augenhöhe wird sich als schwierig herausstellen. Ein Miteinander des gegenseitigen Verständnisses wäre hier hilfreicher. Vielleicht braucht es mal einen Mediator, der die Mauern einreißt und hier unter Umständen einiges auf null setzen kann, um einen gemeinsamen weiteren Weg zu garantieren. Denn klar ist wohl auch: Solange kein überzogenes Angebot an Ismaik kommt oder wir in die 1. Bundesliga aufsteigen, wird unser Freund aus Jordanien seine Anteile nicht verkaufen.

Der Verwaltungsrat bestellt im Jahr 2019 den Präsidenten: Hat Robert Reisinger Ihr Vertrauen? Wenn ja, begründen Sie es bitte.

Bis zum Vorschlag zur Präsidiumswahl ist noch ein Jahr hin. Da wären Tendenzen zum jetzigen Zeitpunkt fehl am Platze. Doch jeder der ein Ehrenamt übernimmt, und dazu gehört auch Robert Reisinger, hat grundsätzlich schon mal meinen persönlichen Respekt gewonnen. Meinen Respekt hat Reisinger mit seinen Präsidiumskollegen von mir auch deswegen, dass er nicht zu den Herren gehörte, die sich klammheimlich nach dem schwarzen Freitag verkrochen haben. Nichtsdestotrotz sollte man eine komplette Amtszeit bewerten und nicht nur einen Teil davon – also warten wir mal ab.

Schreckt es Sie nicht ab, dass Reisinger als oberster Repräsentant des Klubs bei der Aufstiegsparty einen Gläubiger mit den Worten “Scheiß FC Bayern” beleidigt oder sich auch nicht über all die Monate von den Schmährufen gegen Hasan Ismaik distanziert hat?

Der Spruch „Scheiß FC Bayern“ im Aufstiegsjubel – geschenkt. Dass dies nicht bei allen gut ankam, auch geschenkt. Dass er dies als amtierender Präsident des Stadtrivalen getätigt hat – geschenkt. Man muss nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Die Schmährufe gegen Ismaik allerdings halte ich für mehr als fehl am Platz. Wenn ich mir einen Kredit bei meiner Bank hole, dann laufe ich auch nicht vor der Bank auf und ab und halte ein Transparent hoch, wo ich diese Bank verunglimpfe. Das ist schon äußerste merkwürdige Auslegung eines Kreditnehmers. Man sollte schon auch mal ein bisschen dankbar sein, auch wenn das Verhältnis schwierig ist, dass es jemanden gab, der mir Geld gab als ich es nötigst brauchte und ja bekanntlich noch immer gerne annehme.

VR-Kandidat Helmut Kirmaier stellt auf einen Schweizer Server geheime Emails mit pikanten Inhalten. Machen Sie diese Informationen nicht irgendwie traurig?

Wenn ich für ein Amt bei einem Verein kandidiere und im Vorfeld pikante Emails von diesem Verein veröffentliche – dann macht mich das nicht traurig, sondern das lässt mich einiges hinterfragen. Grundsätzlich möchte ich aber keine großen Bewertungen von weiteren Kandidaten für den Verwaltungsrat abgeben. Das gehört sich schlichtweg nicht und man sollte allen den nötigen Respekt entgegenbringen, auch wenn man zwangsläufig nicht einer Meinung mit ihnen sein muss und auch nicht deren Handlungen verstehen muss.

Der TSV 1860 ist seit Jahrzehnten chronisch klamm: Welchen Masterplan haben Sie, damit die KGaA eigenständig überleben kann und vor allem in der Sponsorensuche eine bessere Figur abgibt als in der Vergangenheit?

Es gibt keinen Masterplan für Nichts. Es wird immer auf Kompromisse hinauslaufen. Es wird immer auf das hinauslaufen, dass man so viele Möglichkeiten wie man nur bekommt nutzen muss, um diese finanzielle Klammheit zu überwinden. Um unsere stetige Klammheit zu überwinden, ist sicherlich kreatives finanzielles Geschick gefragt und wohl auch Durchhaltevermögen. Für die Sponsorensuche bin ich der Meinung, dass es eine Person braucht, der dies hauptverantwortlich erledigt mit allen nötigen Kompetenzen des Vereins.

Erklären Sie uns mal, warum 1860 aus Ihrer Sicht selbst in der Regionalliga-Saison ein deutliches Minus geschrieben hat - und wie man diesen Trend stoppt?

Ist aus meiner Sicht, ohne die genauen Zahlen zu kennen, ein einfaches Rechenbeispiel. Trotz ein bisschen weniger Stadionmiete habe ich weniger Zuschauerplätze, weniger Sponsorenmöglichkeiten, weniger VIP-Tickets und im ganzen Sammelsurium weniger Vermarktungsmöglichkeiten. Diese innerhalb eines Jahres auszumerzen kann aus meiner Sicht gar nicht möglich sein. Da wird es ohne maßgebliche Veränderungen des Status Quos (siehe Stadion und Zuschauerplätze) jahrelange Arbeit benötigen.

Im Grünwalder Stadion ist der Löwe stark limitiert: Mit nur 15.000 Plätzen und kaum Vermarktungsmöglichkeiten wird 1860 wohl nur selten schwarze Zahlen schreiben können. Wie sehen Sie dieses offensichtliche Handicap?

Wie ich schon oben sagte: Hier wird finanzielle Kreativität und Durchhaltevermögen gefragt sein. Sponsoren und Unterstützer fallen nicht direkt von den Bäumen herunter, daher muss man diese in Maße akquirieren, um diese finanzielle Flucht auszugleichen.

Die SPD-Stadtratsfraktion fordert einen Ausbau auf 18.600 Besucher für das Grünwalder Stadion - ein PR-Gag?

Ich frage mich gerade wann in München Kommunalwahlen sind. Bis dahin wird mit Sicherheit noch viel gesprochen und viel versprochen. Ohne konkrete schriftliche und verbindliche Maßnahmen fehlt mir der Glaube an vielem. Die Initiative ist mit Sicherheit zu begrüßen, wenn es nicht nur bei der Initiative bleibt.

Wenn die Stadt einen Aus- bzw. Umbau des Grünwalder Stadion final ablehnt, was muss dann bei 1860 passieren?

Es sollte schon seit Jahren einen Plan B geben. Einen Plan B ohne Hasan Ismaik, einen Plan B außerhalb der Allianz-Arena. Einen Plan B außerhalb der 1. Bundesliga. Ich weiß nicht, ob es Schubläden gibt, wo diese Pläne liegen. Vor unserem Absturz scheinen diese Pläne jedenfalls sehr gut versteckt gewesen zu sein. Wenn ich mich einer gewissen Seriosität verschreibe, muss ich wohl oder übel für final entscheidende Maßnahmen immer mindestens einen Plan B haben, wenn nicht sogar einen Plan C.

Sie führen die ARGE-Region 6 an: Ist dieser Dach-Fanverband noch zeitgemäß? Was muss sich ändern? Bislang ist es kein Muss, in der ARGE 1860-Mitglied zu sein. Ist das nicht kontraproduktiv für 1860?

Ein Verband muss grundlegend von unten und innen verändert und verbessert werden. Von außen ist dies nie von langfristiger Tragbarkeit. Zeitgemäß, darüber können sich andere streiten. Ich halte diesen Verband für sinnvoll, auch in dem Hinblick, dass mir bis zum jetzigen Zeitpunkt kein Mensch eine plausible Alternative erklären konnte. Auch nicht die Verwaltung über den e.V. oder über die KGaA. Das wird keiner umsonst machen, allein der Verwaltungsaufwand, wenn ich alle Fans zu betreuen habe, wird hier ein Bürokratiemonster erschaffen.

Wie stehen Sie der 50+1-Regel gegenüber - und wie bewerten sie den Kommerz im Fußball generell?

Es ist doch klar, dass im deutschen Fußball etwas passieren muss, wenn man auf internationaler Ebene langfristig mithalten will. Ob dafür diese 50+1 Regel fallen muss, bezweifle ich allerdings. Da gibt es mit Sicherheit schlaue und kreative Köpfe, die hier andere Möglichkeiten finden. Deutschland – das Land der Dichter und Denker. Wo sind nur diese Denker hin?

Was ist Ihnen lieber: 1860 als sympathischer Stadtteilverein oder erfolgreicher Erstligist?

TSV 1860 München, der sympathische erfolgreiche Erstligist.

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