VON OLIVER GRISS

Nein, das durchaus faire Null-Prozent-Angebot von Hasan Ismaik hat der TSV 1860 bislang nicht angenommen, schließlich will man Hauptsponsor “Die Bayerische” nicht verprellen - aber dass man den Investor genauso vor den Kopf stößt, scheint Präsident Robert Reisinger egal zu sein. Der Flurfunk an der Grünwalder Straße verrät übrigens, dass nicht alle im Verein von Ismaiks Angebot so abgeneigt sind wie Reisinger selbst. Aber der 54-jährige Speditionskaufmann ist eben der Boss, die 50+1-Regel verleiht Flügel…

Jetzt will Reisinger an das zwei Jahre alte (und noch nicht abgerufene aber angeblich zweckgebundene) Ismaik-Darlehen in Höhe von 3,8 Millionen Euro für Ex-Kapitän Stefan Aigner ran. Der Präsident ist davon überzeugt, dass Ismaik löhnen muss. Es riecht nach der nächsten Anwaltsposse. Dabei braucht der TSV 1860 keine teuren Anwaltskosten, sondern erfahrene Spieler, die dem Verein in der Dritten Liga Stabilität verleihen und eine sportliche Perspektive geben. Hat Reisinger das wirklich verinnerlicht? Adriano Grimaldi, der am Montag den medinzischen Check absolviert, wird nicht ausreichen, um eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen. Bierofkas Wunschspieler wie Stefan Lex (auch bei Haching im Gespräch) oder Quirin Moll stehen unmittelbar vor dem Absprung. Daniel Bierofka und Günther Gorenzel, die das beste Team seit Werner Lorant & Karl-Heinz Wildmoser sind, werden durch diese Blockade-Politik massiv beschädigt. Das Duo wird nicht mehr lange schweigend zuschauen können.

In seinen 12 Monaten als Ober-Löwe hätte Reisinger nach Wildmoser-Vorbild in der Münchner Wirtschaft Türen öffnen und andere Geldquellen für die Profi-Abteilung gewinnen können, zumal Bierofkas Mannen die absoluten Sympathieträger im Verein sind. Doch was ist passiert? “Scheiß FC Bayern” brüllen, wie peinlicherweise bei der Aufstiegsparty geschehen (ohne das Entgegenkommen der Roten hätten die Bayern-Damen an diesem Tag im Grünwalder Stadon gespielt), um im Wahlkampf zu punkten - und Ismaik die Kante zeigen, reichen nicht aus, um den TSV 1860 für die Zukunft aufzustellen. Wo ist das Konzept für die ausgegliederte Tochter?

Die Frage, die zudem viele Fans, bewegt: Wie will sich 1860 im Profifußball jemals selbständig tragen, wenn man auf die Hilfe von Ismaik verzichtet? Im Grünwalder Stadion - unter den aktuellen Voraussetzungen - sind die Löwen jedenfalls stark limitiert. Nicht nur durch fehlende Zuschauereinnahmen (auch die erhöhten Ticketpreise werden nicht viel ausrichten), sondern auch durch mangelnde Vermarktungsmöglichkeiten. Einen Ausweg aus dieser Misere hat Reisinger, der als Verfechter der schwäbischen Hausfrauen-Politik gilt, bislang noch nicht aufgezeigt. Was es auch noch aufzuklären gilt: Wie verteidigt Reisinger die roten Zahlen in der abgelaufenen Regionalliga-Saison - und das ganz ohne Einmischung von Ismaik?

Geht’s bei 1860 um den Sport und die Wirtschaftlichkeit oder doch - wie viele vermuten - um reinen Stadion-Kult? Langsam sollte sich Geschäftsführer Michael Scharold endlich zum Wohl des Profisports beim TSV 1860 positionieren und Präsident Reisinger die Augen öffnen.