VON OLIVER GRISS

Irgendwie kann man Daniel Bierofka verstehen, dass er mit dem am Montag erlassenen Maulkorb seine Löwen schützen will. Da spielt seine Mannschaft in der ersten Hälfte aufgrund der besseren Taktik Rasenschach, führt verdient mit 2:0 gegen Nürnberg - und dann bringt ein “Eigenfehler” von Eric Weeger sowie eine höchst unglückliche Schiedsrichter-Entscheidung gegen Felix Weber seine Löwen aus der Bahn. Am Ende steht’s 2:2 - ein Punkt beim Tabellenzweiten. Rein vom Tabellenbild ein völlig normales Ergebnis - und doch hagelt es massiv Kritik. Von Rückschlag oder Auswärtsschwäche ist zu lesen.

Die Kritiker dürfen aber eines nicht vergessen: Wo Sechzig drauf steht, ist nicht mehr Sechzig drin - zieht man mal die Grünwalder-Folklore ab. Natürlich, unsere Löwen geben alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten und haben - wenn alle fit sind - auch den besten Kader der Liga, doch der Druck, der auf die Aktiven lastet, ist immens. Rekordverdächtige 14.000 (!) Auswärts-Löwen begleiteten die stark ersatzgeschwächte Mannschaft nach Nürnberg. Spieler wie Timo Gebhart, dessen Rückkehrzeitpunkt immer noch unklar ist, würde diese phänomenale Kulisse pushen. Doch es gibt auch ganz andere Typen in der Mannschaft, die wie die Jungfrau zum Kind in diese Verantwortung an der Grünwalder Straße gerutscht sind - und für die die Plattform 1860 absolutes Neuland ist. Natürlich stehen derzeit mit Sascha Mölders und Jan Mauersberger noch zwei alte Haudegen auf dem Platz - doch der Rest sind größtenteils Spieler aus der Regionalliga, die vorher entweder für die eigene U21 oder für kleinere Vereine als 1860 spielten. Und genau das ist der große Unterschied zur jetzigen Aufgabe. Die Bayern-Amateure, größter Gegner im Aufstiegskampf, haben keinen Druck. Ein paar wenige verlieren sich bei ihren Spielen, wie beim 2:0 über Eichstätt - in der Zahl: 365 Fans kamen ins Grünwalder Stadion.

Sechzig ist aber anders. Die Löwen spielen zwar jetzt nur noch in der Amateurliga, doch die Erwartungshaltung ist auch nach dem Zwangsabstieg geblieben. Damit muss sich Bierofka, der in der Winterpause gerne entscheidend nachgerüstet hätte, auseinandersetzen. Nach außen tritt der Kult-Löwe auf die Euphoriebremse, aber nicht, weil er keine Ziele hat, sondern um den Druck von seinen Spielern fernzuhalten. Deswegen ist die Entscheidung, sich jetzt zurückzuziehen, absolut richtig. Mit einem Boykott, wie es das ein oder andere Münchner Blatt für sich interpretierte, hat das Ganze freilich nichts zu tun.