VON OLIVER GRISS

Irgendwie bin ich ja vorbelastet, wenn ich über Wolfgang Schellenberg schreiben muss. Unsere Wege kreuzten sich früher bereits im Kindesalter auf höchster Ebene auf dem Fußballplatz: Er, der knallharte Wadlbeißer des SV Wacker Burghausen, ich, der Stürmer der FA Trostberg. Einmal hat Schellenberg zu mir im Spass gesagt: “Sag aber bitte bei 1860 keinem, wie unsere Duelle ausgegangen sind…” Natürlich nicht. Ehrenwort. Auch als Jugendtrainer waren wir Kontrahenten, deswegen habe ich den Weg von Schellenberg immer interessiert verfolgt.

Über seine Arbeitsleistung an der Grünwalder Strasse gibt es keine zwei Meinungen. Man kann nur den Hut ziehen. Schellenberg wurde als Jugendtrainer mit den Bender-Twins und Timo Gebhart nicht nur Deutscher Meister mit der B-Jugend des TSV 1860, sondern entdeckte auch zahlreiche Talente wie Julian Weigl, die später dem klammen Giesinger Klub Millionen brachten. Schellenberg ist zweifelsohne einer der besten Mitarbeiter, die jemals für die Löwen gearbeitet haben. Seine Lebensaufgabe war der TSV 1860, deswegen ist es umso trauriger, dass sich jetzt die Wege trennen. Der Schellenberg-Abschied ist beschlossene Sache und wird wohl heute vom Verein verkündet. Ein fester Nachfolger steht noch nicht fest, allerdings würde es einigen im Verein gefallen, wenn Dieter Märkle von den Stuttgarter Kickers käme (dieblaue24 berichtete exklusiv).

Schellenbergs Aus. Was für die einen nicht nachvollziehbar ist, ist für die anderen überfällig. Hinter den Kulissen brodelte es schon länger: Vor zwei Jahren gab’s zum ersten Mal Zoff, in dem auch der heutige Cheftrainer Daniel Bierofka keine unwichtige Rolle spielte. Schellenberg soll nicht damit einverstanden gewesen sein, dass Bierofka als U21-Trainer seinen eigenen Weg gehen wollte. Der Plan: Torsten Fröhling sollte Bierofka wieder ablösen - Markus Rejek und Oliver Kreuzer wollten den Schellenberg-Weg mitgehen. Hätte nicht der damalige Investoren-Vertreter Noor Basha im Auftrag von Hasan Ismaik sein Veto eingelegt, wäre Bierofka wohl längst Geschichte bei 1860. Zum Glück kam alles anders.

Auch bei vielen anderen Personalentscheidungen hatte Schellenberg nicht unbedingt immer ein glückliches Händchen: Vor allem die Besetzung der nicht unwichtigen U17-Cheftrainer-Stelle war meist ein Eigentor. Anstatt auf Charakterköpfe zu setzen, holte Schellenberg eher farblose Übungsleiter und Theoretiker an Bord. Zudem pflegte Schellenberg mit dem eher unbequemen Sepp Steinberger, der mit der U19 vor anderthalb Jahren ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft einzog, am Ende ein Nicht-Verhältnis. Und dass der 46-Jährige nach dem Zwangsabstieg gleich mehrere Jobs (Jugendboss, U21 und U19-Trainer) ausübte, war natürlich für das Gesamtkonstrukt auch eher kontraproduktiv. Als es eigentlich schon zu spät war, übergab Schellenberg den Trainerjob an Christian Wörns. Die U19 hat acht Punkte Rückstand auf Platz 1 - der Wiederaufstieg in die Bundesliga ist passe.

Unterm Strich bleibt trotzdem eine herausragende Zeit mit Schellenberg. Dass der gebürtige Burghauser sich nicht querstellt (was er aufgrund seines Betriebsrat-Status hätte machen können), zeigt seine überragende Loyalität zu den Löwen. Danke für alles.

Servus, Schelle!