VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS-FOTO)

Daniel Bierofka ist für den TSV 1860 ein Lotto-Sechser mit Zusatzzahl. Der 38-Jährige hat nach dem Jahrhundertabstieg im Sommer die Hoffnung an die Grünwalder Straße zurück gebracht. Sein großer Vorteil: Bierofka wird von allen Seiten akzeptiert. Der Ex-Nationalspieler hat db24 am Donnerstag in sein Trainerzimmer eingeladen. Das große Interview (über drei Seiten) mit dem Kult-Löwen:

db24: Herr Bierofka, wie fällt Ihr persönliches Fazit für das komplette Löwen-Jahr 2017 aus?

DANIEL BIEROFKA: Zwiegespalten - natürlich. Als Vitor Pereira kam, war ich nicht euphorisch, aber ich dachte schon, dass es mit ihm und den Verstärkungen in die richtige Richtung geht. Ich war am Anfang sehr überzeugt von dem Ganzen. Auch wenn es manche Leute nicht hören wollen: Vitor Pereira ist ein sehr guter Trainer, davon bin ich immer noch überzeugt. Aber es hat einfach nicht gepasst. Vielleicht war im Winter der Umbruch einfach zu groß. Es war nicht möglich, eine Mannschaft zu bilden - da kannst du als Trainer machen, was du willst. Man hat von Woche zu Woche mehr gemerkt, wie nah Pereira das alles an die Nieren gegangen ist. Ihm war der Verein nicht scheißegal. Im Gegenteil. Alles, was da passiert ist, hat weh getan. Das Schlimmste war die fehlende Identifikation der Spieler - das hat mich am meisten gestört. Und dann kam die Quittung: der Abstieg. Das war brutal.

Was ist dann passiert?

Ab dem Tag des Abstiegs war ich im Dauermodus, habe kaum geschlafen. Mit Wolfgang Schellenberg habe ich dann in kürzester Zeit eine Mannschaft zusammengestellt, u.a. mit Timo Gebhart. Dass auch Sascha Mölders und Jan Mauersberger verlängert haben, war natürlich auch gut. Damit hatten wir die Achse. Peu a peu haben wir dann weiter den Kader verstärkt. Wir hatten aber auch Glück, dass uns Daniel Wein zugeflogen ist. Später kamen noch Phillipp Steinhart und Markus Ziereis dazu - da kamen dann auch gute Umstände zusammen, dass wir eine gute Mannschaft zusammen bekommen haben. Wir können schon sehr zufrieden sein, nachdem was alles passiert ist in 2017. Wir stehen sieben Punkte vor Nürnberg, neun Punkte vor Ingolstadt und Bayern. Das kann sich schon alles sehen lassen. Hätte mir das einer vor Saisonbeginn gesagt, hätte ich sofort unterschrieben.

Und es könnte noch besser werden: Vor einigen Monaten hatten Sie gesagt, dass all Ihre Mannschaften in der Rückrunde zugelegt haben.

In der Vergangenheit war’s so, dass meine Mannschaften in der Rückrunde immer erfolgreicher wurden. Wenn ich die Mannschaft da hin bekomme, wo ich sie sehen will, werden wir eine gute Rolle spielen. Vom 4:1 in Memmingen bis zum 3:0 gegen Schalding waren das insgesamt 26 Spiele - das ist ein Pensum, wie es normalerweise nur der FC Bayern kennt. Aber wir spielen ein paar Klassen weiter drunter. Mir blieb überhaupt keine Zeit, richtig mit der Mannschaft zu arbeiten. Das wird 2018 anders, weil wir eine lange Vorbereitung haben.

Wann haben Sie gespürt: Ja, das ist eine Aufstiegsmannschaft?

Relativ früh. Als wir das 0:1 in Buchbach weggesteckt und viele Spiele in der Schlussphase entschieden haben, hatte ich das Gefühl: Ja, das ist Qualität! Die einen sagen, das ist Glück - die anderen sagen: Das ist Wille. Wir haben die Spiele gegen Rosenheim, Nürnberg und Schweinfurt in den letzten Minuten entschieden - das zeigt, dass die Mannschaft einen sehr guten Charakter hat. Die Mannschaft hat aber auch bewiesen, dass sie nach Rückschlägen - wie gegen Augsburg oder Bayern - wieder zurückkommen kann. Das hat mir imponiert. Wenn wir uns dann für die Aufstiegsspiele qualifizieren sollten, denke ich, dass es in diesen zwei Spielen sehr viel um Persönlichkeit und Charakter geht.