VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Das Lob kam von allen Seiten. Nicht nur Kosta Runjaic gratulierte Michael Liendl nach dem 1:0-Sieg über Bielefeld zu dessen guter Leistung in neuer Rolle als sogenannter Sechser und Ballverteiler, sondern auch Goldtorschütze Stefan Aigner: “Der Michi ist ein Superkicker, der Bälle spielt, die nicht jeder spielen kann.” Liendl ist an der Grünwalder Straße im Wechselbad der Gefühle: Vor einigen Wochen galt der 30-jährige Österreicher beim TSV 1860 noch als aussortiert, jetzt ist er wieder mittendrin im Geschehen. Seine Werte waren am Sonntag top: Mit 103 Ballkontakten hatte Liendl die meisten in seiner Mannschaft, zudem hatte er eine erfolgreiche Passquote von 84,5 Prozent. Dass Liendl so bewertet wird, freut ihn natürlich. Jedoch sagt er auch: “So ist Fußball. Einmal bist du der Gefeierte, beim nächsten Mal bist du der Depp.” Außerdem spricht Liendl (Vertrag bis 2017) über:

die besondere Erwartungshaltung in ihn: “Das ist schon extrem bei mir, auch wenn ich prinzipiell damit leben kann. Es geht halt nicht immer so, wie sich das jeder vorstellt. Ich glaube, dass ich gegen Bielefeld ein ganz ordentliches Spiel gemacht habe. Das erste halbe Jahr war für mich in München nicht einfach, ich war komplett ohne Familie hier. Wir haben Nachwuchs bekommen, ich konnte meine Frau nicht so richtig unterstützen. Prinzipiell kann ich mir nichts vorwerfen: Ich habe in der letzten Saison acht Assists gehabt, davon vier Tore. Ich glaube schon, dass ich einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass wir in der Liga geblieben sind. Die Wahrnehmung meiner Leistung ist nicht immer so, wie ich mir das vorstelle.”

seine neue Rolle als Sechser: “Ich habe diese Position zum ersten Mal in meiner Karriere gespielt. Ich kann mir das für die Zukunft vorstellen, weil ich ein Spieler bin, der gerne den Ball hat und im Geschehen sein will. Jetzt habe ich im Mittelfeld schon wirklich alles gespielt. Links. Rechts. In der Zentrale. Und nun auf der Sechs. Ich will eine gute Saison spielen.”

die Wechselgerüchte in den letzten Wochen: “Mir wäre in dieser ganzen Sache schon recht gewesen, wenn der Verein ein Statement abgegeben hätte. Dann hätte man schneller Ruhe gehabt und es wäre auch für einfacher gewesen. Das soll jetzt kein großer Vorwurf sein, aber man hätte es aber anders handhaben können. Aber das ist alles schon wieder Schnee von gestern. Oliver Kreuzer hatte mir nie mitgeteilt, dass er nicht mehr mit mir plant. Ich hatte das nur über meinen Berater erfahren. Die Vorgehensweise war komisch.”

den noch fehlenden Rhytmus im 1860-Spiel: “Man hat schon gemerkt, dass uns nach 70, 75 Minuten die Kraft ausgegangen ist. Da ist noch Luft nach oben. Vorbereitung ist schön und gut, wir haben auch sehr gut und sehr viel gearbeitet, aber wenn du Saison hast und in einem Stadion spielst, in dem es extrem warm ist, ist das eine ganz andere Belastung. Auch wir holen uns über die Spiele die Kraft. Jede Mannschaft muss sich - blenden wir mal Hannover aus - erst reinfinden. Nach vier, fünf Spieltagen kannst du sagen, wenn die Abläufe passen, wo du in der Tabelle hingehörst.”

den ersten Sieg im ersten Heimspiel: “Es war wichtig, dass wir das erste Heimspiel gewinnen. Jetzt können wir mit einem besseren Gefühl in die Saison gehen. Ich bin froh, dass in den nächsten Wochen keiner mehr nachfragt, wann endlich der erste Sieg kommt. Diese lästigen Fragen sind jetzt vom Tisch. Alleine deswegen sind wir alle glücklich.”

die Favoriten in der Liga: “Bis auf Hannover sehe ich keine Mannschaft, die an den ersten beiden Spieltagen herausgestochen ist. Was ich aber auch klar sagen muss: Wenn Lautern gegen Hannover das mögliche erste Tor macht, verliert auch Hannover vielleicht auch. Hannover ist offensiv bärenstark, aber in der Defensive haben sie ein Problem. Stuttgart ist natürlich gut, aber die müssen auch erstmal in der Zweiten Liga ankommen. Ich sehe die Liga relativ ausgeglichen: Du kannst gegen jede Mannschaft gewinnen, aber auch verlieren.”