VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Andersdenkende Menschen bei 1860? Die jüngere Vergangenheit lehrt: Das ist nicht immer gut ausgegangen – frag nach bei diversen Wegbegleitern der letzten Jahre. Und doch gibt es sie noch im Löwen-Kosmos: einer davon ist Martin Gräfer, Vorstand von Hauptsponsor „Die Bayerische“. Er gehört nicht zu denen, die reflexartig die „Giesinger alles-wunderbar-Taste“ drücken – verständlicherweise.

Im aktuellen tz-Interview gewährt Gräfer nun einen bemerkenswert offenen Einblick, wie es im Innenleben zwischen Hauptsponsor und Klubspitze aussieht. Ein Ruhmesblatt ist das wahrlich nicht.

Auf die Frage nach der Kontaktstärke zu Präsident Gernot Mang erklärt Gräfer: „Wir sehen uns regelmäßig zu den Spielen und darüber freue ich mich immer sehr. Allerdings ruht die regelmäßige Kommunikation, in der wir wichtige Themen besprechen, seit dem Wechsel in der Geschäftsführung. Mit Herrn Paula gab es bis auf ein kurzes Zusammentreffen bei einem Heimspiel keinen tiefergehenden Austausch.“ Erstaunlich – gerade angesichts der großen Herausforderungen an der Grünwalder Straße 114. Deshalb hat die Bayerische nun selbst gehandelt: „Wir haben die Initiative ergriffen und ihn offiziell eingeladen.“ Der Haüptsponsor-Vertrag mit der Bayerischen läuft noch bis Sommer 2027. Der Versicherer aus Neuperlach zahlt rund 1,1 Millionen Euro - für einen Drittliga-Klub eine stolze Summe.

Auch über das überraschende Aus von Ex-Geschäftsführer Dr. Christian Werner spricht Gräfer offen: „Wir waren völlig überrascht, weil wir mit Christian Werner einen engen und guten Austausch hatten – im Übrigen auch schon lange vor seiner Berufung als Geschäftsführer. Personalentscheidungen liegen selbstverständlich bei der Geschäftsführergesellschaft und damit bei den Gesellschaftern, das respektieren wir.“ Doch Gräfer ergänzt: „In vergleichbaren beruflichen Situationen habe ich die Erfahrung gesammelt, dass eine frühzeitige Einbindung wesentlicher Geschäftspartner sehr professionell wirkt.“ Die Beweggründe für Werners Abgang habe man auf Nachfrage erklärt bekommen; bewerten wolle man sie nicht. Trotzdem bleibt Gräfer optimistisch: „Ich habe das Vertrauen ins Präsidium, dass es richtigerweise keine Schnellschüsse plant. Ich habe die Hoffnung – und wir erwarten zugleich –, dass es ein strategischer Ansatz wird. Dann muss es nicht wahnsinnig schnell gehen.“

Was man wissen muss: 1860 operiert seit Ende August 2024 ohne Finanz-Geschäftsführer, nachdem Oliver Mueller fristlos gekündigt wurde – ein Manager, der zuvor gegen den Willen von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik per 50+1 installiert worden war. Angesichts der immensen Aufgaben der kommenden Monate, auch finanzieller Natur, wirkt dieses Vakuum zunehmend wie ein selbst geschaffenes Handicap.