Das db24-Interview mit Heiß zum 85. Geburtstag: "1860 ist eine Sucht - du kommst nicht mehr davon los"
- VON OLIVER GRISS , ULI WAGNER UND IMAGO (FOTO)
- 05.12.2025 07:15
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VON OLIVER GRISS , ULI WAGNER UND IMAGO (FOTO)
db24: Herr Heiß, alles Gute zu Ihrem Ehrentag: Wie ereignisreich war Ihr Leben, wenn sie zurückblicken?
Vielen Dank! Es ist schon erstaunlich, dass ich noch einigermaßen gut beinander bin mit meinen 85. Ein Freund hat unlängst zu mir gesagt: “Fredi, Du wirst 100!” Das kann ich mir nicht vorstellen, denn 72 Jahre meines Lebens habe ich mit 1860 zu tun (lacht). Tatsache ist, 1860 ist eine Sucht, du kommst nicht mehr davon los! Die schönste Zeit meines Lebens war tatsächlich die Zeit als Spieler. Das waren wunderbare Momente. Wir hatten eine tolle Kameradschaft, Freiheit und Erfolg. Geld hatten wir aber leider keines verdient. Trotzdem habe ich es geschafft, mir ein sorgenfreies Leben aufzubauen. Dafür bin ich sehr dankbar. Es gab leider andere Schicksale. Die Geschichte mit Peter Grosser ist nur eine von vielen.

db24: Wie oft denken Sie noch an die große Zeit der Löwen - und welchen Kollegen vermissen Sie am meisten?
Wenn ich heute am Sechzger Stadion vorbeifahre, kommen automatisch wieder die Erinnerungen hoch - und die Gedanken, dass wir nur noch zu viert sind: Der Radi, Hansi Reich, Bernd Patzke und ich. Und wenn ich ehrlich bin: Wilfried Kohlars vermisse ich am meisten. Er ist leider viel zu früh verstorben. Er war ein echter Freund und Ratgeber. Ich habe ihn lange betreut, bis er gestorben ist. Ich habe ihn in seinen letzten Monaten auch noch ein paar Mal mit ins Stadion genommen. Sein Tod ist mir sehr nahe gegangen. Damit wir uns aber richtig verstehen: Ich würde für jeden meiner Kameraden etwas tun, wenn er Hilfe bräuchte. Ich würde keinen im Stich lassen.

db24: Was macht Ihre Gesundheit?
Ich will nicht klagen: Ab und an spiele ich sogar noch Golf. Aber das ist alles nicht mehr so einfach, weil die Muskeln und Knochen schwächer werden. Aber wenn ich dann ein Tablettchen einwerfe, geht das schon für eine gewisse Zeit (lacht). Ich finde es großartig, dass ich so beinander bin, was vielen meiner Kameraden nicht vergönnt war. Und was mich am meisten freut, und mir Kraft gibt: Der jüngste Heiß ist acht Wochen alt, somit bin ich jetzt ganz offiziell Ur-Opa (lacht).

db24: Dann dürfte ja zu Ihrem Ehrentag richtig gefeiert werden?
Wir gehen heute in den Blauen Bock am Viktualienmarkt, feiern aber nur im Familienkreis. Am Montag geht’s dann weiter mit meinem Stammtisch beim Hochreiter am Viktualienmarkt. Am Dienstag ist dann das Bratwurst-Glöckl angesagt. Sie sehen: Es gibt einiges zu tun (lacht).
db24: Wie geht es eigentlich Löwen-Denkmal Petar Radenkovic, der seinen letzten München-Auftritt 2023 bei einer Veranstaltung von db24 im Kino am Sendlinger Tor hatte?
Stimmt! Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Der Radi ist jetzt über 90 - er will seine Ruhe. Er lebt ja bekanntlich in Belgrad. Er ist telefonisch sehr schlecht zu erreichen. Zu seinem Geburtstag habe ich ihn gar nicht erwischt, sondern ihm auf die Mailbox gesprochen. Ich weiß nicht, ob er sie abgehört hat. Schade, dass er nicht mehr nach München kommt, aber seine Tochter lebt ja auch nicht mehr hier…

db24: An Ihrem Herzensverein können Sie sich leider nicht erfreuen…
Ich will sportlichen Erfolg und eine Perspektive, sonst sehe ich Probleme auf uns zukommen. Finanzielle Probleme bin ich ja bei 1860 gewohnt… Mir ist vor allem eines wichtig: Dass 1860 irgendwie überlebt. Ich weiß, ich rede mir den Mund fusselig: Ohne Investor geht es nicht bei uns! Klarstellen will ich dabei auch: Ich bin kein Freund von Investoren, aber der Fußball ist eben nicht mehr 1970, sondern er hat sich in allen Bereichen entwickelt. Und wie mit Hasan Ismaik bei 1860 umgegangen worden ist, das gehört sich nicht. Wenn jemand Geld ausgibt, dann will er auch eine Gegenleistung. Natürlich hat auch er Fehler gemacht, aber er war nie für die Strategie, Ausrichtung und fußballerische Kompetenz im Verein verantwortlich. Dafür sind normalerweise andere zuständig. Das kommt immer viel zu kurz. 1860 selbst hat in all den Jahren auch nichts zustande gebracht. Jeder sollte sich die Frage stellen: Warum hat man überhaupt einen Investor gebraucht? Warum hat man mit Ismaiks Geld nichts gerissen? 50+1 hat bei 1860 keinen Erfolg gebracht, aber auch andersrum nicht, wenn man ehrlich zu sich ist. Was mich jetzt etwas positiv stimmt: Zuletzt habe ich keine Fahnen mehr in der Westkurve gesehen, die gegen Ismaik gerichtet waren. Aber das kommt reichlich spät.
db24: Wann klappt’s endlich mit dem ersehnten Aufstieg?
Auch in dieser Saison ist noch nichts entschieden. Es gibt keinen Überflieger in der Dritten Liga. Wenn eine gewisse Konstanz reinkommt und dafür ist der Trainer verantwortlich, ist noch alles möglich. Die Mannschaft hat aus meiner Sicht das Zeug dazu.
db24: Immerhin gehen Sie nach einer selbstverschriebenen Auszeit von über einem Jahr wieder selbst ins Stadion…
Ja, ich hatte dem alten Präsidium und dem Verwaltungsrat die Frage gestellt: Wie soll es ohne Ismaik funktionieren? Ich habe nie eine Antwort bekommen. Diese Mitgliederversammlung 2024 hat mich schockiert, vor allem der Umgang mit Hans Sitzberger im Vorfeld. So geht man nicht mit Menschen und Freunden des Vereins um. Dass ich jetzt wieder ins Stadion gehe, hängt damit zusammen, dass sich das neue Präsidium dem Dialog stellt. Das ist vernünftig. Ich finde, diese Leute sind viel zugänglicher und auch ansprechbar. Schlimm genug, dass wir so lange diesen Zustand hatten…

db24: Sie waren auch Teil der Löwen-Doku der ARD - sind Sie mit dem Endprodukt zufrieden?
Ich war ja bei der Kino-Präsentation: Die ersten beiden Teile waren furios. Das war wirklich toll gemacht, die ARD hat allein die Bilder sprechen lassen. Dabei sind viele Erinnerungen hochgekommen. Die restlichen drei Folgen habe ich mir dann daheim angesehen: Da waren Dinge dabei, die ich nicht mit 1860 verknüpfe. Die überwiegende Zeit war in Wirklichkeit anders! Und der fünfte und letzte Teil war sehr krass dargestellt - mit leider Gottes einem vereinspolitischen Teil, der 1860 nicht ausgewogen genug präsentiert. Das ist echt schade…
db24: Ein großes Thema ist bei 1860 weiter das Grünwalder Stadion: Das neue Präsidium hat sich gegen den Standort Riem entschieden und positioniert sich eindeutig fü Giesing…
Ich kann nur eines sagen: Du kannst eine Stadiondiskussion führen, wenn du eine erfolgreiche Mannschaft hast, die auch ein Stadion vollmachen kann. Und wenn 1860 sportlichen Erfolg hat, muss ich Ihnen nicht sagen, dass dieser Verein die Massen bewegen kann. Nicht 15.000, nicht 25.000 Fans, sondern deutlich mehr. Erst brauche ich eine Mannschaft, dann kann ich Forderungen stellen - und nicht andersrum. Das “Egal in welcher Liga” gilt nicht für alle - und das müssen alle verstehen.






