VON OLIVER GRISS

Wenn man den Fußball schon ein wenig länger verfolgt, dann hat sich der ein oder andere Beobachter im Presseraum an der Grünwalder Straße 114 verwundert die Augen gerieben, als Markus Kauczinski am Freitagnachmittag durch die Tür kam. Früher ein Pfundskerl, eine Erscheinung – doch der Mann, der nun im Trainingsanzug mit den Initialen „MK“ vor die Presse trat, hatte nur noch wenig mit dem Markus Kauczinski zu tun, der in den Foto-Datenbanken gespeichert ist.

Gefühlt hat der neue Löwen-Trainer seit seinem Aus beim SV Wehen Wiesbaden vor anderthalb Jahren zwei Kleidergrößen verloren. Eine Riesenleistung – vor allem im fortgeschrittenen Alter. Als wollte er sagen: Mit eiserner Disziplin und starkem Willen ist alles möglich. Vielleicht auch ein Wink an seine künftigen Spieler? „Wer liefert, spielt“, sagt er. Hoffentlich bleibt es nicht bei Worthülsen – sondern wird gelebte Wahrheit.

Denn zuletzt hatte man rund um Giesing das Gefühl, dass Trainer und Spieler zu wenig für den maximalen Erfolg taten: viele freie Tage, überschaubares Pensum auf dem Platz. Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt – nach dem Ende der Wiesn – die Ruhe einkehrt, die es braucht, um wieder zu arbeiten statt zu feiern. Die Vergangenheit zeigt: Mit Siegen können sie an der Grünwalder Straße nicht immer umgehen.

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Fakt ist: Dieser Kader ist überdurchschnittlich gut für die Dritte Liga – egal ob ein Box-to-Box-Spieler fehlt oder nicht. Es ist der stärkste Kader seit dem Aufstieg 2018. Und Kauczinski liegt richtig, wenn er sagt: Exzellente Einzelspieler machen noch lange keine gute Mannschaft. Genau das aber wäre in den letzten Monaten die Aufgabe des Trainers gewesen – und auch deshalb wurde Patrick Glöckner frühzeitig ausgetauscht. 1860 trat auf der Stelle.

Kauczinski, gebürtiger Gelsenkirchner, steht für Malochertum statt Glanz & Gloria. Der 55-Jährige ist bereits der zehnte Trainer in den letzten acht Jahren – Kontinuität können die Löwen einfach nicht. Doch auch wenn die Trainersuche diesmal viel zu lange gedauert hat: Es hätte schlechtere Varianten geben können. Kauczinski weiß, wie Aufstieg funktioniert – und wie man eine Mannschaft erreicht.

Alles in allem ist Markus Kauczinski eine reife Lösung für Sechzig. Es gab schon einmal einen aus dem Pott, der 1860 verstanden hat: Der im Frühjahr verstorbene Kult-Trainer Werner Lorant.

Die spannende Frage ist: Wie viel Lorant steckt in Markus Kauczinski?

Oliver Griss (54) schreibt seit 1989 über den TSV 1860. Er arbeitete zu erfolgreichen Bundesliga-Zeiten u.a. 12 Jahre für die Münchner Abendzeitung. Seit dem 11. Juni 2011 ist er mit db24 online.