Posse immer skurriler: War eine Genfer Briefkasten-Firma der 1860-Käufer?
- VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)
- 23.07.2025 10:08
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VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)
Aber der Reihe nach: Am Montag telefonierte db24 exklusiv mit dem vermeintlichen Käufer Matthias “Matt” Thoma rund 25 Minuten - dabei erzählte der 57-jährige Wahl-Schweizer Erstaunliches: “Ich wäre nicht der Käufer gewesen, sondern habe nur für den vorgesehenen Käufer gesprochen.” Glaubt man der Version von Thoma, würde dies heißen: Er war nur der Vermittler. Bestätigt hat Thoma auch, dass er nie mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik direkt in Kontakt war: “Ich habe nie mit Herrn Ismaik selbst gesprochen, das war für mich von Anfang an sehr seltsam. Es gab nur Kontakt zu seinen Juristen.” Thoma selbst bedauerte zudem, dass die Pressemitteilung des Klubs mit der Investoren-Rotation vor der Transaktion und vor allem unmittelbar vor der Mitgliederversammlung publiziert worden ist. Wer hatte dadurch einen Vorteil? Warum hat man einfach nicht noch einige Tage gewartet, bis der Deal tatsächlich in trockenen Tüchern ist?
Die Löwen geben in diesen Tagen Stoff für einen echten Netflix-Hit - so viel steht fest. Eine heiße Spur führt laut den Recherchen der “Süddeutschen Zeitung” nach Genf in der Schweiz, in den Ort, in dem sich die deutsche Nationalmannschaft 2006 auf das Sommermärchen vorbereitet hat.
Das Blatt hat offenbar herausbekommen, wer der neue Käufer hätte sein sollen - und zwar die „Helvetic Corporate Finance SA“. Die hat einen Briefkasten im Foyer der Rue Le-Corbusier 12 im Genfer Stadtteil La Florence. „Swissmailbox“ bietet dort seinen Kunden eine postalische Adresse in der Schweiz an. Für 59,99 Euro im Monat. Die “Süddeutsche Zeitung” hat dabei herausgefunden, dass die einzige Managerin oder „alleinige Verwaltungsrätin mit Einzelunterschrift“ eine Britin ist. Die heißt Megan Susannah Marie Heath. Gefunden wurden diese Informationen im Schweizer Zentralen Firmenindex.
Der potentielle Käufer der Ismaik-Anteile (vereinbarter Kaufpreis rund 50 Millionen Euro) soll eben diese „Helvetic Corporate Finance SA“ sein. Sie hieß nach ihrer Gründung „Eatzer“ und war ein Startup, das Essenslieferdienst und Hausmeisterservice betrieb. Wenige Monate später, im Jahr 2018, wurde „Eatzer“ in die jetzige Firmenbezeichnung umbenannt. Der Firmenzweck änderte sich in „Erbringung von Dienstleistungen im Handels- und Finanzbereich, Beratung bei Unternehmensverkäufen und -übernahmen, Unterstützung bei der Finanzierung von Unternehmen, Verwaltung von Beteiligungen.“ Die Firma wechselte in der Folge mehrmals die Adressen und 2023 das Management.
Die “SZ” schreibt: “Bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags Anfang Juli bei einem Notar in Frankfurt am Main waren allerdings weder Thoma noch Heath erschienen, sondern lediglich ein Anwalt, der sie vertrat. Die Ismaik-Seite wurde ebenfalls nur durch einen Anwalt vertreten. Im Raum saßen also ausschließlich Juristen sowie für das ehemalige 1860-Präsidium Robert Reisinger und Karl-Christian Bay, um das Vorkaufsrecht abzutreten. Und auf dem Tisch lag ein Haufen Vollmachten.” Vollmachten, die nach dem abrupten Ismaik-Stopp des geplanten Käufer-Wechsels Geschichte sind. Einen für die vergangene Woche vereinbarten Notartermin hat Ismaik, der nächste Woche in München erwartet wird, nach db24-Informationen platzen lassen.
Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Am 5. Juli, wenige Stunden vor der Mitgliederversammlung, soll Hasan ismaik noch sein Veto gegen die geplante Pressemittielung zum Anteilsverkauf eingelegt haben - glaubhaft, zumal er noch kurz zuvor auf seinem Facebook-Kanal die Fanwelt-Eröffnung bei “GALERIA” gefeiert hatte. Doch laut einem Bericht der “Süddeutschen Zeitung” sollen ausgerechnet Ismaiks rechtliche Vertreter gleichzeitig Matthias Thoma gebeten haben, genau jene ominöse Mitteilung freizugeben. Wer sagt hier die Wahrheit?
Brisant: Die e.V.-Seite soll dem ganzen Geschäft mit der Abtretung des Vorkaufsrechts offenbar zugestimmt haben - ohne die gesamte Konstruktion und Seriosität des Deals tiefgreifend zu hinterfragen. Wo war da die Kontrolle im Verein? Wollte man dem scheidenden Präsidenten Robert Reisinger einen letzten Gefallen tun?
Fakt ist: Reisinger wurde bei der Versammlung im Zenith entlastet - und mit ihm möglicherweise auch die Verantwortlichen für die mutmaßlich kostspielige Trennung von Geschäftsführer Oliver Mueller. Ist das Thema Haftung damit vom Tisch?
Klar ist: Der geplatzte Anteilsverkauf wird die Löwen noch länger beschäftigen - und unangenehme Fragen aufwerfen.