VON OLIVER GRISS

Vielleicht war's ganz gut, dass Uli Hoeneß an diesem galaktischen Samstagabend auf der Ehrentribüne der Allianz Arena eine getönte Brille trug: So sah er das Zelebrierte der Pariser Machtdemonstration beim 5:0-Triumph über Inter Mailand auf dem Rasen möglicherweise nur in gedämpfter Version. Und doch durfte selbst der mächtige Bayern-Patron erkannt haben: Das war, um im "Mia-san-mia"-Duktus zu bleiben, feinster Käfer-Fußball. Feinkost pur. Einzigartig, flüssig, geschmackvoll und innovativ. Eben Fußball von einem anderen Stern. Die Königlichen von Real Madrid - das war gestern. Und der Gegner der Pariser hieß nicht Heidenheim oder Sturm Graz, sondern Inter Mailand. Jener Gegner, der den den deutschen Abo-Meister FC Bayern im Viertelfinale vorgeführt hatte. Die Pariser haben den Kontrahenten aus der Serie A in alle Einzelteile zerlegt. Dieses Finale hätte auch locker-flocki 9:1 ausgehen können.

Paris St. Germain ist das neue Vorzeigemodell im europäischen Klubfußball, das mit Hilfe der Katar-Millionen jetzt auf dem Olymp feiert. Präsident Nasser al-Khelaifi, dessen durchgestrichenes Gesicht an vielen Autobahnbrücken rund um der Allianz Arena angebracht war und typisch Deutsch die Abneigung gegen das Kapital zeigen soll, ist am Ziel seiner Träume.

Für die Romantiker unter uns mag das vielleicht ein Stich ins Herz gewesen sein, dass ausgerechnet Paris die Champions League gewinnt, weil eben Geld doch Tore schießt. Was der Triumph aber auch unterstreicht: Nicht Namen gewinnen immer Titel, sondern die Mannschaft. Vor diesem historischen Tag in Fröttmaning, hatten es die Franzosen lange Zeit mit eitlen Topstars probiert: Kylian Mbappe, Lionel Messi, Neymar, Edinson Cavani oder Zlatan Ibrahimovic.

Logisch: Die Sieger-Mannschaft der Pariser ist immer noch teuer. Allein die Neuzugänge in dieser Saison, Khvicha Kvaratskhelia (70 Millionen Euro), Joao Neves (knapp 60 Millionen), Désiré Doué (50 Millionen), Willian Pacho (40 Millionen) und Ersatztorwart Matvey Safonov (20 Millionen) haben zusammen rund 240 Millionen Euro gekostet. Der Unterschied zu damals: Mit Luis Enrique hat der frischgebackene Champions League-Sieger einen Trainer, der neben Teamspirit, Technik auf das Kollektiv setzt. Ergo: Weniger Ego, mehr Gemeinschaft. Mehr Erfolg für den Klub. Nachdem ich mich 2011 dem Projekt db24 unterworfen habe, sehe ich kaum noch Spiele live auf internationalem Niveau. Es gab aber eine Ausnahme: Den Pariser 3:0-Erfolg in der Champions League-Vorrunde in Salzburg verfolgte ich live in der Mozartstadt. PSG war richtig gut, aber dass dieser Klub ein paar Monate später den Henkelpott holt, war damals nicht abzusehen. Übrigens: Die Pariser Fanszene, die sich lange Zeit uneins über den Investoren-Einstieg war, hat sich in den letzten Monaten geeint. Nicht die Politik ist nun das Thema, sondern einzig und allein die Begeisterung für den Sport. Ein Vorbild für Sechzig?

Trotz dieser eingesetzten Irrsinns-Summen gönne ich Paris diesen Titel, denn der Fußball hat sich verändert - und genau deswegen war das erst der Anfang. Die Zeit und die Erinnerungen kann man leider nicht mehr zurückdrehen - und das wird die Bundesliga in den nächsten Jahr noch mehr spüren als in der abgelaufenen Saison. Dass mit Florian Wirtz einer der besten Spieler Deutschlands von Bayer Leverkusen nicht zum FC Bayern, sondern zum FC Liverpool wechselt, ist ein weiteres Signal. Die Bundesliga mag zwar für Romantiker attraktiv sein, nicht aber für die, die echten Spitzensport sehen wollen.