Der Wendepunkt am alten Bökelberg
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 22.05.2025 09:36
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Torben Hoffmann, heute Reporter bei Sky Sport, erzielte bei der Abrissparty am alten Bökelberg per Elfmeter das 1:0. Doch selbst wenn die Löwen dieses Ergebnis über die Zeit gebracht hätten, wären sie abgestiegen. Zu schlecht war das Punktekonto. Nach dem Schlusspfiff entlud sich die Enttäuschung. Rodrigo Costa, der Brasilianer im Team, konnte seine Emotionen nicht zurückhalten. Der damalige Zeugwart Wolfgang Fendt stürzte in der Kabine, verletzte sich. Sinnbildlich für die Ohnmacht im gesamten Verein. Dabei hätte die Mannschaft locker das Zeug gehabt hätte, ins elfte Jahr Bundesliga in Folge zu gehen. Die Löwen verfügten über eine ausgewogene Mischung aus Erfahrung und Jugend: Auf der einen Seite Spieler wie Rodrigo Costa, Torben Hoffmann, Harald Cerny, Roman Tyce, Danny Schwarz oder Markus Schroth - auf der anderen Perspektive ohne Ende mit Benny Lauth, Martin Stranzl, Matthias Lehmann, Remo Meyer oder Daniel Baier, die später in anderen Klubs Karriere gemacht haben.
Doch die Querelen im eigenen Verein waren neben den zahlreichen verletzten Topspielern (u.a. Lauth und Weißenberger) ein Beschleuniger für die Talfahrt. Mit der Verhaftung von Präsident Karl-Heinz Wildmoser im Zuge des Schmiergeld-Skandals um die Allianz Arena im März 2004 und dem wenige Tage später erfolgten Rücktritt des Ober-Löwen, fehlte der Chef und Taktgeber. Mit 26 Punkten und Platz 14 hatte sich Wildmoser verabschiedet - nach ihm holten die Löwen aus den letzten zehn Spielen nur noch sechs Punkte. “Ich hätte Falko Götz rausgeworfen und Jörg Berger geholt - aber Karl Auer wechselte viel zu spät den Trainer und holte Gerald Vanenburg - ein Fehler”, erklärte Wildmoser zu Lebzeiten.
Was folgte, war ein Machtvakuum, das niemand wirklich ausfüllen konnte. Die, die fortan den Wildmoser spielen wollten, waren mit der Situation an der Grünwalder Straße 114 heillos überfordert - und das zieht sich bis heute durch. Keiner konnte ihm bis das Wasser reichen, wenn´s um Durchsetzungsfähigkeit, Leidenschaft und Netzwerk geht. Dass der Löwen-Abstieg genau in die Zeit gefallen ist, als Wildmoser die Löwen mit der Allianz Arena auf eine neue Ebene heben wollte, ist natürlich tragisch. Dieses Projekt als “größenwahnsinnig” abzukanzeln, zeigt bis heute, dass viele das Fußball-Business nicht verstanden haben. Fußball ist nicht nur Herzblut, sondern in erster Linie auch Geschäft. Erst wenn dieses Verständnis endlich in die Gremien einzieht, kann 1860 nachhaltig wieder erfolgreich werden. Zum Vergleich: Wer redet heute in Mönchengladbach noch vom alten, freilich legendären Bökelberg? Der designierte neue Löwen-Boss Gernot Mang hat ab Juli eine einmalige Chance, sich fernab ideologischer Grabenkämpfe zu behaupten und dem Klub den Stolz zurückzubringen.
Oliver Griss (53) begleitet die Löwen journalistisch seit 1989. Seit 2011 betreibt er das Fußball-Portal dieblaue24.