VON OLIVER GRISS

Der 15. Mai 2004, Olympiastadion München - das Heimspiel gegen Hertha BSC. Der Rahmen war ausgezeichnet. Die Dramatik war kaum zu überbieten. Fast 50.000 Fans waren in die Kultstätte am Oberwiesenfeld gekommen, auch weil wir in der Redaktion der Abendzeitung damals im Vorfeld der Partie ordentlich getrommelt hatten und weil ich dem damaligen Hauptsponsor Ernst Prost (Liqui Moly) dazu brachte, dass er 10.000 Tickets für die AZ-Leser zur Verfügung stellt. Prost war ein ganz besonderer Löwen-Freund - die Betonung liegt auf "war". Wir hatten seinerzeit die "Rettet die Löwen"-Aktion ins Leben ausgerufen - mit zahlreichen Helden alter Tage in einem Zirkuszelt in der Arnulfstraße: Der große Radi war gekommen, aber auch viele seiner Mitstreiter wie Fredi Heiß, Bernd Patzke, Wilfried Kohlars, Peter Grosser oder der unvergessene Manni Wagner. Und auch der damalige OB Christian Ude ließ sich diesen Termin freilich nicht entgehen.

Das Motto: Münchens große Liebe darf nicht sterben! Rettet die Löwen!

Doch es kam anders. Es lief die Schlussphase an diesem lauen Samstagnachmittag: Nachdem der Brasilianer Rodrigo Costa die Löwen zunächst mit 1:0 gegen die alte Dame nach vorne gebracht hatte, traf Alexander Madlung in der 82. Minute zum Ausgleich. Doch die Sechziger bekamen noch eine allerletzte Chance: Arne Friedrich foulte den Österreicher Martin Stranzl - Elfmeter in der 89. Minute. Was passierte? Keiner der etablierten Spieler schnappte sich den Ball und wollte Verantwortung übernehmen, sondern der erst kurz zuvor eingewechselte Francis Kioyo traute sich. Und dann passierte das, was viele Fans auf der Tribüne ahnten: Der bullige Angreifer schoß deutlich am Tor vorbei. Statt den Nichtabstieg offen zu halten, rutschte 1860 auf Platz 17 ab und Hertha war gerettet.

Welches Verlagshaus lesen sie für die 1860-Berichterstattung am liebsten?

Umfrage endete am 28.05.2024 20:00 Uhr
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Aber was noch viel schwerer im nachhinein wog: Wie sich erst Wochen später herausstellte (1860 war gerade in Sterzing im Trainingslager), war Herthas Nationalspieler Marco Rehmer in diesem Spiel “gedopt”. Beim Abwehrspieler wurde die Substanz Betamethason nachgewiesen. Rehmer hatte damit gegen die Anti-Doping-Richtlinien verstoßen. Er wurde vom DFB für sechs Spiele gesperrt und Hertha brummte seinem Profi eine Strafe von 320.000 Euro auf. Und die Löwen? Waren unter der Führung von Präsident Karl Auer zu schwach, um den 19. Startplatz in der Bundesliga zu erwirken - trotz eines klaren Regel-Verstoßes von Hertha BSC. Damals sagte der Metzger aus Holzkirchen, der auf Kult-Präsident Karl-Heinz Wildmoser folgte: “Was soll ich gegen die DFL klagen? Das Ganze zurückdrehen geht sowieso nicht mehr.”

Auch so ein trauriges Kapitel in der leidvollen Historie der Löwen.