VON OLIVER GRISS

Ich habe zwei Fußballvereine, für die mein Herz schlägt: Klar, Sechzig München - und Austria Salzburg. Salzburg, wie das? Ja, die Austria! Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ich in meiner Kindheit im

Grenzgebiet wohnte und mit 16 Jahren auch das Interesse dieses Klubs geweckt hatte: Bei einem Sommer-Turnier 1987 oder 1988 durfte ich das violette Trikot als Gastspieler tragen. Seitdem fand ich die Austria einfach cool. Später saß ich oft im alten Stadion Lehen als Reporter auf der Tribüne, als der nahbare Präsident und Spediteur Rudi Quehenberger die Geschicke des Vereins lenkte und der legendäre Otto “Maximale” Baric den Klub 1994 bis ins Europapokal-Finale gegen Inter Mailand führte. Ich habe auch noch ein unterschriebenes Salzburg-Trikot aus den späten 90er Jahren (mit Edi Glieder) in meinem Schrank - gewonnen bei einem Geschwindigkeitsschuß-Wettbewerb auf der Terrasse des Europarks. Und wer Salzburg besser kennt, kann nur bestätigen: Diese Stadt muss man einfach lieben - und das nicht nur wegen Mozart. Interessant aus meiner privaten Fußball-Perspektive: Christian Schaider, mein ehemaliger Mitspieler beim ESV Freilassing, ist seit Jahren bei der Salzburger Austria als Trainer tätig. Deswegen richtet sich mein Blick immer wieder über die Landesgrenze.

Warum schreibe ich ausgerechnet jetzt darüber? Weil Regionalliga West-Tabellenführer Austria Salzburg heute im Stadtduell im ÖFB-Cup auf seinen “Totengräber” Red Bull Salzburg trifft. Totengräber? Das behaupten zumindest die Austria-Fans, die auch von einer feindlichen Übernahme vom Konzern aus Fuschl sprechen.

Aber zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass die Violetten 2005 finanziell schwer angeschlagen waren und überschuldet am Boden lagen. Der heutige Serienmeister Red Bull schluckte damals die “alte” Austria. Die Farben und das Logo wurden eliminiert - und als Krönung wurde sogar das Gründungsjahr 1933 gestrichen und durch 2005 ersetzt. Auch die Löwen waren in dieser Zeit ein Kandidat des inzwischen verstorbenen Brause-Milliardärs Didi Mateschitz, um dem FC Bayern Paroli in der Stadt München zu bieten. Der Plan scheiterte.

2024 wird der Verwaltungsrat des TSV 1860 neu gewählt: Gehen Sie dann zur MV, um zu wählen?

Umfrage endete am 10.10.2023 20:00 Uhr
Nein, ich bin kein Mitglied!
49% (1033)
Ja, dieses Mal sicher: 1860 braucht eine Neubesetzung in diesem Gremium!
25% (539)
Nein, das tue ich mir nicht an!
16% (350)
Ja, und ich werde Walch, Seeböck & Co. wieder wählen.
10% (205)

Teilnehmer: 2127

In Salzburg brachte dieser Radikalschnitt das Fass bei den Austria-Fans zum Überlaufen: Sie gründeten den SV Austria Salzburg neu und starteten einen Neuanfang in der 7. Liga. 2015 kehrten die Violetten in die Zweite Liga zurück, mussten den Profifußball wegen finanzieller Probleme aber wieder verlassen. Auch weil der Klub weiterhin kein eigenes Stadion besitzt, gibt’s immer Probleme mit der Stadt. Heute wird das Duell im benachbarten Grödig ausgetragen - vor 4100 Fans. 30.000 Tickets hätten die Salzburger Amateure verkaufen und einen Reibach machen können. Ein Tausch des Heimrechts war aber aus “ideologischen Gründen” kein Thema. Früher hatte die Austria immer vor über 10.000 Fans im Stadion Lehen gespielt. Es waren Fußball-Feste. Die Kultstätte wurde 2006 abgerissen. Heute spielt die Austria in einem Mini-Stadion - der Zuschauerschnitt liegt bei 1.317 Anhängern pro Spiel. Der Fußballplatz ist nach dem Freilassinger Milliardär Max Aicher benannt, der die Austria finanziell etwas unter die Arme greift.

Es gibt viele Parallelen zwischen 1860 und Salzburg - irgendwie sind die beiden Traditionsvereine sogar Brüder im Geiste: Kein Geld, kein eigenes Stadion,immer Theater - dafür fantastische Fans. Aber reicht das aus, um sich professionell aufzustellen? Beide Klubs sind nur noch ein Schatten ihrer eigenen Geschichte. Wenn 1860 so weitermacht wie aktuell und sich weiter verzwergt, wird am Ende nicht mehr viel von der Tradition und Wucht dieses einzigartigen Klubs übrig bleiben.

Die Austria wird aufgrund ihrer Vergangenheit immer meinen Respekt haben, aber Red Bull Salzburg ist längst zu einem Vorbild für viele Vereine in Europa geworden - und das nicht nur bei den Themen Scouting und Erwirtschaften von Transfererlösen.