VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTOS)

Kevin Volland, Julian Weigl, die Bender-Zwillinge und viele mehr…

Die Liste an gestandenen Profis, die den Weg aus dem Nachwuchs des TSV 1860 in die große weite Fußball-Welt geschafft haben, ist lang. In der kommenden Saison spielen durch den Bundesliga-Aufstieg der U19 erstmals seit dem Zwangsabstieg der Profi-Mannschaft in die Regionalliga 2017 sowohl die B- als auch die A-Jugend der Löwen wieder in der höchstmöglichen Spielklasse.

Doch der Sprung von der Jugend in den Seniorenbereich gestaltet sich häufig als schwierig. Die körperliche Härte sowie das Tempo in der Dritten Liga bereiten vielen Spielern, die aus der Jugend kommen, Schwierigkeiten. Als Bindeglied zwischen dem Junioren- und Seniorenbereich gibt es bei 1860 deshalb die U21. Auch sie wurde durch den sportlichen Super-Gau 2017 von der Regionalliga in die Bayernliga gespült. Die Platzierungen seitdem: Rang 14, Rang 10, Rang 7, Rang 7.

Seit 2019 trainiert Frank Schmöller die Löwen-U21. Der gebürtige Hamburger - 29 Bundesliga-Einsätze für den HSV - übernahm das Amt von Sebastian Lubojanski. Zuvor führte der 55-Jährige den SV Pullach 2017 zur Bayernliga-Meisterschaft (mit Löwen-Legende Michael Hofmann im Kasten), landete mit dem SVP zudem dreimal auf den zweiten Rang in der fünfthöchsten Spielklasse. Heute (14 Uhr) startet Schmöller in seine dritte Saison - die Spielzeit 2019/2021 zog sich wegen der Corona-Pandemie über zwei Jahre - mit den Junglöwen. Gegner im Ausweichquartier in Gilching wird dann der SV Kirchanschöring sein. Im großen db24-Interview spricht der erfahrene Coach über die Zielsetzung für die kommende Saison, sein Verhältnis zu Michael Köllner und warum ihm selbst die ganz große Spielerkarriere verwehrt blieb.

db24: Herr Schmöller, das Warten hat ein Ende. Heute starten Sie mit Ihrer Mannschaft in die Bayernliga-Saison gegen den SV Kirchanschöring. Wie weit ist Ihr Team nach dem großen Umbruch im Sommer?

FRANK SCHMÖLLER: Die Jungs haben gut mitgezogen, die Testspiele haben mir gefallen (unter anderem 2:0-Sieg gegen Regionalligist SV Heimstetten; d. Red.). Es ging uns vor allem darum, die vielen Spieler aus der eigenen A-Jugend schnell an den Seniorenbereich zu gewöhnen. Dabei hat U19-Coach Jonas Schittenhelm gute Vorarbeit geleistet, in dem er vergangene Saison bereits häufiger gegen Herrenteams spielen hat lassen.
 
db24: Sie gehen bereits in Ihr viertes Jahr bei 1860…

…rekordverdächtig, oder (lacht)? Nein, im Ernst: Ich fühle mich bei Sechzig und in der Bayernliga extrem wohl. Der Verein hat eine unglaublich große Strahlkraft.

db24: In Ihren ersten beiden Spielzeiten landeten Sie jeweils auf Rang sieben. Wohin soll die Reise dieses Mal gehen?

Das Ziel war immer, im vorderen Bereich mitzumischen, das haben wir geschafft. Nun gilt es natürlich, sich im Vergleich zum Vorjahr zu verbessern, was den Tabellenplatz betrifft. Es ist ganz einfach: Steigt die Qualität im Profikader, steigt sie bei uns auch.

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db24: Als Spieler kamen Sie für den HSV in der Bundesliga zum Einsatz - als Trainer war die Bayernliga bislang das Höchste der Gefühle. Keine Ambitionen, in einer höheren Spielklasse zu trainieren?

Ich durfte ja bereits bei super Vereinen auf tollem Niveau arbeiten und habe hier beim TSV 1860 München eine interessante Aufgabe und die Herausforderung, junge Spieler über die U 21 an den Herren- und Profifußball heranzuführen. 

db24: Sollte der Profimannschaft die Rückkehr in die Zweite Liga gelingen, könnten Sie auch mit der Löwen-U21 in die Regionalliga aufsteigen.

Das haben wir absolut auf dem Radar. Je näher die Profis der Zweiten Liga kommen, desto näher möchten wir natürlich auch der Regionalliga kommen. 

db24: Im Verein tut sich etwas. Neben der U17 wird auch die U19 in der kommenden Saison in der Bundesliga auflaufen. Wie beobachten Sie diese positive Entwicklung?

Dieser Aufstieg ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, war für das Nachwuchsleistungszentrum unfassbar wichtig. Spieler, die jede Woche auf Bundesliga-Niveau spielen - sei es in der U17 oder U19 - bringen einfach eine ganz andere Qualität mit. Außerdem ist der Verein dadurch für externe Talente wieder deutlich interessanter geworden.

db24: Einziger Nachteil aus Ihrer Sicht: Sie werden mit Ihrem Team in der kommenden Saison für die Heimspiele nach Gilching ausweichen müssen, da auf dem vereinseigenen Gelände kein Platz mehr ist…

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass uns das egal ist. Giesing ist unsere Heimat, hier fühlen wir uns am wohlsten. Aber der Fünferplatz wird nun mal für die U17- und U19-Bundesliga benötigt, und diese verbandsrechtliche Vorgabe hat da selbsterklärend Vorrang. 

db24: Einige Ihrer Spieler - unter anderem Devin Sür und Michael Glück - absolvierten die bisherige Vorbereitung bei den Profis. Ist schon klar, wie es mit ihnen in den nächsten Monaten weitergeht?

Sie werden die restliche Vorbereitung bei den Profis bleiben, danach sehen wir weiter. Prinzipiell traue ich ihnen allen den Sprung zu den Profis zu.

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db24: Wie sieht der Austausch zwischen Ihnen und Michael Köllner aus?

Wir kommunizieren mehrfach wöchentlich. Er gibt mir Bescheid, mit welchen Jungs ich planen kann. Mal telefonieren wir, oftmals geht das aber auch ganz unproblematisch über WhatsApp. Wir haben ein gutes Verhältnis.

db24: Kevin Goden, der noch auf der Suche nach einem neuen Verein ist, hat Köllner dauerhaft in die U21 geschickt. Wie erleben Sie ihn?

Absolut positiv. Kevin gibt in jedem Training, in jedem Spiel 100 Prozent, war schnell integriert. Er versucht noch bis zum 31. August einen neuen Verein zu finden, will höherklassig Fußball spielen, das verstehe ich.

db24: Aus Trainer-Sicht dürften Sie nicht traurig sein, wenn er Ihnen erhalten bleibt?

Da sage ich natürlich nicht nein (lacht). Ich würde es Kevin allerdings auch gönnen, wenn sein Wunsch noch in Erfüllung geht. 

db24: Im Gegensatz zu Goden hat Leandro Morgalla (17) definitiv eine Zukunft bei 1860. Zweimal lief er unter Ihnen in der U21 auf, wie bewerten Sie ihn?

Ich stand staunend am Seitenrand. Mit welcher Selbstverständlichkeit er Zweikämpfe gegen erfahrene Bayernliga-Spieler oder dann auch bei den Profis in der Dritten Liga gewonnen hat, war schon faszinierend.

db24: In der vergangenen Saison hatte man häufig den Eindruck, dass Ihre Mannschaft ohne die Unterstützung von oben besser performte. Ist da was dran?

Man kann den Jungs aus der Profi-Mannschaft da keinen Vorwurf machen. Wir üben die ganze Woche über den Matchplan ein, der für sie dann am Spieltag neu ist. Wichtig ist aber, dass sie bei uns Spielpraxis erhalten.

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db24: In Ihrem Job bei Sechzig sollen Sie Talente auf die große Karriere vorbereiten. Ihnen selbst blieb diese nach Ihrem Senkrechtstart beim Hamburger SV allerdings verwehrt. Woran hat es gelegen?

Ich habe beim HSV in meinem ersten Jahr 28 Bundesligaspiele machen dürfen, alles lief super. Ob mir das im Nachhinein so gut getan hat, sei dahingestellt.

db24: Wie meinen Sie das?

Rückblickend ging es zu schnell. Ich hatte damals keinen Berater, habe nicht mehr so viel getan wie nötig gewesen wäre, gesunde Ernährung war auch nie mein Steckenpferd. Ich hätte jemanden gebraucht, der mir auch mal eine Ansage macht. Deswegen achte ich heute darauf, dass die jungen Spieler sich nicht auf ihrem Talent ausruhen, sondern weiter an sich arbeiten.