VON OLIVER GRISS

Wir erleben in diesen Tagen die stärkste Transferphase seit dem unvergessenen Werner Lorant: Astreine Verstärkungen hat der TSV für Drittliga-Verhältnisse an Land gezogen und mit dem 8:0 in Waldkirchen gleich für gute Laune beim Anhang gesorgt - und doch spricht man gefühlt mehr über ein T-Shirt beziehungsweise die Markenrechte. Es gibt ein gutes Sprichwort, das Allesfahrer Franz Hell früher immer gern benutzte: “Von außen ist 1860 nicht zerstörbar, aber dafür von innen.” Hell hat sich in den letzten zwei Jahren zurückgezogen. Er ist müde.

In Hells Worten steckt sehr viel Wahrheit. Zuletzt hatte ein Fan, der sich schon seit längerer Zeit als Robin Hood der Löwen aufspielt, dem kommerz-kritischen Magazin “11 Freunde” ein Interview gegeben, in dem er anmahnte, dass die Merchandising-Firma des TSV 1860 (gehört Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik) eine T-Shirt-Idee mit dem Spruch “Wir sind der Verein” mit dem geschützten 1860-Logo kopiert hätte.

Was in diesem Interview nicht steht: Die Merchandising-Rechte liegen zu 100 Prozent bei Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik. Enthalten sind darin auch Wort- und Bildrechte. Der e.V. hat diese im Zuge des Anteilverkaufs im Jahr 2011 weiterveräußert, damit der Profifußball weiter existieren kann. Doch seit Jahren will der harte Kern der aktiven Fanszene dies nicht akzeptieren, in Facebook-Spalten wird immer wieder zum Boykott des eigenen Fanshops aufgerufen. Dies ist aber beileibe kein Einzelfall im deutschen Fußball. Ultras verkaufen deutschlandweit oft ihre eigenen Produkte. So werden teilweise Pyrotechnik oder aufwendige Choreografien finanziert. Alles schön und gut. Von den Vereinen wird das größtenteils so hingenommen.

Doch der jüngste Fall ist bei 1860 ein klein wenig anders: Der e.V. versucht schon seit einiger Zeit, einen stabilen Fanshop aufzubauen - und macht damit auch das Fußballpublikum aufmerksam auf sich. Klar: An der Grünwalder Straße 114 dreht sich alles um den Profifußball. Mit den Erlösen aus dem e.V.-Fanshop, der auch Bilder zum Grünwalder Stadion verkauft, soll die Fußball-Jugend unterstützt werden. Aber mal ehrlich: Zwei Fanshops unter einem Dach - das ist eine unschöne Sache, zumal sich der e.V. gerne ein Entgegenkommen von HAM in der Turnhallen-Frage wünscht. Könnte angesichts solcher unnötigen Provokationen schwierig werden.

Und was man bei allen Emotionen auch nicht vergessen sollte: Der e.V. profitiert von einer erfolgreichen Fußballfirma. Je höher es für die Erste geht, desto mehr Fans werden Gefallen an einer Mitgliedschaft bei 1860 finden. Diese kommt dem Hauptverein zu 100 Prozent zu gute. Aktuell hat der Löwe rund 23.300 Mitglieder. Damit gehört der TSV noch immer zu den größten Sportvereinen in Deutschland.

Dass sich die Fußballfirma des TSV 1860 heute genötigt gefühlt hat, die Wort- und Bildrechte in einer Presseerklärung aufzulisten, war nach all den Diskussionen der letzten Tage notwendig und vielleicht auch hilfreich. Darin enthalten ist auch der versteckte Hinweis an die eigenen Fans, dass man mit dem Kauf gefälschter Produkte und der Umsetzung eigener Kreationen auf dem Holzweg ist und damit den Löwen schadet. Der Klub hat sich für diese Stellungnahme fast zu viel Zeit gelassen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es diese Spielregeln seit vielen, vielen Jahren gibt - und diese rein gar nichts mit Hasan Ismaik oder Anthony Power zu tun haben. Sucht man den Dialog mit den Löwen, findet man wahrscheinlich meist eine Lösung. Dies gilt auch besonders für Fanclubs.

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Ein Beispiel: Im Mai 2004, kurz vor dem Bundesliga-Abstieg, veranstaltete die Abendzeitung, bei der ich damals angestellt war, ein Retter-Fest mit prominenten Persönlichkeiten in einem Zirkuszelt: Mit OB Christian Ude, Petar Radenkovic, Peter Grosser und vielen anderen Helden. Dazu kam mir die Idee, ein T-Shirt mit dem Slogan “Rettet die Löwen” mit dem alten 1860-Logo aufzulegen. Auch damals brauchten wir die Genehmigung des Fanshops - die AZ-Geschäftsführung setzte mit dem damaligen Fanshop-Boss Roland Kneißl einen Vertrag auf, in dem wir dem Verein zusicherten, dass wir das T-Shirt nicht kommerziell vertreiben.

Oder 1999: Als ich mein erstes Löwen-Buch vertreiben wollte, benötigte ich das Okay des Klubs inklusive Abtretung einer prozentualen Verkaufsbeteiligung. Anschließend wurde das Buch im Fanshop aufgelegt. Und bei der Gründung dieses Portals im Jahr 2011 habe ich ganz bewusst Namen vermieden, die Schwierigkeiten bereiten könnten. Entstanden ist dann der Name dieblaue24, der inzwischen eine starke Marke im deutschen Fußball ist.

Das Markenrecht ist in Deutschland ein hohes Gut - und danach sollte man auch verfahren. Die Identifikation mit dem Lieblingslabel ist wichtig und richtig, aber: 1860 ist keine Spielwiese für eigene Marketingideen, schließlich kann man als BMW-Mitarbeiter auch nicht plötzlich eine BMW-T-Shirt-Kollektion kreiieren und diese zu Geld machen. Klingt eigentlich ganz einfach.