VON OLIVER GRISS

Das Spiel war bereits einige Minuten vorbei. Die Haupttribüne war verlassen - nur ein kleiner Junge verfolgte hartnäckig sein Ziel. Er ging Reihe für Reihe ab, um so viele leere Becher wie möglich einzusammeln. Er strahlte übers ganze Gesicht, nachdem sein Becherturm immer höher wurde. Während der Großteil der Fans das Grünwalder Stadion nach dem 2:3 gegen Osnabrück und dem Aus im Aufstiegskampf mit hängenden Köpfen verließ, war der kleine Junge einer der Gewinner des Samstagnachmittags - wohlwissend, dass sich sein Taschengeld durch den Pfanderlös deutlich steigert.

Zurück zum Fußball: Der TSV 1860 ist seit dem Wochenende um eine weitere Erkenntnis reicher: Der Kurs ist gescheitert - und das obwohl der Klub mit seinen vielen Helfern in den letzten zwei Jahren in die Offensive gegangen ist und die Scharmützel auf ein Minimum beschränkt hat. Der Etat wurde in den letzten zwei Spielzeiten auf jeweils fünf Millionen Euro aufgeblasen - das Ergebnis ist ernüchternd: Man durfte ein wenig hinriechen, aber eben auch nicht mehr.

Kurzum: Der Löwe ist nicht gut genug für den großen (Aufstiegs)-Coup. In der Saison 2020/2021 wurde 1860 Vierter - mit fünf Punkten Rückstand auf Platz 3. Und in dieser Spielzeit droht sogar die Nicht-Teilnahme am DFB-Pokal. Und hätte nicht Türkgücü Insolvenz gemeldet, würde man die Löwen längst im absoluten Mittelmaß der Dritten Liga finden. Das sind die Fakten. Eine Erfolgsstory ist das wahrlich nicht, auch wenn man dem umtriebigen und sympathischen Michael Köllner eigentlich eine Giesinger Explosion wünscht. Er passt zu den Löwen - weil er auch die Dreckarbeit im Hintergrund erledigt und nachwievor bester Repräsentant des Klubs ist. Der Wert von Köllner für das “neue” 1860 ist groß.

Wer aber übernimmt die Verantwortung für das Scheitern? In vielen Fußballklubs gäbe es nach der neuerlichen Zielverfehlung Personal-Wechsel in den entscheidenden Positionen - bei 1860 ist das seit der Regentschaft von Präsident Robert Reisinger anders: Man spricht den handelnden Personen das Vertrauen aus. Einerseits ist es gut, nicht beim ersten Windstoß umzufallen - andererseits steht in der Kombo Günther Gorenzel/Michael Köllner am Ende des Tages: Irgendwas fehlt, Löwen! Die Strategie ist - so deutlich muß man es sagen - nicht aufgegangen. Es fehlte nicht nur die Balance, sondern auch die Qualität auf dem Platz und der Ersatzbank. Dafür kann keiner der beiden Gesellschafter etwas - soviel Zeit muss sein.

In Zukunft wird Sechzig vermutlich mit deutlicher weniger Budget auskommen müssen, was sich wiederum auf die Kaderqualität auswirken wird. Eine Kursänderung wird’s von Präsident Robert Reisinger wahrscheinlich nicht geben, denn es wäre auch ein Eingeständnis für seine eigene (verfehlte) Politik zum Thema Profifußball.

Für immer Dritte Liga?