VON OLIVER GRISS UND EIBNER PRESSEFOTO (IMAGO)

Tim Rieder (27) kehrt zurück nach München-Giesing - mit dem 1. FC Kaiserslautern (heute, 19 Uhr, db24-Ticker). Beide Vereine brauchen die Punkte, um ihren Weg weiterzugehen. Das db24-Interview mit dem Ex-Löwen.

db24: Herr Rieder, als Sie 1860 im vergangenen Sommer in Richtung Kaiserslautern verließen, haben Sie an der Grünwalder Straße viele Freunde zurückgelassen. Jetzt kommt’s zum Direktduell zwischen 1860 und dem FCK: Seit wann ruht die Kommunikation mit ihren alten Kumpels?

TIM RIEDER: Schon seit einigen Tagen (lacht). Wir haben ja seit unserer Saison-Abschlußfahrt nach Kroatien eine Whatsapp-Gruppe, die immer noch besteht. Aber da ist vor so einem Spiel natürlich Ruhe drin. Ich glaube aber, dass sich jeder freut, dass wir uns auf dem Platz wiedersehen.

db24: In diesem Duell unter Freunden steckt neben großer Tradition jede Menge Brisanz: 1860 braucht die Punkte im Aufstiegskampf, Lautern im Abstiegskampf.

Klar ist, dass in diesen 90 Minuten plus Zuschlag die Freundschaft ruhen wird. Bei aller Liebe zu Sechzig, aber Geschenke kann ich keine verteilen, dazu ist dieses Spiel viel zu wichtig für uns. Ich gönne den Löwen den maximalen Erfolg, auch den Aufstieg in die Zweite Liga, aber wir brauchen die Punkte auch. Deswegen wird da nicht zurückgezogen, weil es bei uns gefühlt um die Existenz geht. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, auch weil wir aktuell eine sehr gute Phase haben. Kleinigkeiten werden entscheiden.

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db24: Verrückte Fußballwelt: Eigentlich sollte Lautern vorne mitspielen…

Ja, es wurde auch so nach außen posaunt, dass man aufsteigen will beziehungsweise auch muss. Aber schon nach zwei Spielen kamen die ersten Dämpfer. Erst von Dynamo Dresden, dann von Türkgücü. Dann wurde der Trainer entlassen. Es wurden neue Prozesse eingeleitet. Mit Marco Antwerpen haben wir aber jetzt einen Trainer, der unsere Mannschaft in den Griff bekommen hat. Er weiß, wo und wie er die Hebel ansetzen muss. Die letzten Ergebnisse geben uns recht.

db24: Auch für Sie verlief die Eingewöhnung beim FCK eher stockend.

Ja, das kann man so sagen. Der Ortswechsel war nicht so einfach. Das habe ich etwas unterschätzt. Neue Umgebung, neue Menschen in deinem direkten Umfeld. Ich musste mich komplett neu orientieren. In München kannte ich alles. Da verlief der Wechsel von Augsburg zu 1860 reibungslos, weil München meine Heimat ist. In Kaiserslautern musste ich mich erst einmal zurechtfinden. Ich habe meine Zeit gebraucht, um mich wohl zu fühlen. Gut ist, dass meine Freundin, die im Homeoffice ist, oft hier sein kann… Jetzt sind wir aber froh, dass wir uns einen kleinen Polster mit zwei Punkten über dem Strich geschaffen und es selbst wieder in der Hand haben. Wenn wir unsere Hausaufgaben erledigen, werden wir uns retten.

db24: Wie würden Sie uns den FCK beschreiben?

Wenn man nach Kaiserlautern fährt, sieht man, wie der Betzenberg wie ein Koloss über dieser Stadt ragt - das ist schon beeindruckend. Und die Leute reden immer wieder von der glorreichen Vergangenheit: Viermal Deutscher Meister, heiße Europapokal-Nächte. Da wird dir klar, wie die Stadt von diesem Verein abhängig ist.

db24: Die Löwen spielen bislang eine starke Saison und können in den letzten vier Spielen das Jahr theoretisch mit dem Aufstieg in die Zweite Liga veredeln. Hatten Sie 1860 diese Entwicklung zugetraut?

Ja, schon. Wir hatten letztes Jahr auch schon eine gute Runde gespielt. Natürlich haben sie Efkan Bekiroglu und mich Qualität im Kader verloren, aber mit Richard Neudecker, Erik Tallig und mit ein paar anderen Jungs das Niveau auf hohem Drittliga-Level halten können. Der Kern ist ja mehr oder weniger gleich geblieben, das ist auch ein Vorteil in der Liga. Du kommst schneller an dein Maximum ran. Deswegen bin ich nicht überrascht, dass 1860 dort steht, wo sie stehen. Bei uns war das anders: Wir mussten uns in Kaiserslautern erst finden.

Wer sind die Hauptfiguren bei 1860?

Sascha Mölders ragt wieder heraus. Er ist der Leader der Mannschaft - wie im Vorjahr auch. Für den ganzen Verein wird es ein herber Rückschlag, wenn Sascha irgendwann aufhört. Er ist ein Typ. Solche Typen gibt es im heutigen Profi-Zeitalter kaum mehr. Er sagt frei Schnauze seine Meinung - und er vertritt die dann auch. Er marschiert vorne weg. Er ist sich für nichts zu schade, geht trotz seines fortgeschrittenen Alters in jeden Zweikampf. Auch Dennis Dressel ist ein brutales Zweikampf-Monster und hat auch einen tollen Abschluss. Ich traue ihm deutlich mehr in seiner Karriere zu - auf jeden Fall Zweite Liga.

Für den ganzen Verein wird es ein herber Rückschlag, wenn Sascha irgendwann aufhört.

db24: Wie ist Ihnen Michael Köllner in Erinnerung geblieben?

Seine Menschenkenntnis ist schon ein großes Pfund. Er weiß, wie er jeden einzelnen Spieler anpacken muss. Köllner hat bei 1860 eine neue Euphorie entfacht, dass die ganze Stadt wieder von 1860 Kenntnis nimmt. Das ist sein Verdienst. Die Mannschaft macht dort weiter, wo wir letzten Sommer aufgehört haben.

db24: Eigentlich hätten Sie auch Teil dieser neuen Löwen-Euphorie sein können: Warum haben Sie sich im vergangenen Sommer trotzdem für einen Wechsel in die Pfalz entschieden?

Ich war nicht ablösefrei, dass ich alles selbst hätte entscheiden können. Auch der FC Augsburg hat ein gewichtiges Wort mitgesprochen. Es gab ein, zwei Faktoren, warum ich mich umschauen musste, damit meine Karriere weitergeht. Ich konnte nicht mehr länger warten, weil ich die Erfahrung ein Jahr schon zuvor gemacht hatte - und dann kam Lautern, das sich brutal um mich bemüht hat. Dann habe ich gesagt: “Ja, ich mach das.”

db24: Können Sie sich vorstellen, nochmal für 1860 aufzulaufen?

Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen. Jeder weiß, dass ich diesen Verein mag. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich könnte mir das nicht vorstellen, irgendwann wieder für Sechzig zu spielen.