VON OLIVER GRISS

Das größte Kompliment hat Daniel Bierofka von seinen ehemaligen Spielern auf den Social Media-Kanälen erhalten. Sie bedankten sich für eine erlebnis- und auch erfolgreiche Zeit. Mittelfeldspieler Daniel Wein postete beispielsweise auf Instagram ein gemeinsames Bildchen mit Biero und schrieb zwei Wörter dazu: “Danke, Trainer!”

Diese Message beschreibt Bierofkas hohen Beliebtheitsgrad in der Mannschaft. Natürlich hatte der Trainer auch Spieler in der Mannschaft, die ihn nicht so gut fanden. In erster Linie waren das die, die in der zweiten oder dritten Reihe standen und von ihrem Umfeld eingesagt bekommen, dass sie eigentlich Stammkräfte sein müssten. Aber das ist im Fußballgeschäft normal. Die Reservisten sind mit sich und ihrem Umfeld unzufrieden. Doch in 90 Prozent der Fälle hat Bierofka meist richtig entschieden bei der Auswahl nach der besten Startelf. Bierofka hat alles aus seinen Spielern herausgepresst.

Der Rückzug Bierofkas reißt ein tiefes Loch in den Verein. Das Löwen-Idol wird nicht nur als Trainer und als Scharfmacher auf dem Platz fehlen, sondern vor allem als Brückenbauer zu Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik und absolute Identifikationsfigur beim TSV 1860. Aber auch als Mensch. Der 40-Jährige hat dem Verein Werte verliehen, die dieser lange nicht besessen hat: Ehrlichkeit. Verbissenheit. Fleiß. Merkmale, die im heutigen Fußball-Zeitalter eher Seltenheit sind. Bierofkas Aus ist für 1860 eine Tragödie, denn Typen mit Profil kosten normalerweise richtig Kohle. Dieses Profil haben die Löwen verloren.

Die, die Bierofka vertrieben haben (weil er Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik loyal gegenüber stand?), werden sich jetzt an ihren weiteren Taten messen lassen müssen. Schon heute beim Auswärtsspiel heute in Halle steht der ganze Verein auf dem Prüfstand. Insbesondere Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel wird jetzt liefern müssen - mit der Nachbesetzung von Bierofka und den vielen offenen Personalfragen.

Eines ist sicher - und hier lege ich mich fest: Irgendwann wird Bierofka, der mit seiner Aufgabe auch die treuen Fans zum Nachdenken zwingen will, auf die Trainerbank des TSV 1860 zurückkehren - aber nur dann, wenn ausschließlich Menschen ihn umgeben, die nicht sich, sondern die Löwen und die Wiederbelebung einer der größten deutschen Traditionsvereine im Fokus haben.

Oliver Griss (48) berichtet seit 1989 über die Löwen. 2011 gründete er db24, nachdem er zuvor den Traditionsklub 12 Jahre für die Abendzeitung begleitete.