VON OLIVER GRISS

Freilich, es ist neidlos anzuerkennen, dass der FC Bayern seit Jahrzehnten sportlich und wirtschaftlich das Nonplusultra im deutschen Fußball darstellt. Das ist eine große Leistung.

Aus Sicht eines Löwen-Reporters war es aber in den letzten Jahren immer wieder überraschend zu beobachten, dass vor allem Uli Hoeneß, die Abteilung Attacke vom Tegernsee, über alles und jeden nach Belieben richten konnte, ohne dass die Journalie dies kritisch hinterfragte bzw. die Aussagen des Bayern-Präsidenten durchleuchtete. Die Globalplayer Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge hatten sozusagen einen Persilschein bei den Verlagshäusern. Keiner traute sich die Bosse des Rekordmeisters so recht zu kritisieren (man will sich ja nicht die Möglichkeit nehmen, ein polarisierendes Interview mit U.H. zu bekommen), und so wurden die Löwen seit dem unfreiwilligen Abschied von Karl-Heinz Wildmoser 2004 zum universellen Prügelknaben der Münchner Presse. Auf Kosten des TSV 1860 wurden negative Schlagzeilen produziert. Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Inzwischen ist Drittligist 1860 für den Boulevard relativ uninteressant, auch weil die Skandälchen fehlen, die bundesweit Futter liefern. Früher hatte 1860 selbst zu Bayernliga-Zeiten in der “BILD” einen Aufmacher “geschenkt” bekommen. Heute kommt’s auch mal vor, dass auf die Löwen-Berichterstattung gänzlich verzichtet wird.

Seit Freitag ist es nun zumindest mit der Zurückhaltung der Medien gegenüber dem FC Bayern vorbei, Schluss mit den Streicheleinheiten - Auslöser: Eine Medienschelte von Hoeneß und Rummenigge in einer denkwürdigen Pressekonferenz, wie sie die Bundesliga noch nie erlebt hat. Die Bayern-Bosse haben die „herabwürdigende“, „respektlose“ und „hämische“ Berichterstattung angeprangert und drohen nun den Verlagshäusern, allen voran dem Springer-Verlag, mit Unterlassungsklagen und Gegendarstellungen. Eine Kriegserklärung!

Freilich, der Journalismus in Deutschland ist längst nicht mehr das, was er einmal war, dennoch fühlt es sich aberwitzig an, wenn ausgerechnet der FC Arroganz, äh FC Bayern, Respekt einfordert. Haben die Roten jemals Respekt vor dem TSV 1860 gehabt und sind den Blauen auf Augenhöhe begegnet? Wir erinnern uns an den Anteilekauf der Allianz Arena, als die Bayern im Jahr 2006 für 11,3 Millionen Euro 50 Prozent am Fröttmanigner WM-Stadion erwarben. War das moralisch einwandfrei? Nein! Oder als Karl-Heinz Rummenigge 1860-Investor Hasan Ismaik mit den Worten anzählte: “Gott, behüte uns vor solchen Menschen!” Die Katar-Millionen nehmen die Bayern für das Ärmel-Logo aber trotzdem gerne. Wenn die Bayern etwas beherrschen, dann ihre ekelerregende Doppelmoral.

Die Bayern scheinen inzwischen jeglichen Realitätssinn verloren zu haben. Hoeneß & Rummenigge, beides verurteilte Steuersünder, fordern Respekt und Moral ein - aber nur für sich selbst. Vernebelte Bayern-Welt.