VON OLIVER GRISS

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Um gleich mal mit den Vorurteilen aufzuräumen: Ich bin seit meiner frühesten Kindheit 1860-Fan. Ich war als kleiner Bub stolz, den Löwen auf der Brust zu tragen - und das obwohl der Verein gerade in die Bayernliga abgestiegen und mittellos war. Ich habe 1860 vor ein paar 100 Fans im Grünwalder Stadion spielen sehen. Trotzdem war ich immer verrückt auf Sechzig, egal ob die Mannschaft in Dörfern wie Ampfing oder Helmbrechts gespielt hat. Dem Verein den Rücken zu kehren, stand für mich nie zur Debatte. Aber ich habe auch für einen anderen (ausländischen) Traditionsklub große Sympathien: Für Austria Salzburg. Beide Vereine begleitet fast das selbe Schicksal. 1860 und die Salzburger spielen viertklassig und werden seit Jahren schlecht geführt.

Für Kommerz habe ich eigentlich wenig übrig - trotzdem muss man nüchtern feststellen: Alles, was beispielsweise Red Bull anpackt, wirkt zu 100 Prozent professionell und vor allem nachhaltig. Ob im Fußballsport oder im Eishockey. Allein die Jugendakademie in Liefering und das Konzept des Dosenklubs sind beeindruckend.

Und jetzt komme ich zur vieldiskutierten 50+1-Regel. Alle 36 Vereine waren gestern zur DFL-Mitgliederversammlung in Frankfurt eingeladen. Während die Klubs aus Kaiserslautern und Regensburg erst gar nicht erschienen waren (warum auch immer), haben sich neun Vereine der Stimme enthalten. Hat man keine eigene Meinung mehr - oder einfach nur Angst, dass Investoren dafür sorgen könnten, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren? Aus menschlicher Sicht ist diese Haltung vielleicht nachzuvollziehen, aber alles andere als zielfördernd. Dass die Bundesliga trotz 50+1 Ausnahmen wie Leipzig, Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg zulässt und bei anderen Klubs ganz genau hinschaut, ist zudem nur schwer zu akzpetieren. Gerechtigkeit funktioniert definitiv anders.

Dass ausgerechnet St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig sich für diesen Etappensieg des vorübergehenden Erhalts der 50+1-Regel feiern lässt, ist irgendwie amüsant: Mit Hilfe der Seinsch-Millionen führte er den FC Augsburg seinerzeit in die Erste Liga - und auch als 1860 mal wieder einen Geschäftsführer suchte, soll auch Rettig nicht abgeneigt gewesen sein, bei den Löwen einzusteigen. Paradox, dass sich Rettig nun als Retter der deutschen Fußball-Kultur aufspielt.

Dabei läuft die deutsche Bundesliga Gefahr, zu einem Produkt zweiter Klasse zu verkommen. Dafür spricht einerseits, dass der FC Bayern die Liga nach Belieben beherrscht und zeitweise mit 20 Punkten vorne lag - und andererseits erbärmliche Europacup-Auftritte von Vereinen wie Borussia Dortmund oder Hoffenheim. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Interessiert Sie die Bundesliga noch wirklich? Mich nicht wirklich: Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass 1860 keine Rolle mehr im Profifußball spielt, aber auch die Meisterschaft schon vor dem 1. Spieltag entschieden ist.

Wacht die Bundesliga nicht bald auf, wird das Produkt immer mehr an Interesse und Strahlkraft verlieren. Natürlich sind Investoren im Fußball kein Allheilmittel (siehe Hamburg oder 1860), dennoch vergrößern sie die Chance, dass die Marke wieder an Fahrt aufnimmt.