VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Ab und an sieht man Sebastian Seeböck im Innenraum des Grünwalder Stadions, wenn die Profi-Mannschaft sich über Siege in der Dritten Liga freut. Seeböck, der zu Zweitliga-Zeiten das Anti-Ismaik-Plakat "Not welcome" auf der Ehrentribüne der Arena hochgehalten hat, sitzt heute im mächtigen und schwer in die Kritik geratenen Verwaltungsrat - und zudem im Aufsichtsrat der KGaA.

Jetzt darf Seeböck im Fanmagazin “11 Freunde” seine Sicht der Dinge schildern. Tim Jürgens, Stellvertretender Chefredakteur, leitet in seiner Löwen-Reportage “Die Hölle der Löwen” das Statement Seeböcks so ein: “Gemeinsam mit dem Finanz-Geschäftsführer Pfeifer beginnen die beiden (er meint Anthony Power und Saki Stimoniaris, d. Red.) im Sommer, sich um das sportliche Management zu kümmern. Sie verpflichten Maurizio Jacobacci als Trainer und werkeln am Kader mit - trotz mehrfacher Warnungen der e.V.-Vertretern in den Gremien.”

Falsch ist: Weder haben sich Stimoniaris und Power um das sportliche Management gekümmert, noch wurde Jacobacci von der HAM-Seite eingestellt. Ex-Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel, der von “11-Freunde”-Reporter Jürgens im Text übrigens “Gerhard” genannt wird, entschied sich gemeinsam mit Pfeifer für Jacobacci, allerdings geschah diese Einstellung schon im Februar 2023 - auch aufgrund des überschaubaren Budgets zu diesem Zeitpunkt. Was auch verschwiegen wird: Über Personalien wie Trainer und Sportdirektor entscheidet bei 1860 ausschließlich die Geschäftsführung - und das immer nur mit Zustimmung des e.V. Der Aufsichtsrat entscheidet nicht über Personalien, sondern ausschließlich übers Budget.

Aufgrund dieser im Text nicht korrekten Darstellung antwortet Seeböck: “Wir haben das außerordentlich kritisch gesehen und die handelnden Personen aufgefordert, diesen Malus umgehend zu beseitigen, bevor die raren Finanzmittel der Gesellschaft eingesetzt werden. Gehört wurden wir nicht. Die Vertreter des Mitgesellschafters genehmigten die Budgets, und die Dinge nahmen ihren Lauf. Der damalige Geschäftsführer Finanzen trieb die Planungen voran und baute auch das Team. Der Aufsichtsratsvorsitzende sah sich unserem Erstaunen in der Position, im Stile eines Geschäftsführers oder Sportchefs die Öffentlichkeit im Sommer-Trainingslager über die Kaderzusammenstellung und das vorhandene Budget informiert zu halten.”

Dann schreibt Jürgens: “Die Konsequenzen lassen nicht lange auf sich warten. Die Hinrunde geht völlig daneben. Im Dezember dümpelt 1860 auf dem 15. Platz. Marc Pfeifer beschließt mit Prokura der HAM-Seite, den von ihm verpflichteten Coach wieder zu entlassen - und den Staff gleich mit.” Richtig ist, dass bei einer Einstellung oder Abbstellung eines Trainers ausschließlich das Präsidium zustimmungspflichtig ist - und nicht die HAM-Seite. Auch der Staff musste nicht gehen, sondern einzig Co-Trainer Stefan Reisinger. Der andere Co-Trainer Franz Hübl, Torwarttrainer Harry Huber und Konditionstrainer Jörg Mikoleit arbeiten noch heute in ihrer Positionen bei Sechzig.

Seeböck sagt gegenüber “11 Freunde”: “Zu diesem Zeitpunkt wollte keiner der Akteure, die im Sommer noch die Saisonplanung ohne ausreichende Sport-Kompetenz auf der Kommandobrücke forciert hatten, mehr für den Status quo verantwortlich zeichnen. Der eingetragene Verein musste nun sehr schnell und mit absoluter Entschiedenheit eingreifen, um das Fußballunternehmen vor einem Abrutschen in eine weitere Abwärtsspirale zu schützen.”

Was Seeböck, der nachweislich nicht aus dem Profi-Geschäft kommt, offenbar nicht weiß: Die Planungen für eine neue Saison beginnen normalerweise spätestens im Januar - und zu diesem Zeitpunkt war Günther Gorenzel noch Sport-Geschäftsführer. Erst am 15. Juni 2023 wurde der Fußballlehrer bei Austria Klagenfurt als Sport-Geschäftsführer vorgestellt. Erst Anfang Juli sprach Präsident Robert Reisinger auf der Mitgliederversammlung dann davon, dass man mit einem Sportchef “mit Format” in Gesprächen sei. In einem serlös geführten Klub sollten die Personal-Planungen zu diesem Zeitpunkt allerdings längst abgeschlossen sein - warum das im Falle von 1860 nicht so war, das wurde Seeböck von “11 Freunde”-Redakteur Jürgens bedauerlicherweise offenbar nicht gefragt.

Im selben “11 Freunde”-Text steht übrigens nicht, dass der e.V. Dr. Christian Werner dreimal als Sportchef abgelehnt hat. Dafür aber: “Auf Initiative des Präsidiums soll Christian Werner nur Sportgeschäftsführer werden. Doch die HAM-Seite sperrt sich. Sie möchte Werner nur als Sportdirektor, um dessen Kompetenzbereich zu beschränken und Pfeifer zu dessen Vorgesetzten zu machen. Wohl um zu verhindern, dass die HAM-Statthalter ihr Mitspracherecht bei sportlichen Entscheidungen verlieren.” Richtig ist: Werner hatte zuvor noch nie als Geschäftsführer gearbeitet - und Hasan Ismaik meinte in einem Interview mit der Sport-Bild, dass die Position Sportchef der bessere Einstieg für Werner sei, um ihn bei Gefallen zu befördern. Zur Wahrheit gehört auch, dass Ismaiks Leute Werner von Anfang mit offenen Armen empfangen haben. Dazu gibt es auch zahlreiche Bilder.

Und jetzt kommt Präsident Robert Reisinger ins Spiel: “Ich bin in den vergangenen Monaten zu der Erkenntnis gekommen, dass die HAM-Statthalter bei ihren Entscheidungen in den Gremien keine sachlichen Beweggründe mehr verfolgen, sondern es ihnen nur noch um persönliche Befindlichkeiten geht.” Diesen Eindruck hat übrigens der ehemalige Vize Hans Sitzberger, der in der vergangenen Sommerpause viele konstruktive Gespräche mit HAM führte, nicht. Wurde deswegen Sitzberger zum neuen Feindbild an der Grünwalder Straße 114?