VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Wer an das bessere Sechzig denkt, denkt zweifelsohne an die Wildmoser-Zeit.

Karl-Heinz Wildmoser war ein typischer bayerischer Sturschädel, der es aus dem Ledigenheim nach oben geschafft hat. Er war nicht ganz einfach - aber immer darum bemüht, die Löwen besser zu machen. Er schaffte es, dass die Löwen mit dem FC Bayern sportlich in kürzester Zeit auf Augenhöhe waren, sondern er sorgte auch dafür, dass der Löwen-Nachwuchs zum echten Vorzeigeprojekt in Deutschland aufgestiegen ist. Wildmoser war der Vater der Talentschmiede. Bevor er kam, verlor die A-Jugend auch mal zweistellig gegen den FC Bayern. Mit Wildmoser wuchs die Selbstverständlichkeit, sich vor den Roten nicht mehr verstecken zu müssen.

Neben dem damals hochmodernen NLZ wollte Wildmoser auch eine Turnhalle inklusive Vereinsgaststätte bauen. Das war 2002. Kurz nach der Veröffentlichung der Baupläne traf die Kirch-Krise die Löwen allerdings mitten ins Mark. Die bereits ausgehobene Baugrube wurde Jahre später wieder zugeschüttet werden. 20 Jahre später steht die “VIP-Alm” auf diesem Platz. Nur die wenigsten können sich an Wildmosers Streben erinnern…

Wildmoser war mit Werner Lorant das Gesicht des TSV 1860.

Heute vor 20 Jahren, am 15. März 2004, trat Wildmoser in Folge des Arena-Skandals zurück - auch auf Druck des FC Bayern. Es war der Tag, an dem der leidvolle Absturz des TSV 1860 begann. Uli Hoeneß, damals Manager beim FC Bayern sagte: “Solange die Vorwürfe gegen Herrn Wildmoser bestehen, werden wir uns mit ihm nicht mehr an einen Tisch setzen, dafür ist zu viel vorgefallen.” Und Wildmoser? Brachte “Steuergeschichten” von Franz Beckenbauer ins Spiel.

Auch die Politik wandte sich von Wildmoser ab.Und viele fragen sich auch heute noch: Warum?

Wildmosers Rückzug war ein Tag der Schande: Der Großgastronom aus Niederpöcking wurde an der Grünwalder Straße 114 unter dem Jubel einer pöbelnden (organisierten) Minderheit beleidigt und beschimpft. Einer dieser sogenannten Löwen-“Fans” urinierte am Trainingsgelände sogar an Wildmosers Auto. Die Polizei schaute teilnahmslos zu. Bilder, die den Zeitzeugen nie aus dem Gedächtnis gehen werden.

Nachdem Wildmoser seinen liebgewonnenen goldenen Löwen-Ring abstreifte und unter dem Schutz der Security zum letzten Mal in seinem Leben von der Geschäftsstelle davonbrauste, sagte er: „1860 ist mir ans Herz gewachsen, aber wenn man zwölf Jahre lang permanent beschimpft und dumm angemacht wird, dann geht einem das irgendwann auf den Geist. In sechs Wochen kriege ich die Rente, die will ich genießen.” Sechs Jahre später starb Wildmoser im Alter von 71. Er ging viel zu früh. Er zerbrach an 1860 - auch am Kampf, der gegen ihn geführt wurde. Auch wegen seiner Stadionpolitik. Wildmoser warnte immer wieder vor der “Stadionfraktion”.

Das Lebenswerk von Wildmoser, der den Verein seinerzeit von der Bayernliga bis in den Europapokal führte, wurde jedes Jahr mehr zerstört.

Der Tiefpunkt: Weil sich der TSV 1860 im Jahr 2011 nicht mehr selbst zu helfen wusste, sich die bayerische Industrie wegduckte und kein Interesse an den Löwen hatte, musste ein ausländischer Investor den klammen Verein vor dem Gang zum Insolvenzrichter bewahren. Sein Name: Hasan Ismaik.

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Mit seinen Millionen half der Jordanier den Löwen, doch die wussten mit seiner finanziellen Unterstützung nichts anzufangen. Als er in der Saison 2016/2017 kurzzeitig das Zepter übernahm (freilich mit der breiten Zustimmung des Präsidiums Peter Cassalette und des Verwaltungsrats um Markus Drees, Robert Reisinger etc.) und Millionen investierte, stieg der Verein mit Namen wie Vitor Pereira und Ian Ayre (Manager des Jahres in England) sportlich über die Relegation unglücklich aus der Zweiten Liga ab. Vorher war der Verein immer wieder gerade noch von der Schippe gesprungen, was immer gerne vergessen wird.

Kein Präsident nach Wildmoser schaffte es, auch nur ansatzweise den TSV 1860 so zu vertreten, wie das der Klub verdient gehabt hätte. Derzeit ist Robert Reisinger am Ruder. Die Löwen, zumindest die, die auf Erfolg getrimmt sind, suchen verzweifelt nach einem neuen Wildmoser.