Daniel Wein in der Startelf des TSV 1860 in einem Drittligaspiel – dafür muss man weit zurückblicken. Am 20. November 2021 lief der 28-Jährige letztmals von Beginn an für die Sechzger auf. Der Gegner damals: Der MSV Duisburg. Mit 3:2 siegte der Löwe. Seitdem fehlte Wein verletzungsbedingt in der ersten Elf von Trainer Michael Köllner. Am Wochenende (Samstag, 14.03 Uhr, db24-Ticker) gastieren die Zebras erneut im Grünwalder Stadion. Und wer weiß: Vielleicht feiert Wein nach monatelanger Verletzungspause ausgerechnet gegen Duisburg sein Startelf-Comeback.
Bei den Löwen hatten die wenigsten damit gerechnet, dass der defensive Mittelfeldspieler in diesem Jahr nochmal für 1860 auflaufen würde. Zu viele Rückschläge musste Wein einstecken, zu selten waren die Schmerzen aus dem linken Fuß verschwunden. Im großen db24-Interview spricht Wein über seine lange Leidenszeit, Gedanken über ein mögliches Karriereende, den momentanen Höhenflug der Münchner Löwen sowie den harten Konkurrenzkampf bei 1860 – speziell auf der Sechserposition, auf der Wein beheimatet ist.
db24: Herr Wein, was war das für ein Gefühl, nach so langer Abstinenz in Köln wieder für die Löwen in der Dritten Liga länger auf dem Platz zu stehen?
DANIEL WEIN: Es war ein überragendes Gefühl. Auf diesen Tag habe ich monatelang hingearbeitet. Auch wenn ich gegen Meppen bereits einen Kurzeinsatz hatte, das kann man nicht vergleichen. Dass ich mein Ziel jetzt so früh erreicht habe, da ist mir schon ein Stein vom Herzen gefallen.
Hand aufs Herz: Wie haben Sie sich hinterher gefühlt: Glücklich oder einfach nur erschöpft?
Beides (lacht). Und noch wichtiger: Ich war schmerzfrei.
Der Verein hatte nicht mit so einer schnellen Genesung gerechnet: Was ist passiert?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Es wurden von heute auf morgen besser. Davor habe ich viele Sachen ausprobiert. Am Ende hatte ich dann Einlagen und habe Tabletten genommen, die Nerven heilen sollen. Was es am Ende war, weiß ich nicht. Es gibt ja auch bis heute keine exakte Diagnose, welche Verletzung ich eigentlich genau hatte. Anfangs konnte ich nicht mal einen Pass spielen mit dem linken Fuß, ohne Schmerzen zu haben. Fakt ist: Ich fühle mich gut, bin endlich komplett schmerzfrei.
Während einer solch langen Verletzungspause: Wie hart war es, nur zum Trainingsgelände zu fahren, um Reha zu machen?
Wenn du verletzt bist, bist du zwar trotzdem in der Kabine dabei, die Jungs machen die Späße mit dir – aber es ist einfach etwas komplett anderes. Ganz wichtig war auch das Totopokal-Spiel in Rödelmaier, als ich danach das erste Mal keine Schmerzen mehr hatte.
Welche Rolle hat für Sie die professionelle Aufbauarbeit von Fitnesstrainer Jörg Mikoleit gespielt?
Der macht uns schon Feuer. Das finde ich positiv. Wir brauchen diese Fitness in der Dritten Liga. Ich hatte das Glück, dass ich nicht mehr so viel mit ihm zusammenarbeiten musste (lacht), da ich in der Vorbereitung relativ schnell wieder in das Training eingestiegen bin.
Tragen Sie mittlerweile eigentlich einen Spezialschuh?
Nein, da habe ich nichts geändert. Nur Einlagen habe ich irgendwann bekommen. Die Schmerzen hingen nicht mit dem Schuhmodell zusammen. Auch in Straßenschuhen hatte ich Schmerzen. Egal welchen Schuh ich anhatte: Wenn ich ihn ausgezogen habe, haben die ersten Schritte danach brutal wehgetan.
Gab´s Phasen, in denen Sie an der Fortführung Ihrer Karriere gezweifelt haben?
Ja, definitiv. Es gab keine exakte Diagnose warum die Schmerzen nicht besser wurden. In dieser Zeit habe ich viel mit Marius Willsch geredet, bei dem es ähnlich war. Ab und an habe ich mir schon Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn es jetzt gar nicht mehr besser wird. Ich habe trotzdem immer versucht, an das Comeback zu glauben. Mein Papa hat mir in dieser Zeit viel geholfen.
Inwiefern?
Er war selbst Fußballer, sagt mir immer seine Meinung. Er hat mich ermutigt, den Kopf oben zu behalten und immer weiter zu machen.
Gab es Tage, an denen Sie gar nicht raus wollten, an denen es hart war für den Kopf?
Natürlich gab es die. Bei normalen Verletzungen, wie beispielsweise einem Bänderriss, ist der Ablauf klar: Du fängst an mit Kraftraum, Fahrradfahren, dann kommt das Lauftraining, das Aufbautraining und schließlich die Rückkehr ins Mannschaftstraining. Ich bin gefühlt zwei Monate nur gelaufen, aber hatte nicht die Aussicht, dass ich demnächst ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Ich war beim Laufen immer schmerzfrei. Doch sobald der Ball dazukam, ging´s nicht mehr. Wenn du kein Ziel vor Augen hast, ist es halt schwer.
Welche Personen aus dem Verein haben Sie denn in dieser schwierigen Zeit besonders unterstützt?
Da gab es einige. Ich habe viele Gespräche geführt. Ich habe mich nie alleine gefühlt, der Verein war immer da für mich, hat mir positiv zugesprochen.
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Der Konkurrenzkampf ist in dieser Saison wesentlich größer: Mit Tim Rieder, Quirin Moll und Ihnen gibt es drei Kandidaten für eine Position. Wo sehen Sie sich?
Wir haben auf alle Fälle einen deutlich größeren Konkurrenzkampf als letztes Jahr. Nicht nur auf meiner Position, sondern im kompletten Kader. Auf der Sechs haben wir sogar drei Spieler für eine Position. Die ersten fünf Spiele haben wir allesamt gewonnen, da gibt es für einen Trainer natürlich wenig Grund zu wechseln. Da musst du als Spieler, der hinten dran steht, auf deine Chance warten. Wenn du im Training Gas gibst, bekommst du irgendwann deine Möglichkeit. Tim war jetzt in Köln rotgesperrt, dann ist die erste Halbzeit nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich bin zur Halbzeit reingekommen. Das sind die Momente, die du nutzen musst.
Was fehlt Ihnen noch, um an das alte Leistungsvermögen anzuknüpfen?
Ich würde noch nicht sagen, dass ich bei einhundert Prozent bin, weil mir die Matchpraxis noch fehlt. Die bekommt man nur über Spiele, da hilft dir auch kein Training. Ich glaube aber, dass ich relativ weit bin und vor allem weiter, als ich es im Vorfeld gedacht hätte. Wenn mir jemand vor paar Monaten gesagt hätte, dass ich am 2. Spieltag im Kader bin und null Minuten spiele, hätte ich das sofort unterschrieben. Aktuell bin ich deshalb zufrieden. Aber klar will ich bald auch wieder von Anfang an spielen.
Neben Marco Hiller und Phillipp Steinhart sind Sie der letzte verbliebene Aufstiegsheld bei 1860. Ihr Vertrag läuft im Sommer 2023 aus: Welche Argumente haben Sie, dass Sie über die Saison hinaus ein Löwe bleiben?
Ich war lange verletzt. Jetzt liegt es an mir, ich muss Gas geben. Ich habe schon öfter bewiesen, dass ich in diese Mannschaft reingehöre – egal, ob es bei Daniel Bierofka war oder bei Michael Köllner. Wenn ich fit war, habe ich meistens gespielt. Mein Ziel ist es ganz klar, hierzubleiben. Ich will nochmal aufsteigen mit Sechzig, ich will in der Zweiten Liga spielen mit den Löwen. Das ist ganz klar mein Ziel.
Kapitän Stefan Lex hat angekündigt, nach dieser Saison aufhören zu wollen. Haben Sie diesbezüglich einen Plan, was das Karriereende betrifft?
Ich habe jetzt kein genaues Datum im Kopf, wann ich aufhören möchte. Ich will weiterspielen, solange ich schmerzfrei bin und mithalten kann.
Erklären Sie mal aus Ihrer Sicht den neuen Höhenflug des TSV 1860.
Das Trainingslager hat eine große Rolle gespielt. Wir haben relativ früh zusammengefunden, weil die Neuzugänge von Anfang an dabei waren. Wir sind eine super Truppe, verstehen uns top. Der andere Punkt ist der Konkurrenzkampf. Keiner kann sich ausruhen. Wenn man seine Leistung nicht bringt, spielt eben ein anderer. Das treibt uns alle an.
Die gute Chemie im Team war bereits im Trainingslager in Windischgarsten deutlich spürbar. Welche Spieler sorgen denn besonders für den guten Zusammenhalt in der Mannschaft?
Da würde ich den Lexi (Kapitän Stefan Lex, d. Red.) ganz klar hervorheben. Das ist ein Typ, der mit jedem Spieler richtig gut kann. Auch im Trainingslager kümmert er sich beispielsweise um die Spieleabende, organisiert viel. Er ist ein ganz, ganz wichtiger Typ – auf und außerhalb des Platzes.
Konkurrenzkampf und Teamspirit sind das Eine. Zu einem Saisonstart mit 16 Punkten aus sechs Spielen gehört logischerweise auch das Fußballerische dazu. Was hat sich denn diesbezüglich verändert?
Wir haben in jedem Mannschaftsteil Neuzugänge mit einer extrem hohen Qualität dazubekommen. Wir haben zusätzlich noch drei potenzielle Stammspieler, die momentan noch verletzt sind und trotzdem ist die Qualität sehr hoch.
Die Löwen stehen nach sechs Spielen auf Platz 1: Ein Fingerzeig oder nur eine Momentaufnahme?
Es kann schon ein Fingerzeig sein. Die letzten Jahre sind wir nie so gut gestartet, sind der Konkurrenz immer hinterhergelaufen am Anfang. Dieses Jahr können wir es von vorne bestimmen – das gibt uns auch Selbstvertrauen. Der Start war überragend. Wir wissen, dass wir jeden schlagen können. Wenn du eine solche Serie wie wir hast, willst du diese natürlich auch verteidigen.
Sollte 1860 aufsteigen, gibt´s dann für Sie als Tatoo-Liebhaber ein neues Motiv?
Wenn wir in die Zweite Liga aufsteigen, kommt auf jeden Fall etwas. Was genau das sein wird, weiß ich noch nicht genau. Aber den Zweitliga-Aufstieg müsste man schon verewigen.
Michael Köllner wirkt noch zielstrebiger als in den Vorjahren: Haben Sie denselben Eindruck?
In den Vorjahren war er auch schon sehr dominant, sehr zielstrebig. Dennoch ist es dieses Jahr nochmal anders. Mir ist es zum Beispiel in den Totopokalspielen aufgefallen, als wir 6:0 geführt haben und er dennoch ununterbrochen von draußen Anweisungen gegeben hat. Er gibt uns Feuer. Der Trainer weiß aber auch, wann er die Leine mal etwas lockerer lassen kann, verkrampft nicht. Er hat eine super Mischung.
Mit Marcel Bär fällt der Toptorjäger noch Monate aus: Sind Sie überrascht, dass 1860 nicht nachgerüstet hat?
Eigentlich nicht. Natürlich tun uns die Ausfälle von Bär, Steinhart und Semi Belkahia weh, keine Frage. Aber ich glaube, der Erfolg gibt dem Verein Recht. Bisher konnten wir alle Ausfälle super kompensieren. Der Klub hat Fynn Lakenmacher und Meris Skenderovic geholt, die beide bereits getroffen haben. Wenn der Verein ihnen dann wieder einen vor die Nase setzt, denken die sich auch ihren Teil. Die Verletzten kommen ja auch irgendwann zurück. Dann wird´s ohnehin eng, wer es überhaupt in den Kader schafft.
Wie planen Sie für Ihre Karriere nach dem Profifußball? Ist die Fußballschule, die sie mit Timo Gebhart gegründet haben, ein erster Baustein?
Es war jetzt als erster Schritt geplant. Die Sache macht mir unfassbar viel Spaß. Man muss in das Projekt natürlich viel Arbeit reinstecken, damit es wachsen kann. Ich sehe viel Potenzial für die Zukunft. Momentan machen wir ja nur Feriencamps. Aber es gibt natürlich auch viele zusätzliche Möglichkeiten mit Individualtrainings oder Gruppeneinheiten außerhalb der Ferienzeiten. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Unser großes Ziel ist es irgendwann, eine Halle zu mieten und einen Kunstrasen einzubauen. Wir wollen etwas eigenes haben. Momentan liegt mein Fokus aber ohnehin voll auf Sechzig.
Hat Sie Gebhart schon animiert, irgendwann unter ihm für den BSC Memmingen aufzulaufen?
Bis jetzt noch nicht (lacht). Das ist aber auch noch weit weg. Am Ende meiner Karriere möchte ich auf alle Fälle mit meinen Freunden, die ich aus meiner Kindheit vom Bolzplatz kenne, zusammen kicken. Vielleicht ja bei der FT Gern, dort war mein Papa früher Trainer und ich habe dort mittrainiert, mal sehen.
Erzählen Sie uns mal von Ihren Erfahrungen mit den Kids…
Am Anfang war ich etwas nervös. Nach zwei, drei Tagen hat es aber richtig Spaß gemacht. Vor allem gibt es einem viel zurück. Das hätte ich davor gar nicht so extrem gedacht. Besonders wertvoll ist es, die Kinder aufzumuntern wenn es nicht so läuft und ich ihnen versuche zu erklären, dass verlieren zum Leben dazugehört.
Welche Frage bekommen Sie am häufigsten von den Kids gestellt?
Wie viel Geld ich verdiene (lacht). Das interessiert sie immer brennend.
Wissen die Kinder überhaupt, für welchen Klub Sie spielen?
Die Kids kennen uns nicht alle, das sind eher die Eltern. Bei den Kleinen sind eher die Spieler von Real Madrid und Barcelona angesagt. Es gibt aber definitiv auch einige junge Sechzigfans, die sich gut auskennen.