2004 stieg der Löwe aus der Bundesliga ab – und kehrte bis heute nicht zurück. Lang ist´s her. Trainer Falko Götz (60) musste damals nach 29 Spieltagen seinen Hut nehmen. Ohne Götz darüber zu informieren, hatte Vizepräsident Hannes Zehetmair die Entlassung des Coaches öffentlich gemacht. Abgesprochen mit Präsident Karl Auer war das nicht. Chaotische Tage an der Grünwalder Straße 114 – wie so oft.
Mit Götz musste auch sein Co-Trainer Olaf Janßen (55), damals 37 Jahre jung, seinen Hut nehmen. Heute sitzt Janßen, der als Trainer und Co-Trainer für zahlreiche Vereine in Deutschland – unter anderem St. Pauli, Stuttgart, Hertha BSC und Wolfsburg – tätig war, als Coach bei Viktoria Köln auf der Bank. Nun steht für Janßen also in der Dritten Liga das Duell gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber an (Samstag, 14.03 Uhr, db24-Ticker). Im Vorfeld der Partie verrät der Fußballehrer im exklusiven db24-Interview, wie er die Chaos-Tage bei den Löwen in Erinnerung behalten hat, was er an seinem Trainerkollegen Michael Köllner (52) so schätzt und warum es ohne finanzielle Hilfe von außen im modernen Fußball nicht funktioniert.
db24: Herr Janßen, die Münchner Tage stehen bevor. Welche Partie ist für Sie wichtiger: Das Ligaspiel gegen 1860 oder der Pokal-Kracher gegen den FC Bayern?
Die zwei Wettbewerbe haben nichts miteinander zu tun. Wir freuen uns tierisch auf Samstag, wenn der unangefochtene Tabellenführer zu uns kommt. Was dann wenige Tage danach kommt ist sicherlich für den Verein, das ganze Umfeld ein sehr besonderes Ereignis. Das ist aber überhaupt nicht in unserem Kopf. Gut ist natürlich, dass wir am Wochenende nicht gegen irgendwen spielen, sondern gegen den Tabellenführer. Das hilft dabei, nicht schon an den Mittwoch zu denken.
db24: Die Viktoria zieht für das Pokalspiel gegen den Rekordmeister ins Rhein-Energie-Stadion um. Mit wie vielen Zuschauern rechnet der Verein und wie wirft das Duell bereits seinen Schatten voraus?
Die Bayern spielen so gut, dass sie jeder mal sehen will. In Höhenberg hätten wir nur 8.200 Zuschauern Platz bieten können und alleine die Übertragungswägen für das Fernsehen (Die ARD übertragt die Partie live; d. Red.) hätten gar keinen Platz bei uns im Stadion. Deswegen sind wir umgezogen. Und das Stadion ist seit über drei Wochen ausverkauft, abgesehen von wenigen VIP-Plätzen. Bei den Leuten in der Stadt ist das Spiel natürlich Thema, das merkt man.
db24: Wieso endet die Siegesserie der Münchner Löwen am Samstag bei Viktoria Köln?
Wir haben Punkte gesucht, bei denen wir unsere Stärken gegen diesen Gegner einbringen können. Das ist zugegebenermaßen bei Sechzig momentan schwierig, so wie die drauf sind. Aber das macht die Sache nur noch reizvoller. Wir haben auch Schwächen bei 1860 gesehen, auch wenn es nicht viele waren.
db24: Macht es die Vorbereitung noch schwieriger, dass die Löwen seit dieser Saison einen sehr breiten Kader haben, viele verschiedene Spieler für Gefahr sorgen können?
Ja klar, das ist ein Riesenplus für jede Mannschaft. Sechzig war sehr umfangreich auf dem Transfermarkt tätig und auch relativ gut – das kann man jetzt schon sagen. Aber der breite Kader ist auch unsere stärkste Veränderung. Letzte Saison hatte ich gefühlt eine Krabelgruppe auf der Bank, die ich einwechseln konnte. Das hat sich deutlich verändert.
db24: Sie haben zuhause mit ihrem Team bereits Wehen Wiesbaden und Dynamo Dresden geschlagen. Was wir der Schlüssel sein, um auch 1860 zu knacken?
Wir hatten bislang Mannheim, Dresden, Wiesbaden und Freiburg II, die ja auch oben stehen. Jetzt kommt Sechzig. Das Auftaktprogramm ist relativ knackig. Es gilt aber, mutig zu bleiben und überzeugt von unserer Idee zu sein. Wir müssen uns auf das Spiel der Löwen einstellen, das ist uns in Freiburg zuletzt (0:1-Niederlage; d. Red.) nicht gelungen. Es gilt, wenn Sechzig angreift, konzentriert zu verteidigen. Und im Umschaltspiel haben wir ganz andere Möglichkeiten als noch in der letzten Saison. Der Großteil der Mannschaft ist seit eineinhalb Jahren zusammen, versteht unsere Idee immer besser. Wir sind in der Offensive deutlich besser aufgestellt.
db24: Wie schätzen Sie ihren Kollegen Michael Köllner ein? Wo liegen seine Stärken?
Ich habe mit Michael zusammen meinen Fußballehrer gemacht. Er ist ein brutal angenehmer Kollege, mit dem ich mich gerne unterhalte. Michael hat ein Händchen dafür, mit seinen Spielern umzugehen, ist ein Menschenfänger. Und trotzdem bleibt er authentisch und das merken seine Spieler. Und das er taktisch auch nicht auf den Kopf gefallen ist, kann man sehen – Michael ist sehr schlau und gewieft. Er wird auch unser Spiel analysiert und seine Lehren daraus gezogen haben.
db24: Sie sind gut in die Saison gestartet, haben neun Punkte nach fünf Spielen geholt. Eine Bilanz, mit der sicherlich nicht jeder gerechnet hätte…
Letztes Jahr hatten wir zu diesem Zeitpunkt einen Punkt, jetzt haben wir neun – darauf sind wir unheimlich stolz. Am Samstag wird die Uhr jedoch auf null gestellt und da müssen wir unser bestes Saisonspiel abliefern, wenn wir drei Punkte holen wollen.
db24: Was haben Sie mit Viktoria Köln mittelfristig vor? Aufstieg in die Zweite Liga?
Wenn ein Trainer das Geschenk bekommt, eine Mannschaft über einen längeren Zeitraum entwickeln zu können, will man natürlich irgendwann einmal das Maximale erreichen. Wir wissen aber auch, wie eng die Dritte Liga ist. Vergangene Saison mussten wir am vorletzten Spieltag gegen Kaiserslautern gewinnen, um die Klasse zu halten. Jetzt geht es darum, dass wir den nächsten Schritt hinkriegen, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Aber natürlich: Wir sind wirtschaftlich gut aufgestellt, haben eine Menge an der Infrastruktur gearbeitet. Sicherlich wollen wir in den nächsten zwei, drei Jahren nach oben gucken.
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db24: Auf Dauer ist die Dritte Liga finanziell kaum stemmbar. Wie wichtig sind des halb DFB-Pokal-Spiele wie gegen die Bayern?
Wir sind wirtschaftlich durch unseren Hauptsponsor ETL gut aufgestellt. Wir wirtschaften sehr vernünftig, haben ein Nachwuchsleistungszentrum. In diesem Jahr haben wir acht U19-Spieler mit Verträgen ausgestattet. Das Bayernspiel ist natürlich dennoch top.
db24: Sie haben auch bereits in der Zweiten Liga und der Bundesliga gearbeitet. Wie groß sind die Unterschiede zwischen der Zweiten und Dritten Liga? Aufsteiger wie Magdeburg und Braunschweig tun sich eine Spielklasse weiter oben gehörig schwer…
Der Unterscheid wird immer kleiner. Bei Magdeburg muss ich sagen: Die Mannschaft ist personell deutlich schlechter aufgestellt als letztes Jahr, hatte viele Abgänge. Auch in der Zweiten Liga ist die finanzielle Schere vorhanden. Zwar geringer als in der Bundesliga, aber sie ist da, das kann man nicht wegdiskutieren. Wenn du über mehrere Jahre die TV-Gelder in der Zweiten Liga kassierst, hast du natürlich andere Möglichkeiten als Braunschweig oder Magdeburg. In der Dritten Liga ist diese Finanzschere deutlich kleiner, deswegen ist diese Liga ja so interessant. Auch wenn wir die Spiele von Sechzig durchgehen: Die Löwen haben ihre Gegner nicht komplett aus dem Stadion geschossen, da waren enge Partien dabei. Und das ist eben die Dritte Liga. Deswegen wird diese Liga immer interessanter und die Bundesliga von Jahr zu Jahr uninteressanter. Wenn dort zehnmal in Folge derselbe Klub Deutscher Meister wird, was soll das denn noch für ein Wettbewerb sein?
db24: Ihre eigene Vergangenheit an der Grünwalder Straße 114 als Co-Trainer von Falko Götz endete mit der chaotischen Entlassung von Götz im April 2004. Wie haben Sie diese verrückten Tage damals wahrgenommen?
Es waren verrückte Tage, auch mit der Geschichte rund um die Wildmosers. Das hat den ganzen Verein in den Grundfesseln erschüttert. Ich kam morgens zum Training in mein Büro, da saß jemand an meinem Computer. Mir wurde gesagt, ich solle draußen warten. Das war die Steuerfahndung. Und dann die Trainerentlassung: Das war in dem Moment natürlich beschissen, gar keine Frage. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen.
db24: Warum ist es der Mannschaft 2004 damals nicht gelungen, den Abwärtstrend zu verhindern, die Löwen standen lange im Mittelfeld der Tabelle?
Es ist häufig so, dass Mannschaften, die unten reingeraten, die Durchschlagskraft nach vorne fehlt. Das war auch unser Problem. Benny Lauth hing mehrere Wochen ein bisschen in den Seilen. Benny war damals sehr jung und es lastete zu viel Druck auf seinen Schultern. Neben ihm gab es einfach zu wenige Spieler, die Tore machen konnten.
db24: Das Beispiel der Götz-Entlassung zeigte, dass es bei den Löwen schon vor der Ära Ismaik immer wieder chaotische Tage gab. Ist 1860 ein ewiger Problem-Verein?
Wenn man A sagt, muss man auch B sagen. Die Fans werden blau geboren, die gehen mit dem Verein durch dick und dünn. Das ist ein Riesenpfund. Wenn ich an die Bilder denke, wie die Mannschaft in den letzten Jahren zu den Spielen gefahren ist mit den Fans am Straßenrand, da denkt man, das ist ein Champions-League-Klub, wo gibt´s das sonst? Es ist doch klar, dass sich diese Menschen danach sehnen, wieder dahin zu kommen, wo der Klub einmal war. Allerdings ist die Finanzschere im Fußball mittlerweile so groß geworden, dass es brutal unrealistisch ist, den Weg nach oben ohne fremde Hilfe von außen zu schaffen. Das muss man ehrlich sagen. Es ist okay, wenn die Fans sagen sie wollen keinen Investor haben. Aber dann müssen sie auch damit leben, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Sechzig hat die Möglichkeit, Hilfe von außen zu bekommen, weil es eben ein großer Klub ist. Ein Investor läuft ja zehnmal lieber zu den Löwen als irgendwo anders hin. Und wenn wir jetzt nach England schauen: Für die ist ein Investor völlig normal.
db24: Waren die Löwen im Nachhinein genau der richtige Einstieg ins Trainergeschäft, um auch die Schattenseiten kennenzulernen?
Die Löwen werden immer in meinem Herzen bleiben, da es meine erste Trainerstation war. Ich habe dort super viele Erfahrungen gemacht an der Seite von Falko Götz in der Bundesliga. Ich konnte viel davon in meine weitere Laufbahn transportieren.
db24: Sie gelten als Legende des 1. FC Köln. Ist da überhaupt ein Engagement beim Stadtrivalen vertretbar?
Das ist hier überhaupt kein Thema. Ich habe für den 1. FC Köln elf Jahre lang am Stück in der Bundesliga gespielt. In Köln wurde es allgemein sehr gut aufgenommen, dass wir mit meiner Verpflichtung vor rund eineinhalb Jahren einen ganz anderen Weg eingeschlagen haben, als die Viktoria vorher hatte. Früher hat der Verein mit Geld Stars gekauft, das haben wir ja total auf den Kopf gestellt und das wird wahrgenommen. Unsere U19-Spieler hatten vergangene Saison über 7.000 Einsatzminuten. Wir setzen auf junge Spieler, das hat die Stadt wahrgenommen.
db24: Zwischen 2008 und 2013 waren Sie unter Berti Vogts Co-Trainer der Nationalmannschaft von Aserbaidschan. Nehmen Sie uns doch einmal mit in diese andere Kultur. Wie wird der Fußball dort gelebt?
Ich habe die Jahre dort total genossen, die Arbeit als Nationaltrainer kennengelernt. Als wir da ankamen, hatte die Mannschaft Regionalliga-Niveau. Wir spielten aber gegen Deutschland, Portugal etc. In den fünf Jahren haben wir aber eine tolle Entwicklung hinbekommen. Das sieht man auch heute an den Vereinen aus Aserbaidschan in der Europa League und Champions League. Die werden da nicht mehr abgeschossen, die Nationalmannschaft auch nicht mehr. Die Menschen sind sehr leidenschaftlich, ähneln von der Mentalität dem türkischen Volk. Einmal haben wir die Türkei zuhause mit 1:0 besiegt. Danach war auf den Straßen die Hölle los – Weihnachten, Ostern und Silvester auf einen Schlag. Als Trainer war es inhaltlich eine tolle Erfahrung.
db24: Sie haben viel erlebt im Profifußball-Geschäft, sind heute 55 Jahre alt. Wollen Sie ihre Karriere bei Viktoria Köln beenden oder möchten Sie noch einmal höherklassig angreifen?
Alles was ich getan habe, habe ich aufgrund des Projekts getan. Angefangen von den Löwen unter Falko Götz bis hin zu meiner jetzigen Aufgabe bei Viktoria Köln. Letztes Jahr hatten wir hier nach neun Spielen fünf Punkte, haben am 9. Spieltag beim Letzten in Havelse verloren. Da wäre es für viele Trainer eng geworden. Das Gefühl hatte ich niemals hier. Das ist ein Geschenk. Ich bin mit 55 Jahren der älteste Trainer der Dritten Liga. Ich kann wirklich behaupten, hier bei Viktoria Köln muss ich mich nur um das Sportliche kümmern. Das genieße ich total. Ich brauche kein Glamour, das Projekt muss mich ansprechen. Das kann irgendwann auch nochmal woanders sein. Im Moment verschwende ich jedoch keinen Gedanken daran.