Marketing-Experte Christian Henne im db24-Interview: „Wert der Marke 1860 kontinuierlich gesunken!“

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Der Löwe klärt seine Fans auf…

Bei der digitalen Veranstaltung “Mehr als 3.Liga – Wie auch unsere Partner den Weg in die 2. Liga ebnen” gibt der Verein am Dienstagabend um 19 Uhr seinen Anhänger einen Einblick in die Themen Sponsoring und Vermarktung bei 1860. Unter anderem werden dabei die Fragen “Wie hängen Gesamtfinanzierung und Sponsoring zusammen?” sowie “Welche strategischen Ansätze verfolgen unsere Partner?” beantwortet. HIER können Sie sich anmelden, um online teilzunehmen.

Moderiert wird die Veranstaltung von Claudia Pichler. Folgende Gäste sind vertreten: Marc-Nicolai Pfeifer und Günther Gorenzel (Geschäftsführung des TSV 1860 München), Martin Gräfer (Mitglied der Vorstände unseres Hauptsponsors die Bayerische), Christian Dierl (Geschäftsführer des LöwenPartners Maler Dierl) sowie Wilson Pearce (Teamleiter Infront München).

Christian Henne hat mit den mächtigsten Unternehmen Deutschlands zu tun. Täglich. Der 47-Jährige ist Gründer und Gesellschafter des Munich Digital Institute. Das Unternehmen berät Firmen wie BMW, DATEV, Evonik und XING in digitalen Strategiefragen. Der gelernte Journalist, der jahrelang Nike in PR-Fragen rund um den Profifußball beriet, ist seit vielen Jahren erfolgreich in der Branche unterwegs, gilt als kritischer Beobachter der Marketing- und Kommunikationsbranche. Im exklusiven db24-Interview verrät Henne, wie er die Marke 1860 von außen betrachtet, wie sich der Wert einer Brustwerbung im Profifußball berechnen lässt und wo die Löwen noch dazulernen können, um mehr Gelder zu generieren.

db24: Herr Henne, der TSV 1860 veranstaltet eine digitale Veranstaltung für die Fans, um ihnen zu zeigen, mit welchen Strategien die Löwen in den Themen Sponsoring und Vermarktung agieren. Eine sinnvolle Idee?

CHRISTIAN HENNE: Heutzutage kommt man um eine gewisse Transparenz den Fans gegenüber nicht drumherum. Von daher halte ich es für einen guten Weg, die Fans mit reinzunehmen.

db24: Welche Punkte könnten die Fans besonders interessieren?

Zuallererst, welche finanziellen Leistungen mit den Partnerschaften einhergehen. Grundsätzlich ist es interessant zu wissen, wie sich als 1860 als Marke positioniert. Geht es bei den Partnerschaften um maximalen Ertrag, um Langfristigkeit, um Nachhaltigkeit oder um regionale Bezüge? Diese Punkte halte ich für einen Verein wie 1860 viel wichtiger als für Klubs wie beispielsweise den FC Bayern.

db24: Wie nehmen Sie als Außenstehender die Marke 1860 wahr? Wo erkennen Sie Defizite im Bereich der Vermarktung?

Wenn ich die letzten 10, 15 Jahre betrachte, ist der Wert der Marke 1860 kontinuierlich gesunken. Es gab Zeiten, da bewegte sich 1860 punktuell auf Augenhöhe mit dem FC Bayern – davon sind wir heute weit entfernt. In meinem Leben als Münchner Fußballfan kommt die Marke 1860 nicht wirklich vor. Das spricht nicht gerade für die Marke 1860.

db24: Wie könnten man das ändern?

Natürlich hängt das eng mit dem sportlichen Erfolg zusammen. Du brauchst Spieler, an denen man sich reiben kann. Typen eben! Ich nutze sehr häufig die sozialen Medien und sehe den Verein so gut wie gar nicht. Wenn ich Sechzig in den letzten Jahren wahrgenommen habe, dann meistens negativ: Inverstorprobleme, Leute, die aus irgendwelchen Gründen bei 1860 aussteigen oder sportlicher Misserfolg. Ich glaube, ich stehe da representativ für die Menschen, die nicht so nah am Verein dran sind.

db24: Geschäftsführer Marc Pfeifer geht den Weg mit vielen lokalen Unternehmen, über 70 Partner haben die Löwen mittlerweile, die mindestens 18.600 Euro pro Saison zahlen. Die richtige Strategie für einen Verein wie 1860?

Grundsätzlich ist es sicherlich kein Fehler, Geldgeber aus der Region zu suchen. Auf der anderen Seite lechzen die Fans nach sportlichem Erfolg, wollen, dass Geld für Transfers in die Kassen kommt. Deshalb muss eine Marke, die sich entwickeln möchte, eine Doppelstrategie fahren. 1860 besitzt immer noch eine große Strahklraft. Es wäre naiv zu denken, dass es nur mit regionalen Partnern geht.

db24: Vom Hauptsponsor “Die Bayerische” erhalten die Löwen aktuell rund 1,1 Millionen Euro pro Jahr für die Brustwerbung. Wie viel mehr könnte 1860 im Falle eines Zweitliga-Aufstiegs verlangen?

Das ist schwierig zu beantworten, dafür müsste ich die genauen Daten zur Marke 1860 kennen. Grundsätzlich spielen bei dieser Berechnung jedoch ganz rational bezifferbare Leistungsdaten eine Rolle. Am Wichtigsten ist dabei natürlich die mediale Reichweite. Die Geldgeber möchten natürlich, dass möglichst viele Menschen ihr Logo auf der Brust sehen. Natürlich möchte ich zudem einen Transfer von positiven Emotionen mit meinem Sponsoring hinbekommen. Ich kann als Sponsor eigentlich nur bei einem Verein werben, der positiv dargestellt wird. Ansonsten müsste ich ja ständig erklären, warum ich mein Geld in einen Klub stecke, bei dem nicht einmal klar ist, wie es kommendes Jahr weitergeht. Ich muss leider sagen: 1860 ist sicherlich nicht die Marke, die mir als erstes einfällt, wenn es um den Transfer positiver Emotionen geht.

db24: Der Löwe spielt im alten und kleinen Grünwalder Stadion. In anderen Stadien können Partner durch Werbestände beispielsweise direkt mit den Anhängern in Kontakt treten. Das ist in Giesing nicht möglich. Bremst man sich dadurch aus, was den Gewinn großer Werbepartner angeht?

Auf alle Fälle. Der wichtigste und qualitativ interessanteste Kontakt für Geldgeber ist der mit den Fans am Spieltag. Man kann das natürlich heutzutage durch das Internet etwas auffangen. Aber das ersetzt nicht den Kontakt am Spieltag im oder vor dem Stadion.

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db24: Die BayWa AG, die ja auch die Bayern-Basketballer unterstützt, ist seit diesem Sommer Namensgeber des Nachwuchsleistungszentrums der Löwen, unterstützt 1860 mit einem mittleren sechsstelligen Betrag. Ein Segen für den Verein?

BayWa ist ganz sicherlich ein Unternehmen, das auf der einen Seite einen regionalen Bezug hat mit einer gewissen Bodenständigkeit und dennoch eine sehr renommierte Firma darstellt. Das ist eine Art von Unternehmen, mit dem ich etwas entwickeln kann.

db24: Geschäftsführer Pfeifer brachte vor wenigen Wochen BMW als Partner ins Spiel, ohne dass das Unternehmen Interesse signalisiert hatte. Ein No-Go?

Wenn ich so etwas öffentlich ankündige und dann aber nicht ansatzweise hinkriege, ist die Frage, wie glaubwürdig ich gegenüber den Fans und der Öffentlichkeit rüberkomme. Als Marke würde ich nicht zu viel versprechen und dann die Anhänger wieder enttäuschen. Anspruch und Wirklichkeit müssen vernünftig zusammenpassen, sonst werde ich als Marke unglaubwürdig.

db24: Sie sind in der Branche gut vernetzt. Was halten Sie von Infront, dem Vermarktungspartner der Löwen? Eine gute Wahl für den Verein? Oder sollte sich 1860 Richtung Eigenvermarktung orientieren?

Infront kann ich allgemein schwer einschätzen. Aber ich glaube nicht, dass sich die Löwen bei all ihren internen Problemen eine Gefallen tun würden, wenn sie auch noch die Marketingdeals selbst verhandeln müssten. Dann lieber auf einen erfahrenen Vermarkter setzen. Eine andere Frage ist aber natürlich auch wichtig: Welches Modell ist für den Klub finanziell interessanter?

db24: Hinter dem FC Bayern stehen globale Marken wie die Telekom, Audi und Qatar Airways. Auch die Löwen hatten mit VW und Aston Martin Firmen dieser Größenordnung als Partner. Passen solche Unternehmen überhaupt zur Marke 1860?

Da ist halt die Frage, was die Löwen sagen, welche Partner zu ihnen passen. Den Bayern-Sponsoren geht es ja hauptsächlich darum, als globale Marke wahrgenommen zu werden, in dieser Liga ist man bei 1860 nicht unterwegs. Wenn es einem großen Unternehmen wichtig ist, eben auch als regionale Marke gesehen zu werden, machen solche Partnerschaften auch mit 1860 Sinn.

db24: Der FC Bayern ist dem Rest der Bundesliga sportlich wie wirtschaftlich um Längen voraus, es herrscht Langeweile an der Tabellenspitze. Was könnte dagegen helfen? Wäre das Fallen der 50 1-Regel die Chance auf einen sportlich spannenden Wettbewerb?

Zumindest finde ich, dass man darüber nachdenken muss. Im Profifußball muss man sich von Dingen aus der Vergangenheit verabschieden, ob man will oder nicht. Die Bundesliga verliert aktuell an Attraktivität. Was habe ich davon, wenn Bayern nach Bochum oder Frankfurt fährt und es geht nur darum, wie hoch sie schon zur Pause führen? Man muss darüber nachdenken, wie die Konkurrenzfähigkeit wieder hergestellt werden kann und ob man sich von den Konzepten aus der Vergangenheit verbschieden muss.

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